Mit Fahrtziel Natur im Land der Steinböcke: Willkommen, Allegra, Benvenuti!

Steinböcke am Piz Beverin

von Ursula A. Kolbe

In eine Region touristischer Perlen zu reisen, sich zu erholen, neue Eindrücke und Impressionen zu sammeln, darum ging es auch dieses Mal bei der Fahrt in die Südostschweiz, in den Kanton Graubünden und hier konkret in die Bündner Pärke, das zum Netzwerk Schweizer Pärke gehört.

Und dieses ist seit dem vergangenen Jahr auch Mitglied der Kooperation Fahrtziel Natur, getragen von den drei großen deutschen Umweltverbänden BUND, NABU und VCD sowie der Deutschen Bahn. Ich erinnere mich noch an die Worte von Tina Müller, der Bereichsleiterin Tourismus des Netzwerkes Schweizer Pärke, als sie im vergangenen Jahr anlässlich des 15. Jubiläums von Fahrtziel Natur in Potsdam diesbezüglich den rund 200 Gästen das Netzwerk vorgestellt hat.

Darin engagieren sich der Verkehrsclub der Schweiz, der Bündner Vogelschutz, die Rhätische Bahn und Postauto Graubünden. Mit dem gemeinsamen Ziel, sich für nachhaltigen Naturtourismus und umweltfreundliche Mobilität in sensiblen Naturräumen einzusetzen. Als ein Markenzeichen hatte Tina Müller dabei die ÖV-Erreichbarkeit hervorgehoben.

Was wir selbst erleben konnten. Drohten Anschlüsse in Gefahr zu kommen, gab es offensichtlich beste Verständigung vom Zugschaffner zum Anschluss-Fahrer des Postautos. Bei mehrmaligem Umsteigen auch in einen entlegenen Ort erprobt. Dieser hieß am Ankunftstag das 1.500 m hoch gelegene Dorf Wergenstein und unser Ziel: Das Hotel Capricorns, ein historisches Chalet aus den 1930er Jahren, Restaurant mit Bergblick, Sauna, auch Sitz des Center da Capricorns, ein Innovationszentrum für den ländlichen Alpenraum.

Informationen über die Schamser Natur und Kultur gibt es hier, ebenso ständig neue Angebote im naturnahen Tourismus mit regionalen Partnern. Der Steinbock gilt als Symbol der Region, ist Teil des Wappens. Apropos PostAuto. Darüber erfuhren wir mehr von Kurt Willi, dem Leiter des Vertriebs von PostAuto Graubünden und Koordinator bei Fahrtziel Natur in der Region.

Die 1906 gegründete PostAuto Schweiz AG ist der größte Anbieter im regionalen öffentlichen Straßenverkehr im Land. In der Region Graubünden gibt es 15 PostAuto-Unternehmen auf 112 Linien und 304 PostAutos, die 1.243 Haltestellen sowie 30 Verkaufsstellen anfahren. Ebenso Schülerbeförderung und diverse weitere Angebote.

Ein wichtiger Aspekt ist auch die Erschließung der Pärke mit den Öffentlichen sowie Zubringer auf AlpenTaxi und BusAlpin für die letzte Meile. Mit dem GraubündenPass gibt’s freie Fahrt mit Bahn und Bus im gesamten Kanton wie auch Kombi-Billette beispielsweise für Ski & Snowboard oder den Same-Day Gepäcktransport für Mehrtagestouren bei Wander- und Bike-Angeboten.

Der Schweizerische Nationalpark, Parc Ela, Naturpark Beverin, die Biosphera Val Müstair und das UNESCO-Welterbe Tektonikarena Sardona sind die ersten Fahrtziel Natur-Gebiete in der Schweiz. Um den sanften Tourismus zu fördern, werden attraktive Reiseangebote und Touren entwickelt, beispielsweise Wildtierbeobachtungen mit Rhätischer Bahn und PostAuto oder die Rail Away Kombi „Genuss mit Panorama im Parc Ela“ mit 20 Prozent Rabatt.(www.sbb.ch/genuss-mit-panorama).

