Von der Marzahner Bockwindmühle

Bockwindmühle Marzahn

von Ursula A. Kolbe

Was an der Marzahner Bockwindmühle, das markante Wahrzeichen in Berlins größtem Neubaugebiet, trotz liebevoller Pflege von Müller Jürgen Wolf auf Dauer nicht gelang – die Bodenverhältnisse ließen ein gedeihliches Wachsen der jungen Rebensprösslinge einfach nicht zu – prägt um so mehr den Alltag im bekannten niederösterreichischen Weinviertel.
Typisch für diese einladende Region vor den Toren Wiens sind die Weingärten auf sanften Hügeln, die sich mit wogenden Kornfeldern abwechseln. Kulturdenkmäler und verträumte Kellergassen haben sich mir eingeprägt. Überhaupt sind hier Kultur, Genuss und Lebensfreude ein gutes Dreigespann. Schon für den Lyriker Friedrich Hebbel war der Wein die edelste Verkörperung des Naturgeistes. Die Ursprünge der heute rund 13.300 Hektar Rebfläche, zugleich größtes Anbaugebiet Österreichs, reichen bis in die Spätbronzezeit im 10. oder 9. Jahrhundert v. Chr. zurück, also weit vor den Römern, die ja oft als die Väter des Weinbaus nördlich der Alpen bezeichnet werden.

Der weite Blick von der Burg Kreuzenstein

Es war ein kluger Ratschlag, den Weinviertel-Besuch auf der Burg Kreuzenstein zu beginnen, wo das Auge über die Rebberge und weit auf Donau und vorgelagertes Korneuburger Becken schweift. Man wird gefangen genommen vom Flair der unverwechselbaren Landschaft mit seinem pannonischen Klima, in dem auf den besten Lössböden der Wein besonders gedeihen kann.
Die Burg Kreuzenstein präsentiert sich als ein Juwel für Mittelalterfans und Romantiker, ist ebenso eine beliebte Filmkulisse, wie z. B. für Hollywoods Disney-Film „Die drei Musketiere“.
Über eine Zugbrücke gelangten wir ganz majestätisch in diese perfekte Bilderbuch-Burg, deren Ursprünge ins 12. Jahrhundert reichen. Mehrfach zerstört und originalgetreu mit Materialien aus ganz Europa wiederaufgebaut.
War die Besichtigung der einzigartigen Sammlung aus der Welt des Mittelalters mit unserem Burgführer Ralf Lehnert schon eindrucksvoll an sich, blieben die passenden Redewendungen und deren Erklärungen dazu nachhaltig haften. Denn es sind Sätze, die uns allen im Alltag so geläufig sind, ohne überhaupt ihren Ursprung zu kennen.
Einige Kostproben: In der Küche: Es wird nie so heiß gegessen wie gekocht! (Auf den langen Wegen durch die Burg kühlte das Essen immer etwas aus, bevor es serviert wurde.) In der Rüstkammer: Jemanden im Stich lassen! (Half dem Ritter in der Schlacht niemand auf, konnte man ihn mit der Stichwaffe töten, weil er nicht rasch genug hoch kam, er war im Stich gelassen.)
Im Rittersaal: Die Tafel aufheben! (Da man keine eigenen Tische hatte, legte man bei Bedarf eine Türtafel auf ein Gestell. Nach dem Essen wurde die Tafel aufgehoben und die Tür wieder eingehängt.) Im Fürstenzimmer (Schlafzimmer): Auf den Hund gekommen! Das Geld wurde in einer Truhe aufbewahrt, in der am Boden ein schwarzer Hund aufgemalt war. War das Geld ausgegeben, sah man den Hund – man war eben auf den Hund gekommen. Waren die eisernen Reserven aus dem Fach darunter ebenfalls weg, dann war alles unter dem Hund.)
Dank an Rolf Lehnert für all diese Sprüche aus der Welt des Mittelalters. So spannend kann Geschichte vermittelbar sein. Mehr unter: www.kreuzenstein.com .

