Von Bali nach Bangkok (Teil 3: Torajas)
Bild: Reys E. Tannthe
von Rays E. Tannthe
Auf eine gute Vorbereitung kommt es an. Von wegen ruhiger Seetag, beide Lektoren hatten allerhand zu berichten. Der putzige Herr Hoffmann mit den wilden Haaren ist wieder an Bord. Er wurde von der Reederei für seinen Unterhaltungswert engagiert und referierte über indonesische Geschichte, Land und Leute. Er kannte sich bestens aus. Über 300 Jahre herrschten die Holländer als Kolonialmacht über Indonesien. Wie das funktionierte in diesem Inselstaat verteilt auf rund 17.500 Inseln, blieb uns ein Rätsel. Erst 1945 wurde die indonesische Unabhängigkeitserklärung unterschrieben.
Eine junge Berliner Veterinärmedizinerin hielt einen begeisterten Vortrag über „die indonesische Tierwelt der Superlative“, denn nirgendwo gibt es mehr Spezies. Wie sie dazu kam, klärte sie gleich zu Anfang: Sie hatte in Deutschland keine Lust auf Kuhställe und machte ihre Reiseleidenschaft zum Beruf. Für angehende Tierärzte ergeben sich an dieser Stelle neue Perspektiven. Es ist tatsächlich nicht der schlechteste Arbeitsplatz.
Sie stellte uns außergewöhnliche indonesische Tierchen vor, z. B. den Kleinkantschil, als kleinsten Paarhufer, (soll es auch im Berliner Tierpark geben), Plumplori, Schlanklori (was es alles gibt…) und Koboldmaki mit riesigen Augen. Diese niedlichen und nachtaktiven Primaten besitzen im Verhältnis zum Körper die größten Augen aller Säugetiere und ihre Halswirbel sind extrem rotationsfähig. Koboldmakis können ihren Kopf in beide Richtungen um 180 Grad drehen.
Interessant ist, dass es eine Flora und Fauna Grenze zwischen Indonesien und Australien gibt. Beide Landesteile liegen quasi nebeneinander, trotzdem gibt es östlich dieser „Weber-Linie“ z.B. in Australien keine Primaten und ganz andere Vögel als auf indonesischer Seite. Sei denn, sie wurden von Menschen eingeschleppt. Genau: „Man kann alt werden wie eine Kuh und lernt immer noch dazu.“
Aus der Tierärztin sprudelten bemerkenswerte Fachbegriffe, wie „Inselverzwergung“. Es bedeutet, dass Säugetiere bspw. Elefanten oder Nashörner auf Inseln kleiner geraten als ihre Artgenossen im großen Kontinent Afrika. „Inselgigantismus“ wiederum betrifft Echsen, z.B. Komodowarane, die keine Fressfeinde haben. Zudem zeigte sie uns schräge Vögel.
Am nächsten Tag folgte der praktische Teil, eine 12-Stunden-Tour auf rd. 1300m Höhe ins Toraja Hochland auf der Insel Sulawesi. Punkt 7 Uhr begrüßte uns freundlich der Bürgermeister der Inselhauptstadt Pare-Pare. Viele Einheimische freuten sich wie verrückt und wollten zusammen mit uns Fotos machen. Wir Langnasen sind die Sensation des Tages.
Selbst eine Polizeieskorte begleitete unseren Bus und wies alle Fahrzeuge mit Blaulicht zur Seite. Was für ein Aufwand. In den engen Serpentinen des Hochgebirges war es jedoch ein Vorteil, um sicher langsame Mopeds oder Lkws überholen zu können. Abends wedelte die Polizei mit einem Star-Wars-Leuchtstab entgegen kommende Fahrzeuge zur Seite.
Boxenstopp gab es an den erotischen Bergen, Fotos davon sind selbsterklärend. Das Volk der Toraja (ehemals Kopfjäger) pflegt eine sehr spezielle Kultur. Sie bauen ornamentverzierte Häuser (Tongkonan) und Reisspeicher mit ungewöhnlicher Dachform, das an ein Schiff erinnert.
Ihr einzigartiger Ahnenkult ist nichts für schwache Nerven. Insofern war eine gründliche Vorbereitung recht sinnvoll. Verstorbene werden einbalsamiert und lange Zeit (manchmal mehrere Jahre, je nach Status) im Haus aufgebahrt. Er wird wie ein schlafendes Familienmitglied behandelt bis die mehrtägige Begräbniszeremonie stattfindet.
Neben blutigen Hahnenkämpfen und Schweineschlachtung wird ausgewachsenen Wasserbüffeln feierlich die Kehle durchgeschnitten. Torajas glauben, dass ihre Verstorbenen heilige Büffel brauchen, um die Reise ins Jenseits anzutreten.
Auf Balkonen vor künstlich angelegten Felsengräbern standen geschnitzte lebensgroße Holzfiguren, die den Verstorbenen ähnlich sahen.
Diese Tau Tau Figuren überblicken das Dorf und beschützen es. Gut, dass wir nicht im August da waren, in dem das Ritual Ma’Nene praktiziert wird. Tote Verwandte werden aus den Gräbern geholt (exhumiert), um gewaschen, gepflegt und neu eingekleidet zu werden. Die Mumien werden durch das Dorf geführt und Familienfotos mit Mumie gemacht.
Das geht so lange gut, bis nur noch die Knochen übrig sind. Schädel und Knochen liegen anschließend offen auf Familien-Sammelgrabstellen. Sehr speziell, jedoch in der Gesamtheit der Kultur äußerst interessant.
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