„Ein Schmied, ein Schlag, ein Gulden“...
Bild: Hans-Jürgen Kolbe
von Hans-Jürgen Kolbe
… so hieß es einst in der Schmiedegemeinde Ybbsitz an der Eisenstraße in den niederösterreichischen Voralpen. Ich selbst hatte über viele Jahrzehnte eine direkte Beziehung zum Schmiedehandwerk – mein Schwiegervater war Schmied in einem Dorf im Hohen Fläming. Also planten wir auf dem Weg in unseren Urlaub nach Slowenien kurzerhand einen Zwischenstopp in Ybbsitz ein.
Von Josef Hofmarcher, bis 2018 Bürgermeister der 3.500-Seelen-Gemeinde und gegenwärtig Präsident des Vereins Schmiedezentrum Ybbsitz, erfuhren wir viel Interessantes über die jahrhundertelange Geschichte des Schmiedens. Das Schmiedewesen hat dem Ort wie kein anderes Handwerk den Stempel aufgedrückt. Durch die Nähe zum steirischen Erzberg, die natürliche Wasserkraft und den Waldreichtum boten sich gute Bedingungen für die Eisenverarbeitung. Die erste Schmiede ist bereits im 12. Jahrhundert nachgewiesen. Über die Jahrhunderte entstand eine bedeutende Kleineisenindustrie im Ort.
Der „Auftrag“ kam aus Magdeburg
Es ist urkundlich belegt, dass 1185 Erzbischof Wichmann von Magdeburg das Gebiet dem Stift Seitenstetten schenkte. Damit verbunden war der Auftrag der Urbarmachung. Ein erster wirtschaftlicher Aufschwung begann im 15. Jahrhundert mit der Ansiedlung zahlreicher Schmiede. Damit einher ging die Verleihung des Marktrechts durch Kaiser Friedrch III. im Jahre 1480.
Eingebettet in die einzigartige Landschaft der Niederösterreichischen Voralpen erfüllte Ybbsitz so über die Jahrhunderte seine Aufgabe als emsig tätiges Zentrum der Eisenverarbeitung. Entlang der Bäche pochten die Hammerwerke, bestimmten gewissermaßen den Pulsschlag des Lebens. Qualitätsprodukte wie Hacken, Schaufeln, Bohrer, Krautmesser, Löffel, Scheren, Beschläge aller Art, Sägeblätter, Säbel, Pfannen und Kuhglocken gingen in fast alle Länder Europas und brachten Ybbsitz Wohlstand und Ansehen. Um 1800 hatte das Schmiedewesen in Ybbsitz eine respektable Größe erreicht. Im Jahre 1808 weist die Marktchronik 63 Schmiedemeister aus, die in 20 Hammerwerken beschäftigt waren.
Aber ein halbes Jahrhundert später begann der Niedergang der Kleineisenindustrie. Auch Versuche der Einführung neuer Techniken brachten keine Rettung mehr.
Doch die Hammerherren, die früher in Anspielung auf ihr Handwerk und ihren beachtlichen Wohlstand als „Schwarze Grafen“ bezeichnet wurden, ließen ein Brauchtum und eine Tradition gedeihen, die bis heute eine Achse der Gesellschaft des Ortes geblieben ist. Um diese Entwicklung nachvollziehen zu können, führte uns Josef Hofmarcher in ein ganz besonderes Museum.
FeRRUM – welt des eisens
Im historischen, aus der Zeit der Renaissance stammenden Haus Kremayr am Ybbsitzer Marktplatz, entstand das FeRRUM – welt des eisens, ein komplett neu gestaltetes Erlebnis-Museum.
Das Haus ist mit seinen Umbauarbeiten in den Jahren 2005/2006 zu einer vielschichtigen Erlebniswelt für den an Geschichte, Kultur und Kunst interessierten Besucher umfunktioniert worden.
Unter einem Dach befindet sich ein nach modernsten Kriterien gestaltetes „Metall- und Erlebniszentrum“, das vorrangig auf die freizeit-touristischen Bedürfnisse ausgerichtet ist.
Seit dem Umbau des Hauses in das Metall- und Erlebniszentrum „FeRRUM – welt des eisens“ erwartet den Besucher dort eine virtuelle Reise durch die jahrhundertealte Geschichte des Eisens. Mittels moderner Technik wird deutlich, wie sehr Metall unser Leben maßgeblich verändert hat und uns ständig umgibt. In einer effektvollen und vielschichtigen Inszenierung sind hier Kunst, Tradition und Gegenwart der Metallverarbeitung aufbereitet.
