Gartenzeit – schöne Zeit

Mehrere Erdbeeren

von Waltraud Käß

Mit den ersten Strahlen der Sonne im Februar/März wird eine besondere Spezies Mensch unruhig und kribbelig. Es sind die Datschenbesitzer und Kleingärtner, die es kaum erwarten können, in ihrem, aus der Winterruhe erwachenden Garten oder Grundstück, nötige oder unnötige Arbeiten zu tätigen.

Man freut sich über die ersten Frühlingsblüher, Scilla, Krokusse, Hyazinthen, Tulpen sind dann reichlich im Angebot, sofern sie im Herbst als Zwiebeln auch reichlich gesteckt wurden. Ohne Schweiß kein Preis. Denn der Garten ist nicht nur ein Garten der Lust und Entspannung, sondern auch ein Garten der Arbeit – was sich Gäste und Besucher mitunter gar nicht vorstellen können.

Und deshalb ist jeder Gartenbesitzer auch so stolz auf seinen Garten, denn viele Stunden seiner Zeit hat er investiert, und seiner ist sowieso der schönste, und so freut er sich über anerkennende Blicke und Worte der Vorübergehenden. Aber er ist auch voller Sünde, doch das würde ein Gartenbesitzer niemals zugeben.

Eva Demski hat sich in wunderbarer Weise in ihrem Buch „Gartengeschichten“ mit den Leiden und Freuden eines Gartenbesitzers beschäftigt und festgestellt, dass Gartenbesitzer auch große Sünder sind – dass sie den „sieben Todsünden“ frönen. Diese Seite eines „Gärtners“ ist wenig oder nicht bekannt, so dass ich hier, leicht gekürzt, die Geschichte der sieben Todsünden aus dem Buch von Eva Demski unseren Lesern wiedergeben möchte:

„Es ist gängige Lehrmeinung, philosophisch und theologisch abgesichert, dass ein Garten aus Menschen bessere Menschen macht. Doch reizt es, in die andere Richtung zu schauen. Könnte es nicht sein, dass der Weg zur Hölle rechts und links von schönen Gärten gesäumt ist? Für das Mittelalter waren Hochmut, Neid, Zorn, Wollust, Geiz, Völlerei und Faulheit die schlimmsten Sünden. Und heute? Gedeihen sie auch in unseren Gärten, die sieben Todsünden?

Den Hochmut dort zu finden, ist nicht schwer. Ob Kleingartenkolonie oder Privatpark, er gedeiht üppig. Als einziges Gewächs auf Erden ist er in der Lage, sich selbst zu düngen. Ob Kohlrabibeet oder Staudenanlage – bei den Inhaberinnen sehen wir den gleichen Gesichtsausdruck: Jetzt bist du platt.

Das kriegst du nie im Leben hin, sagen die Augen. Ach, da ist doch gar nichts dabei, sagt der Mund. Der Gärtnerinnenhochmut ist eine klassenlose Sünde. Ob die Bäuerin Müller oder die Gräfin von Müller ihre Gewächse der Bäuerin Schulze oder der Gräfin von Schulze zeigt – kein Unterschied. Kohlrabi oder Agapanthus – das eine kann man essen, das andere nicht.

In beiden Fällen wird mit falscher Bescheidenheit in der Stimme die Dicke der Knolle, die Delikatheit der Farbe, die Üppigkeit des Grüns gepriesen. In beiden Fällen werden die Damen auf die Widrigkeiten des Standortes und des Wetters hinweisen und darauf warten, dass die Unterlegene endlich ihre Unfähigkeit zugibt, der Erde und dem Himmel perfekte Kohlrabi oder Agapanthusse abzuringen.

Damit spiegelt sich der Hochmut in der zweiten Todsünde – dem Neid. In den Gartengesprächen erhebt die Sünde des Neids ihr gelbes Haupt. Habt ihr das Staudenbeet um den Brunnen gesehen? Ein Desaster. Schau es dir an: Armselig! Als hätte sie zu den Malven gesagt: Achtung! Stillgestanden. Und am Eingang hat sie tatsächlich die Ligusterpyramiden mit Begonien umpflanzt. Begonien! Wie auf einem Dorffriedhof!

Manchmal werden die Gärten für Publikum geöffnet. Unvorstellbar, wie man sich fühlt, wenn einem dann nach einem volkreichen Wochenende mit besenften Bratwurstpappen, Coladosen und Diebstahlslücken in den Bepflanzungen der Garten wieder gehört. Aber spätestens beim Zählen der Tageseinnahmen entfaltet der Neid der Anderen seine therapeutische Wirkung.

