Das Comeback der Biber: Wie Europas größtes Nagetier unsere Gewässer zurückerobert
Bild: Siegfried Klaus
von Jens Voss
Sie erschaffen wertvolle Biotope und helfen sogar beim Klimaschutz: Die Gestaltungskraft der Biber ist verblüffend – aber nicht überall gern gesehen.
Noch vor wenigen Jahren grenzte es fast an ein Wunder, einen Biber in freier Wildbahn zu beobachten. Jetzt kann man Europas größtes Nagetier sogar auf Google Maps entdecken. Zumindest eines seiner kunstvoll errichteten Bauwerke: Am Rande der Landstraße L552 in Baden-Württemberg hat eine Biberfamilie ein neues Gewässer erschaffen. In wochenlanger Fleißarbeit stauten die Nager den kleinen Hilsbach zu einem rund 3.000 Quadratmeter großen See auf. Der „Bibersee“ von Eppingen sorgt inzwischen bundesweit für Schlagzeilen. Und er steht beispielhaft für eine tierische Erfolgsgeschichte: die Rückkehr der Biber.
Ursprünglich war der Europäische Biber (Castor fiber) in weiten Teilen Eurasiens heimisch. Schätzungsweise 100 Millionen Tiere bevölkerten einst die Flusslandschaften vom Süden Frankreichs bis zur Mongolei. Doch schon im Mittelalter verschwand der gut ein Meter lange und 30 Kilogramm schwere Pflanzenfresser aus vielen europäischen Ländern. Nicht nur sein dichtes Fell wurde ihm zum Verhängnis, erklärt der Naturschutzbund Drutschland (Nabu). Sein Fleisch galt als Delikatesse und durfte sogar während der Fastenzeit gegessen werden: Die Kirche zählte den Biber wegen seines beschuppten Schwanzes und seiner amphibischen Lebensweise zu den Fischen. Ebenso heiß begehrt war sein moschusartiges Drüsensekret, dass unter anderem als Heilmittel galt.
Biber – Geheimwaffe im Kampf gegen Klimaschäden
Weitere empfindliche Einschnitte brachte die einsetzende Industrialisierung. Sie zerstörte wertvolle Lebensräume: Gewässerverschmutzung sowie Begradigung und Ausbau der Flüsse drängten den Wasserbewohner immer weiter zurück, unterstreicht das Bundesamt für Naturschutz. Für seine einzigartigen Fähigkeiten, Gewässer durch selbst gebaute Dämme aufzustauen und damit mitunterganze Landschaften zu verändern , wurde der Biber erbittert verfolgt. Schon im 19. Jahrhundert war er fast komplett in Europa ausgerottet. In Deutschland überlebte nur eine kleine Enklave von weniger als 200 Tieren an der Mittelelbe im heutigen Sachsen-Anhalt.
Wieder 40.000 Biber in Deutschland
Die Elbebiber brachten die Wende: Seit den 1970er-Jahren wurden gezielt Exemplare aus Sachsen-Anhalt zum Populationsaufbau in andere Regionen umgesiedelt. Dank strenger Schutz- und Renaturierungsmaßnahmen erobert sich der Biber seitdem viele Lebensräume in Deutschland zurück. Mittlerweile verbreiten sich die Tiere meist natürlich durch die Wanderschaft der Jungtiere. Nach Angaben des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) leben hierzulande aktuell wieder rund 40.000 Biber.
Wichtigstes Biberland ist Bayern mit etwa 22.000 Tieren in 6.000 Revieren. In Baden-Württemberg beläuft sich der Bestand auf circa 3.500 Biber, in Sachsen-Anhalt sind es etwa 3.300. Auch im einwohnerreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen (vor allem in der Nordeifel) lässt sich der Biber wieder vermehrt sichten. Und sogar in Berliner Gewässern tummeln sich schätzungsweise mehr als 100 Exemplare.
Besonders wohl fühlen sich die Tiere an wilden Flussläufen mit ruhigen Seitenarmen und viel umliegendem Gehölz – Naturregionen, die heute kaum noch zu finden sind. Doch Biber passen sich an. Wenn das neue Domizil nicht ihren Wünschen entspricht, bauen die Tiere es sich mit ihren starken Zähnen und kräftigen Greifkrallen nach ihren Vorstellungen. Wie keine zweite heimische Tierart gestalten sie ihre Umwelt durch Bäumefällen, Dammbau und den damit geschaffenen Gewässeraufstau.
Biber als Ökobaumeister: Viel effektiver als der Mensch
So entstehen überaus vielfältige Biotope. „Vom Biber angelegte Feuchtgebiete sind wesentlich artenreicher und kostengünstiger als jedes vom Menschen angelegte Biotop“, unterstreicht der bayerische BUND-Landesvorsitzende Richard Mergner. Als höchst effektive Landschaftsmanager gelten die Tiere überdies als Geheimwaffe im Kampf gegen Klimaschäden. Mit ihren Bauarbeiten optimieren sie beispielsweise den Wasserhaushalt von Flüssen, schaffen Barrieren gegen Waldbrände und verringern die Erosion.
Wie Biber den Wald verändern
Das Dilemma: Gerade die unübertroffene Gestaltungskraft der Biber führt bis heute immer wieder zu Konflikten mit dem Menschen. Biber halten sich nicht an Grundstücksgrenzen und Nutzungsrechte. Es schert sie nicht, ob sie gerade Nutzbäume fällen. Es ist ihnen egal, wenn ihre Dämme einen Entwässerungsgraben stauen oder einen flussnahen Zuckerrübenacker überfluten. Zumal ihnen die süßen Früchte ausgesprochen gut schmecken. Mit einem aktiven Biber-Management und eigens geschulten Biberbeauftragten wollen die Behörden einen Ausgleich zwischen Mensch und der streng geschützten Art schaffen.
Auch am Bibersee in Eppingen sorgt die Rückkehr der Baumeister für Diskussionsstoff. Die emsigen Nager hatten unter anderem ein angrenzendes Rübenfeld geflutet. Ziel sei nun der Erhalt des neuen „Biber-Reservats“ sowie der Schutz einer Mühle, der Landesstraße und der umgebenden landwirtschaftlichen Flächen, teilte die Stadt mit. Die Naturschutzbehörden sollen dazu einen Plan erarbeiten. Alles in allem überwiegt aber die Begeisterung: „Man sieht, die Natur kommt zurück, das ist auch gut so“, stellt Baubürgermeister Peter Thalmann fest. „Im Grund genommen kann man nur Bewunderung für den Biber empfinden.“
SeniorenServiceBüro
Sozialkommission
- Tel.: (030) 90293 4371
- Fax: (030) 90293 4355
- E-Mail SeniorenServiceBuero@ba-mh.berlin.de
Sonder-Sozialkommission
Redaktion Spätlese
Leiter: N.N.