Waldviertel –Heimat des Handwerks

Zirbenwald

von Ursula A. Kolbe

Das Waldviertel im nordöstlichen Teil von Niederösterreich hat seine eigene reizvolle Natur, schwärmen nicht nur die Einheimischen von kristallklaren Seen, dem Genießen der wohltuenden frischen Luft, Vorbeiwandern an bizarren Felsformationen und Entdecken sagenumwobener Felsblöcke.

Nein, es ist auch die Heimat von altem Handwerk mit über jahrhundertealten Traditionen, das leider heute in unserer immer mehr technologieorientierten Welt zunehmend verdrängt wird.
Traditionsreiches Handwerk – wir schauten einigen Meistern ihres Fachs in dieser Region über die Schulter:

Die „Glasschleiferdynastie der Weber’s“ in Hirschenwies

Seit über 300 Jahren schon betreibt die Familie Weber das Glaskunsthandwerk. Auch Erwin Weber, Jahrgang 1966, Nachkomme in siebter Generation, hat den Beruf des Glasgraveurs erlernt und vor 15 Jahren die Firma vom Vater übernommen. Mit seinen zehn Mitarbeitern hält er hier im Waldviertel eines der ältesten und letzten Gewerke seiner Art in Österreich in Ehren.

Eine Tradition, die hier im Wald-, wie auch im Mühlviertel auf einer 3.500 Jahre alten Rezeptur zur Glaserzeugung beruht, um solche Kunstwerke ihrer Art herstellen zu können: Man nehme 60 Teile Sand, 180 Teile Asche, fünf Teile Salpeter, drei Teile Kreide und mache sich an die Arbeit.

Und dazu braucht man auch Wald. Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass bis ins 19. Jahrhundert die Glas-Manufakturen ihr Domizil in einfachen Hütten in Waldnähe hatten. Alle 50 bis 60 Jahre wurden sie aufgelassen, und die Glasbläser zogen neuen Waldbeständen entgegen. Sie brauchten sie zum Befeuern ihrer Schmelzöfen und zur Gewinnung der nötigen Asche, bis schließlich neue Methoden feste Standorte erlaubten.

Und Granit war ein wichtiger Rohstoff. Der, quasi vor der Haustür gelegen, sich als eine aus dem Intrusivgestein Granit bestehende Insel vom Wald- bis ins Mühlviertel nach Tschechien in Südböhmen zieht.
Heute zeigt sich das Waldviertel als eine wellige Rumpffläche des zur böhmischen Masse gehörenden Grundgebirges mit Granitblöcken an vielen Stellen, einige auch sogenannte Wackelsteine genannt. – Geologiekunde pur.

Die Webers selbst sind seit 1900 an ihrem Standort in Hirschenwies, zum Moorbad Harbach gehörend. Mit heute weiteren Filialen in Weitra und Zettl. Gerade in der jetzt bevorstehenden Weihnachtszeit ist Hochbetrieb in der Werkstatt und natürlich vor allem in den Verkaufsläden.

Im Kristallstudio in Hirschenwies offerieren den Besuchern auf 500 Quadratmetern moderner Verkaufsfläche eine Vielfalt der selbsthergestellten Produkte. Wo man dann die berühmte Qual der Wahl hat. Neben klassischen und traditionellen Stücken wie das immer wieder begehrte Kristallglas finden die Interessenten auch moderne und designorientierte Glasobjekte.

Ebenso eine breite Auswahl an Edelsteinschmuck, wie z. B. aus echtem roten Granit. Man könnte schwach werden. Besonders ansprechend sind sicher individuelle und Fotogravuren sowie Geschenkartikel für jeden Anlass, Trophäen und Sportpokale.

Zur Angebotspalette gehören weiter Ketten, gemischt mit Amethyst- und Jadesteinen. Labradorgranit und Bergkristallperlen lassen die Herzen der Schmuckfreunde höher schlagen.
Das Erlebniskristallstudio Weber ist aber, wie der Name verspricht, mehr: Mit Gaststätte und Pension, die in zehn Zimmern gemütlichen Aufenthalt bieten. Als Mitgliedsbetrieb von „Xundgesundheitswelt“ stehen gesunde, regionale Gerichte und Wohlbefinden obenan. Getreu dem Motto: XunderGenuss und Erholung pur.

Das konnten wir übrigens auch im nur wenige Hundert Meter entfernten Gasthof Nordwald genießen, der zu den renommiertesten Betrieben im Kurort Moorbach Harbach gehört. Mit seiner familiären Atmosphäre, den vielfältigen Fitness- und Wellness-Einrichtungen, großzügigen Genießerzimmern und seiner typischen Waldviertler Kulinarik rund um die „Nordwald-Forelle“ – wir hatten von unserem Balkon den direkten Ausblick auf den Teich – ist ein wahrlich idealer Ort zur Einkehr und Rundumkur von Leib und Seele.

Nur ein Tipp: Direkt beim Haus verbessert der einzigartige Xundwärts-Parcours mit seinen 33 Übungsstationen auf spielerische Weise Beweglichkeit und Kondition. Ja, dieser Ort ist ein Beispiel des breiten Angebots zum Thema Gesundheit, ein Trend der Gesundheitsvorsorge im Waldviertel – ist eben ausgewiesene „Xundheitswelt“ und „Xundwärts“, Gesundheitssiegel, wenn man so will.

Mit handgeschöpftem Hadern-Büttenpapier im Gepäck

Schon der Begriff Hadern-Büttenpapier ließ mich neugierig werden, neugierig auf eine jahrhundertealte Tradition in einer der letzten Papiermühlen dieser Art in Europa. Also auf zu Siegfried Mörzingers Mühle, geradezu idyllisch an der Lainsitz, einem Nebenfluss der Moldau, gelegen, mitten im Wald am Rande von Bad Großpertholz.