Der Zorn als Todsünde ist im Garten alltäglich. Den Wünschen steht die Machbarkeit entgegen. Kugelrunde, scharfeckige, hasenförmige oder sonst wie gestaltete Buchsbäume wollen wir – aber wir finden nie die perfekte Schere. Aber um sie geht es in Wahrheit gar nicht. Das macht uns zornig.

Es geht nämlich um ein ausgestorbenes Gewächs namens Geduld, nach dem wir uns sehnen. Wir sehen die Gärtnerscharen der Vergangenheit, wie sie ganze Kontinente von Zwiebeln legte, geruhsam und nachdenklich Läuse abstreiften und kranke Rosenblätter abknipsten. Wir sind allein und es ist nicht zu schaffen.

Die nächste Todsünde ist ein bisschen heikel. Wollust. Vielleicht ist Gartenwollust das kurze und wunderbare Gefühl: Etwas Besseres kann es nicht geben. Dieser Moment, dieses Zusammenspiel aus Duft und Sonne, aus Wohlempfinden und dem Geschmack von Basilikum und selbst erschaffenen Tomaten: Der Gipfel. Der ist wahlweise auch erreichbar durch Erdbeerkuchen mit Rosenduft, neuem Wein unter einem Holunderbaum bei milder Sonne.

Bisher hatten alle angeführten Todsünden ihre verzeihlichen Seiten. Bei der nächsten, dem Geiz, wird sich nichts dergleichen finden lassen. Geizige Leute haben gern viereckige Gärten mit etwas in der Mitte und etwas drum herum. Früher war die Mitte oft ein riesiges Pampasgras, heute bieten sich Betonungetüme aller Stilarten an.

Das Drumherum ist Hecke, nicht zu hoch, damit man sehen kann, wer kommt und was sich auf der Straße tut und wer ein neues Auto oder Übernachtungsbesuch hat. Einen Geizgarten, mag er knickrig oder angeberisch sein, erkennt man sofort, nicht nur an seiner Öde, sondern auch an seiner furchtbaren Stille. Ein glücklicher Garten schmatzt und raschelt, knackst, murmelt und piepst immer, jeder hat seine eigene Melodie.

Da ist die Völlerei eine weit angenehmere Todsünde. Wer der Gartenvöllerei frönt, hortet in Kellern und Schuppen Maschinen, Sämereien, Gefäße und Knollen, für die er weder Platz noch Einsatzmöglichkeiten hat. Ein Gegenmodell zum Geiz ist die Völlerei allerdings nicht. Etwas Sinnloses, Süchtiges haftet ihr an.

Beispiel: Der Wagen im Markt ist mit fünf Rittersporn schon völlig überladen. Und Platz zum Pflanzen ist auch keiner da. Viel zu große Sträucher, viel zu viele Samentütchen, viel zu viele Gräser, Polster und sonstiges stehen im Sündenregister der Völlerei.

Die letzte Todsünde ist die Faulheit. Eigentlich ist sie, richtig ausgeübt, eine Station auf dem Weg zur Seligkeit. Der ziellos schweifende Blick des in einer Hängematte untergebrachten Gartenliebhabers senkt sich schmetterlingsleicht auf dieses oder jenes Gewächs hernieder. Manchmal verharrt er und gleich Träumen erscheinen Bilder, wie es zum Beispiel wäre, vor die strenge Dunkelheit des Taxus die Helligkeit von Herbstanemonen oder Nieswurz zu setzen.

Während der faulenzende Gärtner an wachsweiße oder rosenholzfarbene Blüten denkt, fällt der Krimi aus den Händen und der Gartenschlaf kommt. Ein völlig anderer ist das als der im Bett. Im Schlaf werden wir mit unserem Garten eins, hängen da wie eine zu groß geratene Raupenpuppe, ein Teil des Ganzen. Schön!

Gärten sind, wir haben es gesehen, imstande, sogar aus den sieben Todsünden der alten Zeit Gutes zu treiben. Bis auf eine kann man sie alle ohne Sorge wachsen lassen.

Wenn Hochmut ins Kraut schießt, zähmt ihn der Neid. Wollust besänftigt den Zorn, die schöne Sünde Faulheit lässt die Völlerei vergessen. Nur der Geiz – er ist wahrhaftig des Teufels, er muss ausgerissen und verbrannt werden, man darf ihn nicht bloß auf den Kompost werfen, da treibt er nämlich aus oder er vergiftet, was gut und brauchbar ist. Eigentlich ist er die einzige der Todsünden, die eine bleibt. Im Garten und überall sonst.“

Aus „Gartengeschichten“ von Eva Demski