Musikalische Gartenstunde
Bild: Kurt F.Domnik/pixelio.de
von Barbara Sawal
Gitta sitzt mit ihrer Gitarre im Garten. Die Sonne blinzelt durch kleine, weiße Wolkenschäfchen hindurch. Wie unabsichtlich streicht sie über die Saiten und schon verbinden sich die gefälligen Töne zu einer Melodie.
Da antwortet ihr ein freundiges Türilü, tütü, Türila. Darauf hat Gitta gewartet. Sie hat festgestellt, dass die Gitarrentöne die heimische Vogelwelt in ihrem Garten zum musikalischen Wettstreit anregt. So auch heute.
Ein schwarzes Amselmännchen sitzt in der knorrigen Kiefer unweit der Stufen vor der Haustür, auf denen Gitta sitzt. Es kam aus der nahen Hecke angeflogen und ist der erste gefiederte Sänger. Tirilü, tirilü trällert es munter von oben herunter.
Die Sangeskunst des kleinen, schwarzen Vogels findet nicht nur Gitta bemerkenswert, auch Kompositeure waren schon immer von ihr begeistert. Mühelos scheint er eine Terz und selbst eine große Oktave zu pfeifen oder zu singen.
Gitta sitzt gern im Grünen, in ihrer kleinen grünen Hölle, wie sie ihren Garten gern nennt und lauscht. Sie spielt viel lieber im Freien, wo es nach Flieder und gemähtem Gras duftet, und wo sie sich so frei wie ein Vogel fühlt. Vorbeigehende Leute auf der Straße können sie zwar hören, aber nicht sehen. Und das verleiht ihrem Spiel etwas Leichtes.
Bei den Vögeln in den Nachbargärten scheint es sich fix herum “gepiepst” zu haben, dass ein Platzkonzert im Vorgarten stattfindet und ein neuer Solist sein Können zeigt. Da muss man einfach mitmachen. Schon sitzt ein weiterer gefiederter Sangesbruder in einer schlanken Thuja, die fast das Haus überragt und stimmt keck und laut in den Gesang ein.
Bald ist ein meisterliches Konzert im Gange. Alle singen um die Wette. Am schönsten klingt für Gitta ein Amselsolo am frühen Morgen oder am stillen Abend. Da singt das Amselmännchen entspannt, braucht keine Konkurrenz zu fürchten.
Vielleicht singen Amseln auch, um sich zu bedanken, dass sie die Vogelbadestellen im Garten benutzen dürfen. Mit Sicherheit aber singen sie, weil einfach jeder der beste Sänger sein möchte, und keine Gelegenheit auslassen will, um die gefiederte Damenwelt mit anspruchsvollem Gesang zu beeindrucken.
Wahrscheinlich ist auch, dass sie Gitta mit ihren Gitarrenklängen als Konkurrenz empfinden, da heißt es ben Mitsingen und Dazulernen. Tirili, tirila…Gittas Hände gleiten mühelos über die Saiten. Es macht nichts, wenn sie sich mal verspielt.
Die meisten der kleinen, hübschen Stücke spielt Gitta immer wieder im Garten. Ihr Gitarrenlehrer hat sie alle komponiert und Gitta kennt sie inzwischen auswendig. So kann sie ausdrucksvoller musizieren und braucht nicht den Notenblättern nachzulaufen, mit denen der Wind so oft seine Spielchen treibt.
Als Gitta aufhört zu spielen, verstummt augenblicklich der Vogelgesang. Im Garten ist es still. Vielleicht sind die Solisten in ihre Nester geflogen, um auszuruhen. Zu ihren grauen Amselweibchen, die alle Schnäbel voll zu tun haben, sich von ihnen bewundern zu lassen.
Am Abend sieht Gitta bei ARTE zufällig eine Dokumentation über das Verhalten der Vögel in der Großstadt. Ein Ornithologe erzählt, dass der zunehmende Lärm und die grellen Reklamen für die Vögel ein zunehmendes Problem darstellen, und sie deswegen häufig erst nachts singen können, wenn Ruhe eingekehrt ist.
Sie muss sehr lachen, als sie sieht, wie ein Amselmännchen, auf einem Straßenbaum sitzend, permanent Handytöne nachsingt. Um Haaresbreite hätte Gitta auf den grünen Knopf ihres Handys gedrückt… Diese Klingeltöne kennt sie doch. Was für Nachahmungskünstler!
Gitta hofft auf schönes Gartenwetter am nächsten Tag, damit sie wieder auf den Stufen vor der Haustür Gitarre spielen kann. Bei ihr auf dem Land scheinen die gefiederten Sänger noch ein Faible für echte klassische Stücke zu haben. Das wird Christian, ihr Berliner Gitarrenlehrer, der zum Kaffeeklatsch kommt, hoffentlich hören können.
Wenn die Amseln musikalisch wieder so gut drauf sind, wird er vielleicht einer seiner Kompositionen wiederkennen können. Streng genommen dürften die Amseln die Stücke garnicht singen wegen des Copyrigths. Aber er wird ganz gewiss ein Auge zu drücken und die GEMA nicht informieren.
Übrigens: Vielleicht hören Sie diese, ganz sicher aber andere Kurzgeschichten, in einer Lesung des Literarischen Frauenstammtisches Berlin-Marzahn am 9. Juli 2014. Näheres erfahren Sie dazu unter der Kategorie Literatur und Buchtipps.
SeniorenServiceBüro
Sozialkommission
- Tel.: (030) 90293 4371
- Fax: (030) 90293 4355
- E-Mail SeniorenServiceBuero@ba-mh.berlin.de
Sonder-Sozialkommission
Redaktion Spätlese
Leiter: N.N.