Beim Angebot „einfach für retour“ für ausgewählte Wildbeobachtungstouren löst man ein einfaches Ticket für den öffentlichen Verkehr und lässt es vor Ort beim Veranstalter abstempeln. Damit ist das Rückfahrt-Billet gratis. Das Angebot gilt ab einem Halteort in Graubünden für Fahrten mit der Rhätischen Bahn und PostAuto www.graubuendenparcs.ch.

Derzeit entfallen in der Schweiz noch rund zwei Drittel des Freizeitverkehrs auf den privaten Pkw –obwohl alle Urlaubsziele gut mit Bus und Bahn erreichbar sind. Mit ihrem Engagement bei Fahrtziel Natur wollen die Schweizer Träger ihren Beitrag zur Verkehrsverlagerung leisten, um die C02-Emissionen zu reduzieren, im Sinne des Klimaschutzes und des langfristigen Erhalts der Fahrtziel Natur-Gebiete. Ich bin optimistisch, dass das Projekt Graubünden auf die ganze Schweiz ausstrahlen wird.

Übrigens: Seit Dezember ist Graubünden auch an das ICE-Netz der Deutschen Bahn angeschlossen. Bis zu dreimal täglich lassen sich die einzigartigen Naturlandschaften einfach und bequem mit diesem bequemen Zug ab Deutschland erreichen (www.bahn.de/schweiz).

Wo die Capricorns in freier Wildbahn leben

Ein paar Worte zum Naturpark Beverin, dem der mächtige Berg Piz Beverin (2.998 m ü. M.) seinen Namen gab, geprägt von vier Tälern, zwei Kulturen und Park rund um den Piz Beverin. Seit über 60 Jahren ist der Steinbock, der Capricorn, wie er auf räteromanisch heißt, hier wieder der König in den Bergen und wacht über die wilde, einzigartige Landschaft.

Dem ganzen Kanton Graubünden gibt er sein Gepräge und ist auch Teil des Wappens. In der vorletzten Jahrhundertwende war er ausgerottet worden.
Natürlich wollten wir selbst auch das Wild, die Hirsche, Gämse und mit viel Glück vielleicht sogar den Steinbock in Natura erleben. Der Wildbeobachtungsbus sollte uns für diese Tour zur Alp Curtginatsch bringen, ein Angebot des Naturparks mit dem Hotel Capricorns.

Aber anhaltende Regenfälle und Nebel „zwangen“ uns notgedrungen, auf die „Exkursion in Bildern“ in die Steinbock-Ausstellung im Hotel auszuweichen. Ich glaube, Wildhüter Markus Egle hätte uns auch viel lieber sein Wissen, seine unmittelbaren Erlebnisse mit und über die heimischen Tiere und Momentan-Sichten draußen vor Ort näher gebracht.

Die Via Capricorn führt durch das eidgenössische Jagdbanngebiet, wo die Steinböcke in freier Wildbahn leben, und die Steinbock-Kolonie Safien-Rheinwald mit rund 350 Tieren ist rund um den Piz Beverin besiedelt. Übrigens verkörpert kaum ein anderes Tier die Anpassungsfähigkeit an den steilen, felsigen und unwirtlichen Lebensraum im Hochgebirge, denn der Alpensteinbock hat sein Hauptverbreitungsgebiet in steilem Felsgelände in 2.000 bis 3.000 m ü. M.

Überhaupt steht mehr als die Hälfte des Parkgebiets Beverin unter Landschaftsschutz, erzählt uns Geschäftsführer Remo Kellenberger. Zahlreiche Lebensräume wie Trockenwiesen und –weiden, Moore, Auen, Amphibienlaichgebiete, Heckenlandschaften und besondere Waldgesellschaften sind auf eidgenössischer oder kantonaler Ebene geschützt.

Aber auch Trockenmauern und Lesesteinhaufen sind wichtige landschaftsprägende Elemente, da sie Lebensraum für zahlreiche seltene Lebewesen bieten. Um den hohen Wert der artenreichen, extensiven Bergmähwiesen zu erhalten, ist deren Nutzung nötig und wichtig.

