Deutsche Tonstrasse – Velten, Rheinsberg, Hennigsdorf

Historische Ziegelei Mildenberg

Historische Ziegelei Mildenberg

von Günter Knackfuß

Die historische Tour auf diesem 215 km langen Rundkurs führt durch das Ruppiner Seenland im Norden Brandenburgs. Ausgangspunkt ist die Stadt Velten, mit ihrem Ofen- und Keramikmuseum. Auf der Ferien-Strecke wird der Reisende viele bemerkenswerte Sehenswürdigkeiten kennenlernen, die mit dem Thema Ton zu tun haben. Keramikwerk-stätten und Galerien gewähren Einblick in das handwerkliche und künstlerische Schaffen vieler Generationen.

Museumsdirektorin Nicole Seydewitz begrüßt uns in der Ofenfabrik A. Schmidt, dem Sitz des Museums. Bereits um 1900 galt Velten angesichts seiner reichen Tonvorkommen und seiner fast vierzig Ofenfabriken als der bekannteste Kachelofenort Deutschlands. Im Jahr 1835 wurde die 1. Ofenfabrik in dieser Region erbaut. Danach brach ein wahrer Ofenfabrikboom herein. Das 1905 gegründete Ofen- und Keramikmuseum zeigt auf etwa 1.500 m² Öfen des 16. bis 20. Jahrhunderts: neben den für den Ort so berühmten weißen Schmelzkachelöfen, den sogenannten “Berliner Ofen”, auch Kachelöfen aus der Schweiz, aus Österreich, Nürnberg, Meißen, Leipzig, und Hamburg sowie eiserne Öfen und Küchenherde. Dazu die Museumschefin: „Auf den zwei geräumigen Etagen zu besichtigen sind Ofenmodelle, Kacheln und Ofenschmuck, Musterbücher und Gemälde.

Und als ein Höhepunkt der Sammlung Originalfotografien von Waldemar Titzenthaler zur Kachelherstellung vom Beginn des 20. Jahrhunderts. Weiterhin Gefäß- und Zierkeramik der Oranienburger Werkstätte Körting, der Steingutfabriken Velten-Vordamm und von so bekannten Keramikern wie Otto Douglas-Hill und Hedwig Bollhagen“. Dieser ist seit 2015 auch ein eigenes Museum auf dem Gelände gewidmet. Auf einer Ausstellungsfläche von 300 m² werden von ihrem Nachlass von 1600 Exponaten 400 Objekte gezeigt (www.ofenmuseum-velten.de).

Der nächste Stop auf der Tonstrasse ist Kremmen. Der Besucher sollte nicht versäumen, sich das alte Scheunenviertel anzusehen, das in Art und Größe einzigartig ist. Mit über 50 Scheunen bestimmt das Viertel wesentlich das Erscheinungsbild der Stadt. Die langgestreckten Zweckbauten entfalten dank ihrer Tonziegel in unmittelbarer Anbindung an die historische Altstadt eine beträchtliche ästhetische Wirkung. Lange bevor die Kachelindustrie in Velten zur Bedeutung gelangte, wurde in Kremmen das Töpfergewerbe betrieben.

Zwei Ziegeleien, die Firmen Grünthal und Hertzog, lagen in der Bodenwelle zwischen Udderlake und dem Kienberge. Der Töpferton wurde in der Stadt zu allerlei Tonwaren, besonders zu Ofenkacheln, verarbeitet. Noch im Jahre 1906 formten und brannten die Töpfermeister Wiedner und Busch Kacheln und andere Tonwaren. Die meisten älteren Kachelöfen in Kremmen sind in hiesigen Töpfereien hergestellt und können sich neben den Veltener Öfen sehen lassen (www.kremmen.de).

Ein nächstes Highlight auf der Tour in Richtung Norden ist die Residenzstadt Rheinsberg. Seit 240 Jahren wird in Rheinsberg Steinzeug fabrikmäßig hergestellt. Die erste Fayencen- und Steingutfabrik fertigte bereits ganze Tafelservices, aber auch Vasen und Figuren. Die Tradition wurde über all die Jahrzehnte bewahrt. Die heutigen Keramikprodukte haben im In- und Ausland einen guten Ruf. In den Manufakturen kann man den Töpfern bei der Arbeit über die Schulter sehen. So z.B. bei Carstens Keramik in der Rhinstrasse 1 (www.keramik-rheinsberg.de). Formdesigner Karsten Remsch erklärt beim Besucherrundgang die Arbeitschritte in der „Pottbude“. Von einer neuen Idee bis zum Produkt im Werksverkauf dauert es rd. 4 Wochen.

Die Zahl aller Formen und Dekore der Manufaktur liegt aktuell bei etwa 160 verschiedenen Artikeln. Seit über 100 Jahren werden in der ältesten Traditionsmanufaktur Gebrauchsgeschirr, Vasen und Dekoartikel produziert. Ab den neunziger Jahren hat sich das Geschirrangebot mit vielen erfolgreichen Konzepten erweitert. Beliebt und sehr lukrativ sind unter anderem die Namenskonzepte. Weitere interessante Werkstätten sind Keramik Manufaktur Dornbusch, Fulle-Keramik und auch das Keramik Museum. Ganz besondere Eindrücke erhält der Gast im Rheinsberger Antik-Keller – “Alte” Keramik: „Nicht da ist man daheim, wo man seinen Wohnsitz hat, sondern wo man verstanden wird“.

