Als 1881 das „Buch der Narren“ erschien

Telefonistinnen in der Telefonzentrale in Odense 1927 Dänemark

von Ursula A. Kolbe

… war das erste Telefonbuch mit 185 Einträgen gemeint, von den Berlinern allerdings belächelt, und wie gesagt, als „Buch der Narren“ betitelt. Doch schon sieben Jahre später gab es in Berlin mehr Telefonanschlüsse als in jeder Stadt in den Vereinigten Staaten von Amerika. Ein Siegeszug ohnegleichen. Am 1. April 1881 wurde das Telefonnetz der Öffentlichkeit übergeben. Die Herausgeberin dieses Buches, die Historikerin und Kunsthistorikerin Dr. Gerhild Komander kommentiert hierin ausführlich, wie es zum Siegeszug des Telefon kam, wer die ersten Telefonteilnehmer waren und was man heute noch sehen kann.

1876 hatte Alexander Graham Bell den ersten voll funktionsfähigen Telefonapparat gebaut. Heinrich von Stephan, Generalpostmeister des Deutschen Reiches, erfuhr 1877 davon, las die Beschreibung in der „Scientific American“ vom 6. Oktober des Jahres, bestellte postwendend ein Exemplar. Am 24. Oktober überreichte ihm Henry C. Fisher, Chef des Londoner Haupttelegraphenamtes, zwei Bell-Apparate – bevor der Brief von Stephans New York erreichte. Am 5. November stand dann die erste regelmäßige Fernsprechleitung zwischen der Leipziger und der Französischen Straße: zwischen den Amtszimmern des Generalpostmeisters und des Direktors des Generaltelegraphenamtes.

Reichskanzler Otto von Bismarck stimmte sofort zu. Franz Carl Guillaume befasste sich mit der schwierigen Konstruktion von Telefonkabeln. Werner Siemens träumte davon, „jedem Berliner Bürger wo möglich ein Telephon zu jedem anderen zu Disposition zu stellen“ und fing zu bauen an… Emil Rathenau von der Edison-Gesellschaft (AEG) und Bankier Gerson Bleichröder wünschten sich 1881 private Fernsprechnetze. Aber Heinrich von Stephan erklärte das Fernsprechwesen zum Staatsmonopol.

Digitale Schätze im Berliner Museum für Kommunikation

Wer in diese Anfänge eintauchen und ihre Entwicklung weiter erkunden will, findet diese historienträchtigen Auskünfte jetzt in der Bibliothek des Museums für Kommunikation in der Leipziger Straße digital aufbereitet –eine „deutschlandweit einzigartige Sammlung der Telefonbuchausgaben von 1881 bis zur Gegenwart“ und ein Schatz, für die Wissenschaft wie privat: Die Online-Datenbank.

Und der Einblick gerade in die frühen Telefonbücher ist Geschichte und Einblicke pur. Wer kann sich wohl heute noch vorstellen, wie in den ersten Jahren ein einfaches Gespräch zustande kam und Manches festgehalten wurde, was uns heute amüsiert. So war anfangs das Telefonieren nur von 8 Uhr, im Sommer 7 Uhr, bis 21 Uhr möglich. Das waren die Dienstzeiten des notwendigen Vermittlungsamtes, also des berühmten „Fräulein vom Amt“. Bei Gewittern wurden keine Verbindungen hergestellt.

Und schon „im gegenseitigen Interesse sämtlicher Beteiligten“ war es „dringend gewünscht, die Zeit der Benutzung jeder einzelnen der verlangten Verbindungen möglichst abzukürzen. Alles musste dem Anrufer anfangs noch erklärt werden, etwa dass kein Anruf ankommen kann, wenn der „Fernhörer“ – es gab zunächst für jedes Ohr einen – nicht „ in dem aus dem Gehäuse hervortretenden beweglichen eisernen Haken“ hängt, wie Max Liebermann im Telefonbuch von 1895, dem ersten, in dem er auftauchte, nachlesen konnte. Es sei deutlich, aber nicht zu laut und nicht z langsam zu sprechen“, dabei müsse der Mund „3 bis 5 cm von der Schallöffnung des Mikrophons entfernt bleiben“.

Von Ohr zu Ohr: A ruft B

Unvorstellbar für uns heute, wie es überhaupt zu einem Gespräch kam, wurde das Ritual so beschrieben: „A nimmt den Fernhörer von dem eisernen Haken, hält ihn mit der Schallöffnung an’s Ohr, drückt einmal kurz auf den Weckknopf an der Vorderseite des Gehäuses bzw. dreht bei den neuerdings zur Aufstellung gelangten Gehäuses mit Kurbelinduktor die an der Vorderseite befindliche Kurbel langsam und höchstens einmal herum und führt danach den zweiten Hörapparat zum andern Ohr. Auf die Antwort der Vermittlungsanstalt `hier Amt` nennt A durch das Hineinsprechen in das Mikrofon Nummer und Namen von B“. War besetzt, musste alles später wiederholt werden.

Hatte er Glück und in der Vermittlungsanstalt hieß es: „Bitte rufen“, drückte A nochmals den Weckknopf, musste ab nochmals den Weckknopf, jetzt aber etwa drei bis vier Sekunden bzw. dreht die Kurbel langsam einmal herum; während des Drückens bzw. Drehens behält er den vom eisernen Haken genommenen Fernhörer am Ohr. Wenn er hört, hier ist B, kann das Gespräch beginnen.

Die erste Ausgabe von 1881 war ein schmaler Einband von nur 37 Seiten und 185 Einträgen, darunter viele Firmen, Banken, Zeitungen und die Börse mit gleich neun Anschlüssen. Sie ist durch alphabetische Anordnung der Namen sowie nach den Nummern der Teilnehmer gegliedert. Im Jahr danach beschränkte sich das schon auf die heute gebräuchliche alphabetische Form. Ab 1883 waren zusätzlich zum damaligen Berlin die umliegenden Städte und Orte wie Potsdam, aber auch Magdeburg, Halle an der Saale oder Stettin beigefügt.

Es waren auch nicht nur die Haushaltsvorstände abgedruckt, sondern ebenso Untermieter sowie beispielsweise noch bei Eltern wohnende erwachsene Kinder. Und war einem Teilnehmer der soziale Aufstieg gelungen, so wurde auch das registriert. Im Telefonbuch von 1895 steht z. B. nur der bloße Name Max Liebermanns. Die Ausgabe von 1902 benennt für ihn noch: „Professor und Mitglied der Königlichen Akademie der Künste“.

PS: Auf der Seite der Museumsstiftung Post und Kommunikation sind die Berliner Telefonbücher von 1881 bis 1902 einzusehen. Nur noch antiquarisch erhältlich ist der 2006 beim BERLIN STORY VERLAG erschienene Band „1881 – Berlins erstes Telefonbuch“.