*Schmieden wird im FeRRUM Ybbsitz lebendig. Interaktive Erlebnisinseln eröffnen einen barrierefreien Zugang zum Thema “Metalle und Metallverarbeitung”.
Faszination und Facettenreichtum der Eisenverarbeitung werden hier spürbar, sichtbar und nachvollziehbar.*
Das hier untergebrachte Tourismusbüro ist Drehscheibe für alle Angebote rund um das Schmieden und Ausflüge in die Region. Der shopFeRRUM, in dem sich Kunst- und Handwerksprodukte, Authentisches und Bodenständiges findet, rundet das Angebot ab.
Schmiedemeile – Erlebniswanderung in Ybbsitz
Ausgehend vom Erlebnismuseum FeRRUM führt die Tour immer dem Ambossklang nach: Hammer reiht sich an Hammer entlang der Schmiedemeile Ybbsitz. An acht beschilderten Meilensteinen gibt der Themenweg spannende Einblicke in die Arbeits- und Lebenswelt der Schmiedemeister. Auf der drei Kilometer langen Tour immer entlang des Prollingbachs taucht der Wanderer ein in den traditionsreichen Alltag der Schmiedezunft.
Eine Vorstellung vom historischen Alltag der Schmiede erhalten die Wanderer an folgenden acht Meilensteinen.
• FeRRUM – welt des eisens
• Schaumarkt
• Freizeit der Schmiede (Dr.-Meyer-Park)
• Sonneck Werk IV
• Fahrngruber Hammer (geöffnet Mai-Okt am Wochenende)
• Die Nutzung der Wasserkraft, Hammerwerk Eybl
• Die Schleifen in der Noth (Erlebnisbrücke)
• Einöd Hammer (Wehrsteg)
Die Wanderung entlang der Schmiedemeile beginnt im Zentrum von Ybbsitz und folgt dem Flussverlauf, die Gehzeit beträgt etwa drei Stunden.
Kinder können die Strecke an Hand einer Rätselrallye erkunden. Haben sie die verschiedenen Aufgaben gelöst, ergibt sich daraus das gesuchte Lösungswort. Unterlagen dazu sind kostenlos beim Tourismusbüro FeRRUM erhältlich.
Auf der Schmiedemeile mit den alten Hammerwerken finden regelmäßig Schauschmiedevorführungen und Schmiedekurse statt, die von vielen Familien, Ausflüglern und Gruppen rege besucht werden.
Und mitten in der Schmiedemeile kommen wir am Eyblhammer an.
Eybl Sepp– bei ihm glüht nicht nur das Eisen
Eybl:Metallkünstler und Schmied, so stellt er sich bei unserer Ankunft vor. Er ist Legende unter den „Schwarzen Grafen“ der Neuzeit in Ybbsitz.
1999 erwirbt Sepp Eybl ein 500 Jahre altes Hammerwerk und restauriert die Schmiede in mühevoller dreijähriger Arbeit mit Unterstützung des Bundesdenkmalamtes, der Kulturabteilung Niederösterreich und der Gemeinde Ybbsitz. Somit bleibt ein vom Verfall bedrohtes montanhistorisches Kleinod der Nachwelt erhalten. Sämtliche Schmiedemaschinen und Werkzeuge wurden wieder instand gesetzt und sind funktionstüchtig. Einzigartig sind zwei sogenannte „Schwanzhämmer“ – die ersten Schmiedemaschinen überhaupt, die sich der Mensch erdacht hat.
Kein lebloses Museum sollte entstehen, obwohl der erste Eindruck dies vermuten lässt. Ein Hauptziel ist die lebendige Auseinandersetzung zwischen alter Kulturform / Handwerk und neuer Kunst über das Material Eisen. Eine Suche nach immer neuen Formen in Metall! Das Hammerwerk Eybl ist gewissermaßen eine Symbiose, wo historisches Ambiente und Gegenwartskunst sowie der Dialog Hammerherr und Besucher harmonisch und authentisch aufeinander treffen.
Die Eisen glühen im Eyblhammer und das Herz des Meisters glüht für sein Handwerk! Der Eybl Sepp verführte uns zurück in die große Zeit der Hammerherren, als es noch hieß: „Ein Schmied, ein Schlag ein Gulden“.
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