Wiedergeburt der Ausgestorbenen - Wie ikonische Tierarten nach Deutschland zurückkehren
Bild: Hansruedi Weyrich
von Jens Voss
Echte Wildnis gibt es schon lange nicht mehr in Deutschland. Und doch sind einige urtümliche und bereits ausgerottete Tierarten wieder auf dem Vormarsch. Europas größtes Landsäugetier: Der Wisent war einst auch in Deutschland weit verbreitet.
Alle reden vom Artensterben. Und es stimmt: Über 7.000 Tierarten sind in Deutschland gefährdet oder sogar vom Artensterben bedroht – allein ein Dritte aller Säugetiere. Aber es gibt auch Lichtblicke, kleine Erfolgsstorys des Artenschutzes. Oft sind es imposante Tierikonen wie Adler, Robbe oder Wolf, die einst bis zur Auslöschung verfolgt wurden und jetzt ein Comeback feiern. Das kommt meist nicht von ungefähr.
Mit auffälligen, attraktiven und vor allem beliebten Arten lassen sich viele Menschen leichter für Naturschutzprojekte begeistern. Vom Schutz solcher Flaggschiffarten profitieren dann auch viele andere Tiere, die im gleichen Ökosystem leben, aber womöglich keine so starke Lobby haben.
Eine nicht-repräsentative Auswahl von zehn Tierarten, die in Deutschland wieder gute Chancen haben.
Bartgeier
Vor 140 Jahren wurde der Bartgeier in Deutschland ausgerottet. Als „Lämmergeier“ oder „Knochenbrecher“ gefürchtet, hatte der Volksmund dem größten europäischen Greifvogel angedichtet, Vieh und Kinder davonzutragen und zu töten. Dabei gefährdet er als Aasfresser weder Mensch noch Tier. Doch es gibt Hoffnung: Im Nationalpark Berchtesgaden wurden 2021 die ersten Jungtiere ausgewildert. Dass mit „Wally“ und „Bavaria“ heute wieder Bartgeier über den deutschen Alpen kreisen, ist das Verdienst eines großangelegten europäischen Zuchtprojekts. Inzwischen gibt es wieder rund 220 Bartgeier in den Alpen – die meisten in Frankreich, Österreich und der Schweiz.
Biber
Noch vor wenigen Jahren grenzte es fast an ein Wunder, einen Biber hierzulande in freier Wildbahn zu beobachten. Auch in weiten Teilen Europas war er so gut wie ausgerottet. Schätzungsweise 100 Millionen Tiere hatten einst die Flusslandschaften vom Süden Frankreichs bis zur Mongolei bevölkert. Doch nicht nur sein dichtes Fell wurde dem Biber zum Verhängnis. Sein Fleisch galt als Delikatesse und durfte im Mittelalter auch während der Fastenzeit gegessen werden. Die Kirche zählte den Biber zu den Fischen. Jetzt kann man Europas größtes Nagetier sogar mitten in Berlin entdecken. Etwa 40.000 Biber leben wieder in Deutschland.
Elch
In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bevölkerte die größte Hirschart der Welt noch Teile des heutigen Ostdeutschlands – bis sie in den Wirren des Zweiten Weltkriegs aus unseren Wäldern verschwand. Seit einigen Jahren aber zieht es immer wieder Elche aus Osteuropa nach Deutschland. Als Hauptgrund für die steigende Population gilt ein seit 2001 wirksames Jagdverbot in Polen. Noch ist unklar, ob der Elch wieder dauerhaft bei uns heimisch wird. Die Tiere meiden menschliche Siedlungen und brauchen große, wasserreiche Naturräume.
Kegelrobbe
Jahrhundertelang wurde Deutschlands größtes Raubtier erbittert verfolgt. Seit 1920 galt die Ostsee-Kegelrobbe, eine eigenständige Unterart, hierzulande als ausgestorben. Fischern war sie als Nahrungskonkurrent ein Dorn im Auge. Doch allmählich erobert sich der bis zu 2,5 Meter große und über 200 Kilo schwere Koloss sein Terrain in der deutschen Ostsee zurück – strenger Schutzmaßnahmen sei Dank. Mit einem Fund am Kap Arkona auf Rügen wurde 2018 die erste Kegelrobbengeburt an der deutschen Ostseeküste seit mehr als 100 Jahren nachgewiesen.