Weiter geht die Tour in Richtung Mildenberg und Zehdenick inmitten einer typischen Tonstichlandschaft. Riesige Tonvorkommen entwickelten zu Beginn des 20. Jahrhunderts diese Region zum größten Ziegeleistandort Europas. Auf dem Weg ein weithin sichtbares Zeichen des typisches Angerdorfes Vehlefanz, die im Jahre 1815 erbaute Bockwindmühle. Bereits 1451 wird im Ort eine Ziegelscheune erwähnt. Aus der Verpachtung des Gutes Vehlefanz 1711 geht hervor, dass eine Ziegelei dazu gehörte. Im Jahre 1724 wird erneut die Ziegelei in Vehlefanz wegen ihrer Lieferung von Brandsteinen für den Bau von Königshorst in einem Dokument beschrieben. Des Weiteren hat die Ziegelei einen großen Teil der Steine zum Aufbau des Neuen Palais in Potsdam geliefert.

Der wohl meist gefragte Ort entlang der Tonstrasse ist der Ziegeleipark Mildenberg an der Havel. Auf dem 40 ha großen Gelände befinden sich zwei denkmalgeschützte Großziegeleien. Hier wird Ziegelei- und Technikgeschichte unmittelbar erlebbar. Ziegeleipark-Leiter Roy Lepschies führt uns Besucher durch die beeindruckenden Original-Anlagen: „Maschinenziegelei – Werktätige im VEB“, Ringofen „Friedrich Hoffmann“ und diverse Werkstätten. Neben den historischen Technikraritäten und einem vielseitigen Freizeitangebot gibt es zahlreiche Ausstellungen (www.ziegeleipark.de).

Mehrmals täglich fährt die Tonlorenbahn zum naheliegenden Tagebau. Die Tonregion entstand in diesem Ausmaß rein zufällig. Als 1888 beim Eisenbahnbau die riesigen Tonlager entdeckt wurden, entwickelte sich hier Europas größtes zusammenhängendes Ziegeleigebiet mit ungefähr 60 Ringöfen. Die Ziegelproduktion prägte für die nächsten 100 Jahre das Gesicht des Ruppiner Landes. Hunderte von Ziegeleien aus Brandenburg belieferten die Großstadt Berlin mit Milliarden von Ziegeln (Ein einziges Mietshaus besteht aus ca. 600.000 Ziegeln).

Überall brauchte auch die wachsende Infrastruktur jede Menge Ziegel: Für Abwasserkanäle wurden Ziegel benötigt, ebenso für Brücken, Bahnhöfe, Rathäuser, Krankenhäuser, Kaufhäuser, Kirchen, Fabrikhallen, Museen und Viadukte der Hochbahn. Berühmte Bauwerke Berlins verraten an ihrer Ziegelfarbe deren Herkunft. In Birkenwerder wurden z.B. die Ziegel für das ehemalige Krankenhaus Bethanien hergestellt. Die Ziegel des Roten Rathauses kamen aus Hermsdorf. Das Amtsgericht Charlottenburg wurde mit Zehdenicker Ziegeln erbaut. Erster und Zweiter Weltkrieg brachten die Ziegelproduktion mehrere Jahre zum Erliegen.

Die letzte Ziegelei der Region stellte 1991 endgültig ihre Ziegelherstellung ein. Das Tongebiet von Burgwall bis Zehdenick ist das größte der insgesamt vier eiszeitlich entstandenen Tonbecken der Umgebung. Ausgetont und mit Grundwasser gefüllt, machen die über 70 zurückgelassenen Tonstiche heute mit ihren Bewohnern wie Biber, Fischotter, Rotbauchunke und Große Rohrdommel europaweit von sich reden. Reiche Tonvorkommen und die Ziegelindustrie, besonders des 18. und 19. Jahrhunderts, prägten nicht allein die Landschaft entlang der Deutschen Tonstrasse, sondern auch die Infrastruktur und die Entwicklung vieler Städte und Gemeinden.

Auf der Route zu entdecken auch idyllische Seen, die zum Teil aus Tonstichen entstanden sind und heute vielen Tieren und Pflanzen Raum zum Leben geben. Dazu gehört auch der 2020 neu gestaltete „Freihafen“ Mildenberg, eine wahre Oase am Oberhavel „Amazonas“. Auf einer Halbinsel gelegen, stehen Kanuspaß, Erholung und Naturerleben an oberster Stelle. Aber auch die Lust auf Kulinarisches, kühles Bier und spielerisches Entdecken der verwunschenen, temporären Gebäude und Kunstinstallationen werden geweckt (www.freihafen-mildenberg.de). Insgesamt eine heute noch weitgehend unfrequentierte Gegend für den Touristen mit Entdeckergen.

Kontakt: Frank Stege, Tourismusverband Ruppiner Seenland e.V., Fischbänkenstraße 8, 16816 Neuruppin