Da steppt der (Wasch-)Bär im Pflaumenbaum!
Bild: Anguane / pixelio.de
von Hans-Jürgen Rudolf
Jahrmärkte und Zirkusse waren früher die Attraktion. Aus zahlreichen Erzählungen und noch älteren Überlieferungen wissen wir, dass man damals den Bären Kunststückchen beibrachte und sie zu Musik auf den Jahrmärkten tanzen ließ. Auf einem Jahrmarkt, auf dem ein Tanzbär auftrat, da war der „Bär los“!
Heute tanzt uns gewissermaßen der Waschbär „auf der Nase herum“. Und ein solches Erlebnis hatte ich nahezu wörtlich vor einigen Jahren auf unserem Grundstück im Berliner Umland nahe Altlandsberg: Ich sitze bei einbrechender Dämmerung bei einem Bier, als ich ein ungewohntes Geräusch wahrnehme. Wenig über mir saß ein Waschbär im Baum und schien mit neugierigen Blicken das Gelände zu erkunden. Als ich ihn mit einem langen Stock vertreiben wollte, klettere er eine Astgabelung weiter nach oben, um außerhalb meiner Reichweite zu sein, und lachte mich mit seinem schelmischen Gesicht aus. Er tanzte mir also förmlich auf der Nase herum!
Als ich im Jahr darauf aus dem Urlaub zurückkehrte, begrüßte mich mein Grundstücksnachbar mit den Worten: „Na, gut zurück? Deinen Pflaumenbaum brauchst Du nicht mehr abzuernten – dass haben in der Zwischenzeit die Waschären für Dich schon erledigt!“ Der Verlust war jedenfalls beachtlich.
Rasante Vermehrung
Und genau mit dieser kessen Art hat sich der Waschbär breit gemacht in Europa. Aus dem possierlichen Gesellen ist längst ein waschechter Schädling geworden. Waschbären, die der Größe nach zwischen Katze und Fuchs liegen, stammen aus Nordamerika und sind heute in der Region zwischen Panama und Kanada zu Hause. In Deutschland vermehren sich die Waschbären rasant und bedrohen zwischenzeitlich auch unsere biologische Vielfalt.
Im Jahre 1934 wurden nur zwei Waschbärenpaare am hessischen Edersee ausgesetzt. Sie sollten die heimische Jagdstrecke bereichern. Ein knappes Jahrzehnt später, nämlich 1945, sind Waschbären aus einer Pelztierfarm in Strausberg freigelassen worden, weil der Besitzer kein Futter mehr hatte. Unter deren Nachkommen vermute ich meine „Erntehelfer im Pflaumenbaum!“
Was die Bereicherung der jagdlichen Strecke angeht, so ist die Rechnung auf jeden Fall aufgegangen. Rund 171.000 Waschbären wurden im Jagdjahr 2017/2018 geschossen. Eine Zahl, die unterstreicht, dass sich der nordamerikanische Kleinbär hierzulande explosionsartig vermehrt. „Schätzungsweise 1,3 Millionen Exemplare leben mittlerweile in Deutschland“, so sagen die Forstleute. Vor allem haben sie sich in Sachsen-Anhalt und Brandenburg breit gemacht. Hier wurde die Art in 90 Prozent aller Jagdreviere gesichtet. Aber auch vor den Städten zeigen die neugierigen Tiere keinerlei Respekt. Und so sind sie auch zwischenzeitlich in Berlin vielerorts anzutreffen.
Der Waschbär wird in Berlin zur Plage – er hat sich ausnahmslos in der gesamten Stadt ausgebreitet. Neben Spandau, Reinickendorf, Treptow und Köpenick zählt Marzahn-Hellersdorf zu seinen „Lieblingsstandorten“.
Ich kann mir gut vorstellen, dass die Höhnower Weiherkette, die Gärten der Welt, der Kienberg, das Wuhletal, der Schloßpark Biesdorf und das „Getreideviertel“ zwischen Blumberger Damm und Oberfeldstraße eine besondere Anziehungskraft auf die Tiere haben.
Umwelt nimmt Schaden
2012 schätzte man rund 400 Waschbärenfamilien in Berlin. Im Jahr 2017 waren es schon 600 bis 800 Waschbärenfamilien – also mal schlapp 1.500 bis 2.000 Tiere.
Die Tiere sind Allesfresser mit einem „Speiseplan“, der unsere Umwelt Schaden nehmen lässt. Neben Vögeln, Fledermäusen und Amphibien haben sie es unterdes auch schon auf die letzten Exemplare der Europäischen Sumpfschildkröte im nördlichen Brandenburg abgesehen. Und: Im Nationalpark Unteres Odertal hat ihre Anwesenheit dazu geführt, dass ansässige Graureiher ihre Nistkolonie mit 120 Nestern verlassen haben.
Waschbären sind nachtaktive und räuberische Allesfresser, die sich überwiegend von kleinen Wirbeltieren, aber auch Wirbellosen, Echsen, Nagetieren, Vogeleiern und Pflanzen ernähren. Gerne halten sie sich in der Nähe von menschlichen Siedlungen auf und gehen in Mülltonnen und Grünanlagen auf Nahrungssuche. Viele Waschbären finden durch offene Türen oder Katzenklappen auch ihren Weg in Häuser, wo sie Dachböden als Schlaf- oder Wurfverstecke nutzen.
Waschbären werden also nicht nur in Deutschland, sondern mittlerweile in Mitteleuropa mehr und mehr zur Plage. In meinem Grundstück beobachte ich bereits seit Längerem den Rückgang von Rotkehlchen, Kleiber und Singdrossel. Meine Spekulation: Der kleine „Eierdieb“ ist daran nicht ganz unschuldig. Jetzt im März haben die Waschbären wieder Paarungszeit. Und wenn wir ihnen das Leben in unseren Gärten und auf Terrassen nicht erschweren, wird es in diesem Jahr wieder hunderte mehr von diesen Plagegeistern geben.
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