Rendezvous mit „Kehlchen“
Bild: Frank Derer, NABU
von Hans-Jürgen Kolbe
Irgendwie ist es wie bei „Hase und Igel“! Immer wenn ich in unseren Garten komme ist es schon da: das Rotkehlchen. Es scheint regelrecht auf mich zu warten. Und so dauert es auch nicht lange und ich fange an, mit dem niedlichen Piepmatz Gespräche zu führen. Er wiegt das Köpfchen hin und her, sodass man denken könnte, er versteht was ich sage.
Rotkehlchen waren bereits bei den Naturvölkern als Überbringer und Symbol für die Sonne sehr beliebt. In vielen Sagen und Legenden taucht das Rotkehlchen als Zeichen für “Reinheit” und das “Gute” auf. Das Rotkehlchen ist nicht nur der “Vogel des Jahres 2021“ , er ist vermutlich Deutschlands beliebtester Singvogel. Es ist berühmt für seine in Europa einmalige Unerschrockenheit. Bis auf einen Meter gesellt es sich auch völlig fremden Menschen zu. Der Grund: Es hält Ausschau nach großen Tieren, weil diese für gewöhnlich einige Insekten aufwirbeln, die dann vertilgt werden können.
Wer im eigenen Garten das Beet umgräbt, der hat schnell ein Rotkehlchen an seiner Seite. Es sucht in der aufgeworfenen Erde nach Würmern, Schnecken, Spinnen und Insekten. Das geht auch mir so. Beim Umgraben kommt mir „Kehlchen“ erstaunlich nah, um in der gewendeten Erde nach Fressbarem zu suchen. Wenn ich Laub harke und damit die Schubkarre belade sitzt der kleine Kerl auf dem Karrenrand und bald ist er in der Karre auf Futtersuche.
Außerhalb von Gärten folgt es auch größeren Säugern wie Wildschweinen, um auch hier Nahrung aus der aufgeworfenen Erde zu picken. Im Spätsommer und Herbst fressen Rotkehlchen auch Beeren und andere weiche Früchte. Mit seiner orangefarbenen Brust ist der zutrauliche Vogel leicht zu erkennen. Der Gesang ist eine Abfolge hoher Töne, die in einer „perlenden“ Strophe enden. Anders als bei vielen anderen Singvogelarten können bei den Rotkehlchen auch die Weibchen singen.
Ihr Gesang soll dem der Männchen ähneln. Ich weiß aber nicht, ob mein „Kehlchen“ Männchen oder Weibchen ist. Ornithologen stellen fest, dass die Geschlechter nicht zu unterscheiden sind, aber das Alter: Jungen Rotkehlchen fehlt die orange Färbung, ihre Brust ist braun geschuppt. Das Rotkehlchen fühlt sich in Wäldern, Parks und Gärten zu Hause. Auch offene Landschaften wie Felder bewohnen die Rotkehlchen, solange es Sträucher zum Brüten gibt.
Jetzt weiß ich auch warum sich „Kehlchen“ in unserem Garten so wohl fühlt. Hier herrscht eine gepflegte Unordnung – die Natur bestimmt den Lauf der Dinge. Letztens habe ich gelesen, dass die Rotkehlchen in Deutschland sogenannte Teilzieher sind. Einige Vögel bleiben das gesamte Jahr über in unseren Breiten, andere ziehen kurze Strecken in wärmere Gefilde. Ob „Kehlchen“ dazu gehört, kann ich nicht sagen. In diesem Frühjahr war es jedenfalls wieder pünktlich vor Ort.
Und ich hoffe, es wird sich auch im nächsten Frühjahr wieder zum Rendezvous mit mir treffen.
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