Weiter machte er uns auf interessante Anziehungspunkte aufmerksam, von denen wir einige natürlich besucht haben, so die Viamala-Schlucht mit ihren 321 Treppenstufen in ihre Tiefen; die Ruinaulta, die Rheinschlucht mit besonderen Felsformationen und einem vielseitigen Wanderwegenetz oder die Rofflaschlucht, den Solarskilift und die Kirche St. Martin in Zillis.

Ein Kunstwerk aus der Epoche der Hochromantik…

…fesselte unsere Blicke in eben dieser Kirche. Anno 831 erstmals urkundlich erwähnt, bestätigen Ausgrabungen und Funde, dass hier schon zur Römerzeit eine Siedlung existierte und eine erste Kirche um das Jahr 500 erbaut wurde.
Im Gemeindeamt und Sitz der Ausstellung führte uns Gemeindepräsidentin Regula Götte in das Kunstwerk aus der Epoche der Hochromantik – die Kirchendecke – ein, das als eines der ganz seltenen Werke dieser Art und ohne Übermalung erhalten geblieben ist.

In der Kirche dann war ich tief beeindruckt von diesem Meisterwerk, das um 1109 bis 1114 gemalt wurde und aus 153 quadratischen Bildtafeln (9 Reihen à 17 Tafeln) von ca. 90 cm Seitenlänge besteht. Experten haben es für uns Laien festgeschrieben: Die meisten sind aus Tannholz und wurden zuerst mit einer dünnen Schicht Gips grundiert, dann aufrecht bemalt und erst dann in die Decke eingesetzt.

Der grafische Stil der Bilder weist darauf hin, dass der heute unbekannte Künstler die Buchmalerei sehr gut beherrscht haben muss. Mit meinen Worten verkürzt gesagt, werden z. B. Meeresungeheuer (Fabelwesen) als Sinnbild des Bösen, Engel als Personifikation der vier Winde und Verkünder des Jüngsten Gerichts, Themen aus dem Leben Christi, eine Bilderreihe aus dem Leben des Heiligen Martin dargestellt.

Um dieses einzigartige Dokument auch für die nächsten Jahrzehnte zu sichern, werden aller drei Jahre Konservierungsarbeiten durchgeführt. Jährlich kommen rund 200.000 Besucher nach Zillis und erweisen auch mit ihrem Besuch in der Kirche St. Martin der romanischen Holztafeldecke ihre Bewunderung für diese einzigartige Kunst.

Im Anschluss brauchten wir nur wenige Minuten zu unserem nächsten Ziel im Ort, der knurrende Magen zog uns förmlich dahin, in das Gasthaus Alte Post. Inhaberin und Köchin Andreetta Schwarz ist nämlich weit bekannt für ihre hausgemachten Capuns, eine typische Bündner Spezialität. Davon gäbe es so viele Rezepte wie Schwiegermütter, heißt es.

Diese Capuns, eine Art Spätzleteig in Mangoldblätter eingewickelt und gekocht, gehören zum Hauptgang des Naturparks Beverin-Menüs. Andreetta bietet dies in zwei Variationen an: Capuns Alte Post – Mangoldwickel mit Speckwürfel, Butter und Käse überbacken oder Vegi-Capuns – Mangoldwickel mit Gemüse, Butter und Käse überbacken, natürlich alles hausgemacht und mit Zutaten aus der Region.

Als Vorspeise gab`s Blattgemüse mit Ei, und als Nachspeise wurde das köstliche via Spluga Dessert (Apfelschnitzel mit Holunderblütensirup, Vanilleglace und Rahm) serviert. Wortlaut Andreetta: „Essen soll ein Erlebnis sein.“ Quasi als Krönung des anregenden Mittags-Menüs gab dann noch Stefan Triebs, Mitarbeiter in der Kommunikation und verantwortlich für Fahrtziel Natur im Schweizerischen Nationalpark, auf humoristische Weise Ein- und Ausblicke vom 1914 gegründeten Pionier unter den Alpennationalparks.

Den „Wanderführer durch den Schweizerischen Nationalpark“ habe ich gern durchaus als einen Wink mit nach Berlin genommen, als Anregung, in die schöne schweizerische Natur wieder zu kommen. So rundum gestärkt verließen wir das gastliche Haus und auf in die Viamala-Schlucht. Doch darüber in einem weiteren Beitrag mehr.