Luchs
Auch Europas größte Raubkatze wurde jahrhundertelang systematisch ausgerottet. Heute streifen wieder 125 bis 135 erwachsene Luchse und 59 Jungtiere durch unsere Wälder – 2019 waren es erst etwa 85 erwachsene Tiere. Tatsächlich eignen sich aber nur wenige Regionen zur Wiederansiedlung. Es gibt kaum große Waldflächen in Deutschland, die nicht von Straßen oder Siedlungen durchschnitten werden. Viele Jungtiere können so keine eigenen Reviere finden. Außerdem sterben immer wieder Luchse im Straßenverkehr.
Seeadler
Wie viele andere Greifvögel auch wurde der Seeadler bis ins 20. Jahrhundert intensiv bejagt. In Westeuropa war die charakteristische Art schon vor 100 Jahren nahezu vollständig ausgerottet. In den 1950er kam es zu weiteren rapiden Bestandsverlusten: Das Insektizid DDT hatte sich in der Nahrungskette angereichert. Beim Seeadler und anderen Greifvögeln führte das zu dünnen Eierschalen, die während der Brut zerbrachen. Mit dem DDT-Verbot ab Anfang der 1970er Jahre erholten sich die Bestände. So stieg die Zahl der Brutpaare in Deutschland von 185 im Jahr 1990 auf 700 im Jahr 2018. Vor allem in Mecklenburg-Vorpommern kam man die riesigen Fischjäger wieder über ausgedehnten Wasserflächen gleiten sehen.
Waldrapp
Noch bis ins 17. Jahrhundert war der etwa gänsegroße Ibis-Vogel ein häufiger Anblick in Mitteleuropa. Dann wurde der Waldrapp ausgerottet. Die Menschen jagten und verspeisten ihn. In freier Wildbahn kommt der Waldrapp heute nur noch in Marokko vor. In Deutschland gilt es mehrere Wiederansiedlungsprojekte. Das Problem: Der Waldrapp ist ein Zugvogel, der seine Flugroute von seinen Eltern erlernt. Im Rahmen der Auswilderungsprojekte werden die Vögel aber von Menschen großgezogen. Die Lösung ist aufwendig: Menschliche Zieheltern begleiten die Jungvögel im Leichtflugzeug auf dem Flug ins Winterquartier in die Toskana. Ob die Aktion erfolgreich war, erfahren sie erst drei Sommer später. So lange dauert es, bis die Vögel geschlechtsreif sind. Dann kommen sie hoffentlich zurück an den Ort ihrer Kindheit, um selbst dort zu brüten.
Wildkatze
Obwohl sie sich hauptsächlich von Mäusen ernährt, wurde die Wildkatze lange Zeit konsequent bejagt und in vielen Teilen Deutschlands ausgerottet. Heute stellt der zunehmend schrumpfende Lebensraum die größte Bedrohung dar. Wildkatzen besiedeln vor allem die Ränder großer zusammenhängender Wälder, die oft durch Verkehrsnetze und Nutzflächen zerschnitten werden. Seit einigen Jahren erobern sich die überaus scheuen Waldbewohner langsam Teile ihres ursprünglichen Verbreitungsgebiets zurück. Schätzungsweise 7.000 Wildkatzen leben heute in den deutschen Wäldern.
Wisent
Im Mittelalter war Europas größtes Landsäugetier in weiten Teilen Europas verbreitet – und eine beliebte Jagdtrophäe. Der letzte freilebende Wisent wurde 1927 im Kaukasus geschossen. Alle heute lebenden Exemplare stammen von zwölf Tieren aus Zoos und Tiergehegen ab. Die größte freilebende Population grast im Urwald von Bialowieza in Polen. Mitte der 1950er Jahre wurden dort die ersten Wisente wieder in die Wildbahn entlassen. Inzwischen sind es etwa 450 Tiere. Auch in deutschen Wäldern gibt es wieder Wisente. Im Rothaargebirge wurde 2013 eine kleine Herde ausgewildert. Aktuell leben dort 26 Tiere. Doch ihre Zukunft ist ungewiss: Waldbesitzern sind die gefräßigen Pflanzenfresser ein Dorn im Auge.
Wolf
Rund 150 Jahre lang war der Wolf in Deutschland ausgestorben – bis im Frühjahr 2000 im Nordosten von Sachsen erstmals wieder wildlebende Wolfswelpen das Licht der Welt erblickten. Aktuell wächst die Zahl an nachgewiesenen Wolfsterritorien jährlich um ein knappes Drittel. Derzeit sind 128 Rudel, 35 Paare und 10 Einzeltiere in Deutschland bekannt. Doch das Wachstum wird sich nicht ungebremst fortsetzen: Immerhin beansprucht ein Wolfsrudel eine, was 35.000 Fußballfeldern entspricht. Irgendwann werden die potenziellen Habitate besetzt sein, prognostizieren Forschende.
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