Getreu holländischer Lebensart rauf auf die "Fiets"!

buehne Fahrräder an einer Gracht (Kanal) in Amsterdam

_von Ursula A. Kolbe_

Herrlicher Sonnenschein und passender Ort – die Dachterrasse der niederländischen Botschaft am Rolandufer der Spree erwies sich Anfang Juli als ideal für das Kamingespräch des Tourismus – Dialog – Berlin mit dem Hausherrn, seine Exzellenz Marnix Krop, Botschafter des Königreichs der Niederlande.

Im Mittelpunkt des Dialogs standen Trends, Tendenzen, neue Entwicklungen im Tourismus zwischen beiden Staaten.

Ein paar Fakten: Über drei Millionen Deutsche besuchten 2012 das familien- und gastfreundliche Nachbarland. Tendenz steigend.

Für dieses Jahr erwartet das Niederländische Büro für Tourismus und Convention (NBTC) um die 3,1 Millionen Besucher. Ihr beliebtestes Reiseziel ist und bleibt die holländische Nordseeküste.

Im Gegenzug kamen 3,5 Millionen Holländer nach Deutschland. Sie sind übrigens unter Berlins ausländischen Touristen die zweitgrößte Nationalität und unter den ausländischen Direktinvestoren mit über 400 niederländischen Unternehmen mit fast vier Milliarden Euro sogar die größte Gruppe. Über 4.000 Niederländer sind in Berlin ansässig geworden.

Aber ein Thema stand unbestritten im Mittelpunkt des Abends: Das Radwandern. Und wer es nicht schon vorher wusste, erlebte den Diplomaten Krop auch als passionierten Radfahrer und Botschafter eines Fahrradlandes.

Getreu dem Motto seiner Heimat: Ob zur Arbeit oder zum Strand – ohne „Fiets“, wie die Holländer ihre Drahtesel nennen, geht nichts. 18 Millionen Räder für 16,5 Millionen Einwohner sprechen wohl für sich. Ebenso über 45.000 km Radwege und knapp 20.000 km ausgeschilderte Routen. Ebenso laden 20 herrliche Naturparks ein.

Eine tausend Kilometer lange Ode an die Kartoffel

Die beschilderten Radwege führen vorzugsweise durch idyllische Landschaften, vorbei an Sehenswürdigkeiten, zu historischen Dörfern und Städten. Das ganze Land ist durch das Fernrouten – Streckennetz, die „Landelijke Fietsroutes“, erschlossen.

Außerdem kann man entlang der regionalen Knotenpunktnetze radeln, die beinahe im ganzen Land miteinander verknüpft sind. Das ebene Land erschließt sich als ein Paradies für Radfahrer. Mehr rund um das Thema „Fiets“ , wie z. B. über die alljährlichen Aktionen im „Radmonat Mai“ unter www.holland.com/radfahren Externer Link.

In dem Zusammenhang das Stichwort Helmtragen, weil das ja in Deutschland immer wieder mal heiß diskutiert wird: In den Niederlanden gibt es keine Helmpflicht.
Niederländische Lebensart heißt ja dortzulande in erster Linie entspanntes Radfahren. Nicht, wie Botschafter Krop mit Blick auf die Deutschen schmunzelnd anmerkte, die das ja oft mit Anstrengung, auch mit Kräftemessen verwechseln würden.

Folgerichtig brachte er zum Thema Radfahren die einzigartige Radroute „Pieperpad“ ins Gespräch. Eine tausend Kilometer lange Ode an die Kartoffel nennt man sie. Der Weg schlängelt sich von der Provinz Friesland bis nach Zeeuws-Flandern, nahe der belgischen Grenze.

Typisch für dieses Poldergebiet sind Deiche mit hohen Bäumen, plätschernden Bächen, unendlichen Landwegen mit alten Weiden, eine abwechslungsreiche Dünenlandschaft und mehrere Naturschutzareale.

Und nicht zu vergessen dabei die ökologisch bewirtschafteten Bauernhöfe entlang der gesamten Route. Sie laden herzlich mit ihren leckeren Produkten zum Verkosten ein, zum Entspannen und einfach die Natur genießen.

Wer länger bleiben und den Bauern über die Schultern gucken will, kann auch selbst mithelfen, bei der Ernte zum Beispiel.

Interessant auch, dass drei Bauern entlang des Pieperpads mit dem Louis Bolk Institut bei der Entwicklung neuer Sorten kooperieren. So können sich die „Gäste auf Zeit“ auch über die neuen wohlschmeckenden Kartoffel-Sorten wie Feast of Laura, Marabel oder Bionek, die Sante oder die Raja informieren, sich auf den neuesten Stand bringen lassen.

