Prokrastinieren?-Bitte im Duden nachschlagen!
Bild: Bibliographisches Institut GmbH
von Ursula A. Kolbe
Also, ich kannte diesen Begriff bisher nicht: Prokrastinieren. Hätte dazu (wenn nicht im Internet) sicher zum Lexikon oder Fremdwörterbuch gegriffen. Aber auch im neuen Duden, unserer deutschen Rechtschreibung, ist er jetzt vermerkt. Das Wort kommt aus dem Lateinischen und bedeutet so viel wie aufschieben, vertagen.
Seit kurzem ist die 27., völlig neu bearbeitete und erweiterte Auflage des „Duden“ im Handel. Und nunmehr schon 1.264 Seiten umfassend. Ein ganz schön dicker Wälzer, mal salopp gesagt. Aber er hat es in sich: 5.000 neue Wörter und insgesamt 145.000 Stichwörter – damit mehr als fünfmal so viel wie im Urduden von 1880.
Alle drei bis fünf Jahre wird das Nachschlagewerk aktualisiert. Unwillkürlich stellt sich die Frage: Wie kommen diese neuen Wörter in das Nachschlagewerk? – Nun, sie basieren auf einer riesigen elektronischen Textsammlung, die derzeit mehr als vier Milliarden Einträge umfasst. Eingespeist werden Zeitungsartikel überwiegend aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, aber auch aus Romanen und Sachtexten.
Für Neuauflagen filtern Computerlinguisten Begriffe seit der vorherigen Auflage heraus. Übrig bleiben lange Listen, an denen Redakteure Aufnahmekandidaten auswählen. „Das ist wirklich ein Spiegel der Zeit“, sagt Duden-Redaktionsleiterin Kathrin Kunkel-Razum in der „Berliner Zeitung“.
Für die Aufnahme seien mehrere Kriterien entscheidend: Wörter müssen häufig und in unterschiedlichen Textsorten verkommen. Enthaltene Rechtschreibtücken sind auch ein Faktor. Daneben geht es um die Dokumentation gesellschaftlicher Entwicklungen und Service.
Manche Nutzer glaubten, dass es ein Wort nicht gibt, wenn es nicht im Duden steht. Entsprechend viele Neuaufnahmen sind zusammengesetzte Substantive wie Flüchtlingskrise und Mütterrente. Oder Einträge wie Work-Life- Balance und Phablet (gebildet aus Phone und Tablet), ein Handy mit großem Display. Bei all dem sei zu bedenken, dass nun mal der Einfluss aus dem Englischen bei technischen Entwicklungen nicht mehr wegzudenken ist.
Das Spektrum der neuen Wörter ist breit. Den Berlinern wird gefallen, dass auch typische Begriffe wie „icke“ oder „Späti“ Aufnahme gefunden haben. Wer mit „Emoji“ bisher nichts anfangen konnte, lernt das Piktogramm kennen, das auf Gefühlslagen, Gegenstände oder Lebewesen verweist. Die Namen aller Bundeskanzler sind nun auch in diesem Werk verewigt.
Mit Interesse habe ich auch registrieren können, dass mal eingedeutschte Schreibweisen wie Majonäse, Ketschup oder Anschovis wieder getilgt wurden. Ich persönlich habe diese Schreibweise nie gewählt. Anfreunden aber sollte man sich schon mit Begriffen wie chillen, Darknet, liken, Netflix – denn sie sind aus unserem Alltag einfach nicht mehr wegzudenken.
Wichtig in dem Zusammenhang: Auch die aktuellsten Rechtschreibregeln können sofort nachgeschlagen werden. Übrigens teile ich die Überzeugung der Redaktion, dass die Fähigkeit, korrekt und angemessen zu schreiben, auch in Zeiten digitaler Informations- und Kommunikationsprozesse ihren hohen Stellenwert behaupten wird – im Land der Dichter und Denker. Das heute landläufige nun ebenfalls neu aufgenommene „futschikato“ steht dem sicher nicht entgegen.
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