Bereits seit 1789 wird hier echtes handgeschöpftes Büttenpapier produziert – damals wie heute aus reiner Baumwolle und absolut holzfrei. Die Qualitätsgaranten dafür sind die geringen Wellungen und Unregelmäßigkeiten im Papier, sagt Chef Mörzinger und erklärt gleich noch den Begriff Hadern. Das sind echte Leinen- oder Baumwollfetzen, Lumpen u. ä., die als Rohstoff in manchen Zeiten schon zur Mangelware wurden. Über Jahrhunderte prägten ja auch die Hadern- und Lumpensammler das Alltagsbild.

Bei Mörzinger ist die Papiermühle nicht nur Produktionsstätte, sondern „lebendes“ Museum zugleich. Gern gibt der Chef sein Wissen über die Papierherstellung vor Ort weiter, ob vor Schulklassen, Touristen, auch Tagesseminare finden hier statt.

Die rund eine Stunde dauernden Führungen machen anschaulich den Herstellungsprozess deutlich, wo wir genau zusehen konnten, wie die Hadern zerkleinert, mit Wasser versetzt, dann im „Holländer“ gemahlen werden. Konkret heißt das: 28 kg Hadern werden mit 1.000 Litern Wasser vermengt und ca. 40 Stunden im „Holländer“ gemahlen.

Nach dem Gautschen und Pressen wird dann das Papier zum Lufttrocknen aufgehängt und danach der daraus entstehende Papierstoff mit Wasser verdünnt und diversen Sieben geschöpft. Schließlich mit dem Erfolgserlebnis für den Besucher, selbst einmal schöpfen und pressen zu dürfen, um das eigene Stück handgeschöpften Bütten-Papier mit nach Hause nehmen zu können.

Und wenn man dann anschließend auf Wunsch die von Ehefrau und Köchin Margarethe servierte leichte Erfrischung oder Köstliches von der Jausenkarte sich schmecken lasst, bei schönem Wetter auch im Freien, dann muss ja die Sonne scheinen …

Um das Ganze abzurunden: Neben solchen Produkten wie Briefpapier in Holzkassetten stellt Siegfried Mörzinger auch Aquarellpapier in verschiedenen Formaten, Blumenbilder und –billets her. Getreu dem alten Papiermacherspruch aus dem Jahre 1689:

„Ich sammel Hadern zu der Mühl
denn treibt mirs Rad das Wasser kühl,
das mir die z’schnitten Hadern mählt,
der Zeug in Wasser einquellt.
Draus mach ich Bogn, auf den Filz bring,
durch die Press’ das Wasser daraus zwing.
Denn henk ich auf, laß trucken wern,
Schneeweiß und glatt, so hat mans gern.“

Warum „Waldtraud“ jetzt mein „Schlaf-Engel“ ist

Weil man mit Zirbenholz besser schläft, wäre die lakonische Antwort seines ideenreichen Tüftlers Roman Lechner, der Dipl.-Ing. für Holztechnik und Design im Waldviertler Gföhl. Er verweist dabei auf jüngste Umfragen in seinem Land, nach der schon jeder dritte Österreicher an Schlafstörungen leiden soll.

Und dagegen, so meint er, hilft auch das Zirbenholz. Deren ätherischen Öle reduzieren die Arbeit des Herzens um 3.500 Schläge pro Nacht, was der Leistung einer ganzen Stunde entspricht. Also mehr Ruhe für Körper und Geist, schlussfolgert der Chef der Vollholztischlerei Lechner. Und nun gehe ich auch mit seiner Gabe, der von ihm so getauften Zirbenholz-Schlafrolle „Waldtraud“ und ihren ätherischen Düften, ins Bett.

Überhaupt ist das Motto des kreativen Holzspezialisten, ausschließlich Massivholz und natürliche Materialien zu verarbeiten. Giftige Spanplatten, Dekore oder MDF-Platten schaffen es nicht über die Werkstattschwelle. Bei der Veredlung und für die Oberflächen finden nur Naturharzöle und Bienenwachs von Auro Naturfarben Verwendung.

Und mit Nachdruck: „Wir sind dabei nicht nur ein bisschen, sondern ganz und gar ‚bio’, und das seit 30 Jahren und in zweiter Generation.“
Der Traditionsbetrieb ist auf die Herstellung hochwertiger Vollholzmöbel spezialisiert, immer im Blick, das Wohlbefinden und die Lebensqualität der Kunden durch ökologisch wertvolle Möbel, Räume und Häuser zu steigern. Die neueste Entwicklung: sein Wohnhaus, in erweiterbaren Modulen errichtet.

Mit einem Lüftungssystem ohne Motoren. Getreu dem Credo: Der Natur abgeschaut wie z. B. bei einem Termitenbau.
Überhaupt spielt das Zirbenholz bei allem ein große Rolle. Nach der letzten Eiszeit vor ca. 12.000 Jahren kam die frostharte Zirbe aus Sibirien in den Alpenraum und wird seither gern genutzt. Dank nachhaltiger Forstwirtschaft wächst von diesem wertvollen Nutz- und Schutzbaum wieder mehr nach, als verbraucht wird.

Bei Lechner wird das jetzt stark nachgefragte Zirbenholz seit Jahrzehnten in freiluftgetrockneter Form für hochwertige Zirbenholzbetten und Zirbenholzzimmer eingesetzt. Ebenso viele andere wunderbare einheimische Hölzer zu individuellen Möbeln in höchster Qualität verarbeitet. In der hiesigen Landeskultur ist die Zirbe als Bau- und Möbelholz tief verwurzelt.