Expedition in die Welt vor 17 Millionen Jahren

Ganze 17 Millionen Jahre zurück versetzte uns die „Fossilienwelt Weinviertel“ in Stetten. Es war eine Expedition in eine faszinierende tropische Welt, in die Zeit der Entstehung des Weinviertler Austernriffs. Und zugleich ein Eintauchen in die Unterwasserwelt des verschwundenen tropischen Meeres und sein artenreiches Leben.
In der sehr weiträumigen Halle bewunderten wir das einmalige Naturphänomen, nämlich das weltgrößte, zum Denkmal erklärte fossile Austernriff. Rund um die 20.000 präparierten Riesenaustern präsentiert eine Multia-Media-Show die besonderen Ereignisse, die letztendlich zu dieser Weltsensation geführt haben.
Über 600 fossile Arten können bewundert werden. Der „Star“ bei allem ist die größte fossile Perle der Welt und zugleich ältester Muschelschatz – übrigens eine Leihgabe des Wiener Naturhistorischen Museums.
Neugierig besichtigten wir den einer Turmschnecke nachempfundenen Aussichtsturm, versuchten uns in den Schürffeldern, wo man Haifischzähne, Muscheln und Perlen finden kann. Dazu: www.fossilienwelt.at.

Mit dem Nostalgie-Express auf Tour

Noch überwältigt von all diesen Eindrücken brachte uns der NostalgieExpress „Leiser Berge“ auf ihrem Weg von Wien-Praterstern nach Ernstbrunn, ein Reisegefühl wie anno dazumal. Diese Fahrt im Zug, bekannt auch als „Weinviertler Semmering“, mit ihren beachtlichen Steigungen und romantischen Kurven, versetzte uns im Heurigenwaggon in ungewöhnlich ausgelassene Stimmung.
Was sicher nicht zuletzt an unserenBegleitern Frau Magister Ulrike Hager vom Regionalen Weinkomitee Weinviertel, und Johann Narrenhofer, Leiter der ÖBB-Erlebnisbahn, lag. Sie erzählten uns viel Interessantes in Sachen Wein und Bahn. Allen voran natürlich der GrüneVeltliner, der Sortenstar der Region. Er gedeiht auf über 8.500 ha.
Und um ihn geht es, wenn vom Weinviertel DAC die Rede ist. DAC heißt soviel wie „Districts Austriae Controllatus“, das gesetzliche Kürzel für gebietstypische Qualitätsweine. Zu erkennen an seiner hell-, bis grüngelben Farbe und seinem pfeffrig-würzigen Geschmack – das vielgerühmte „Pfefferl“ aus dem „Land der Weine“ eben, umringt im Norden von der Thaya und im Süden von der Donau, im Westen vom Manhartsberg und im Osten von den Marchauen.
Auch andere Sorten machten die Verkostungsrunde. So der Weißburgunder, Riesling und Traminer. Der Zweigelt und Blaue Portugiese. Dem Laien schwirren die Namen im Kopf. Auf jeden Fall heißt es allerorten zum gebietstypischen Geschmacksprofil: „Ich habe Pfeffer. Mein Wein auch!“

Nun mit Abitur und Matura

Richtig aufregend war es in der Michelstettner Schule, dem heutigen „Niederösterreichischen Schulmuseum“. Sofort fühlte ich mich in meine eigene Schulzeit versetzt. Manch Überraschung wartet hier auf Groß und Klein, beginnend mit konsequenter Einhaltung der Schulordnung. Schummelzettel und Klosprüche, Eselsbänke stahlen sich ins Gedächtnis und eigene Erinnerungen z. B. daran, wie es öfter auf meinem Zeugnis hieß: „Ursula stört mit ihrem Schwatzen den Unterricht.“ Damals durchaus ein kleines Vergehen.
Am Ende des Rundgangs quetschten wir uns jeder in eine uralte Schulbank, und dann hieß es: Prüfung für die „Michelstettner Matura“. Ergebnis: Nun habe ich das deutsche Abitur und zugleich auch die österreichische Matura. Ist doch toll, oder?
Selbstredend ließen wir anschließend den Abend mit der gründlichen „Auswertung“ im Poysdorfer über 200jährigen Weingut Rieder Veltliner Hof ausklingen.