Und gewiss kommt das Gespräch auch auf den Ursprung der Kartoffel. Erinnern wir uns: Die ersten Spuren fand man vor etwa 13.000 Jahren in Südamerika. Nach Europa kam die Kartoffel wegen ihrer schönen Blüte und des üppigen Krautes als reine Zierpflanze. Als seltene Pflanze fand sie zuerst ihren Platz in botanischen Gärten.

In die Niederlande brachte die Kartoffel erst im 16. Jahrhundert der flämische Botaniker Carolus Clusius in seinem Gepäck mit. Um das 19. Jahrhundert wurde sie mit den schnell wachsenden Großstädten und besonders ausbreitenden Hungersnöten ein wichtiges Nahrungsmittel vor allem für die ärmeren Menschen.

Ein Sinnbild dafür das Gemälde z. B. des niederländischen Malers Vincent van Gogh „Die Kartoffelesser“. Wie übrigens in Preußen die Legenden über die „Kartoffelbefehle“ von Friedrich dem Großen in seinem 300. Jubiläumsjahr 2012 vor allem in den Kartoffelregionen Brandenburgs wieder voll erwachten.

Die Kartoffel wird weltweit als Grundnahrungsmittel nur von Reis übertroffen. Und was den Pro-Kopf-Verbrauch dieser schmackhaften Knollen betrifft: In den Niederlanden werden rund 90 kg pro Jahr verspeist; die Deutschen kommen auf etwa 57 kg.

Zurück zum „Pieperpad“. Er geht auf eine gemeinsame Initiative von Greenpeace und Bionext, die niederländische Organisation für nachhaltige, ökologische Landwirtschaft und Lebensmittel, zurück, war an diesem Abend zu erfahren. Beide haben sich der Erhaltung der biologischen Vielfalt verschrieben und wollen ehrliche Lebensmittel produzieren und anbieten.

Möglichst viele Menschen sollen dafür ein Bewusstsein entwickeln, überhaupt die biologische Kultivierung der einheimischen Flora und Fauna in den Blickpunkt rücken.
Dem dient auch die neueste Bionext-Kampagne „Biologisch, köstlich natürlich“ (Biologisch, Lekker Natuurlijk) in enger Kooperation mit der Industrie (Erzeuger, Handel, Marken, Läden, Gastronomie) mit Informationen, Aktivitäten und attraktiven Angeboten in den Ladengängen.

Auf dem Hollandrad zurück in die Heimat

Dieser Dialog des Abends – sinnbildlich über den Dächern von Berlin – war quasi ein Abschiedsgeschenk des holländischen Botschafters auch an Berliner Journalisten.
Der 64jährige Diplomat ist inzwischen in den verdienten Ruhestand gegangen und hat sein Amt an die Amsterdamerin Monique van Daalen, zuvor stellvertretende Generalsekretärin des niederländischen Außenministeriums und Generaldirektorin für konsularische Angelegenheiten und Betriebsführung, übergeben.

Seine Heimfahrt im August war durchaus nicht alltäglich. Gemeinsam mit seiner Frau Hedi radelte der Botschafter a. D., aber weiterhin Botschafter des Fahrradlandes, nämlich auf seinem geliebten Hollandrad über 1.000 Kilometer quer durch Deutschland zurück in die Heimat.

Mit rund 70 Kilometern pro Tag, natürlich je nach Wetterlage, wollten beide dann in etwa zwei Wochen ihr Ziel erreicht haben. Persönlich, so sagte er in der Runde, kenne er übrigens den „Pieperpad“ auch noch nicht. Aber das werde er bald nachholen.

Vor mir liegt die Broschüre „Lekker fietsen – 1.000 km Piepers, fietsen, aardappelen én logeren“ – mit ausführlichen Wegbeschreibungen, Pensions-Tipps, praktischen Infos überhaupt. Aber bisher leider nur in niederländisch. Doch eine Übersetzung ist in Arbeit, wie ich aktuell hörte.

Dieser Wegweiser ist sicher nicht nur für Radfans ein Gewinn. Er kann bestellt werden unter www.pieperpad.nl Externer Link.

Am Rande noch kurz vermerkt: Die Bezeichnung „pieper“ ist bei den Holländern ein Spitzname für die Kartoffel. Korrekt heißt sie natürlich „aardappel“ (Plural:aardappelen).