Uff’n Bier

Titelseite des Buches "Uff'n Bier"

von Ursula A. Kolbe

„Tu den Mund nicht unnütz auf –
Red‘ vernünftig oder sauf‘!“

Mit diesem sinnigen Spruch stimmt die Berliner Journalistin Hanne Walter auf ihr Buch „Uff‘ Bier“ ein, gibt zusammen mit den Bildern des Fotografen Henning Kreitel Einblicke in unverwüstliche alte Berliner Kneipen aus sieben Stadtbezirken.
Die es noch gibt, müsste man fast wehmutsvoll sagen. Und ihnen quasi ein Denkmal setzen.

Die Berliner Kneipe verkörpert mehr als 100 Jahre geballte Gastlichkeit, ist Tradition, Kult, Wohnzimmer. So, wie es der Einzelne, der (Stamm)Gast empfindet.
Die Autorin hat typische alteingesessene Kneipen getestet, die auf langjährige Traditionen schon vor der Wende zurückblicken, Geschichte und Geschichten erzählen können, immer auch ein Spiegelbild ihrer Gesellschaft sind.

Wie wahr die Aussage, manche Tresenabende seien interessanter und lebensnaher als manch deutscher Spielfilm zur Hauptsendezeit. Und weil diese immer alltäglich waren, gelten sie heute fast als Besonderes – und das hoffentlich noch lange.

Schon der erste Beitrag über Gittis Bierbar in der Brückenstraße, Nähe S-Bahnhof Jannowitzbrücke, ist typisch, widerspricht dem gängigen Klischee, dass man in seinen Kiezkneipen schön sortiert nach sozialen Schichten lieber unter sich bleibt. Da sitzen und stehen der über 80jährige Rentner, Beamte, Arbeiter, Handwerker, beieinander. Es wird geredet über „Gott und die Welt“, werden untereinander Freundschaftsdienste erwiesen.

Und Sylvia Falkner, die Chefin des „Metzer Eck“, seit 1913 fest in Familienhand und älteste Gaststätte in Prenzlauer Berg, ist davon überzeugt: „Ein Bier muss auch dem Auge was bieten. Es muss ordentlich gezapft sein und mit Blume auf den Tisch kommen. Nur dann haben wir unseren Job richtig gemacht.“

Dieses Buch, sagte die Autorin in einem Interview, sei auch eine Liebeserklärung an die Menschen, die in diesen Kneipen arbeiten. An ihr Durchhaltevermögen, an die Art, wie sie sich um die Gäste kümmern.

Alle Vorgestellten wiederspiegeln pralles, unverfälschtes Leben – einzig, unverwechselbar. Denn: Die Berliner Kneipe – schon oft totgesagt, vielerorts wegsaniert, weggekauft, aber einige gibt es immer noch. Dem Kommerz zum Trotz. Für die Stammkunden um die Ecke lieb und unverzichtbar.

Die sprichwörtliche Tinte für diesen Beitrag war kaum getrocknet, da las ich in der „Berliner Zeitung“ vom 8. Januar 2016 den Beitrag „Die letzten Tage des Courage“. Es handelt sich um das „MaisonCourage“ am Senefelder Platz, Prenzlauer Berg. Schon als das Wohnhaus aus der Gründerzeit um 1876 errichtet wurde, gab es dort eine Eckkneipe.

Anfangs hieß sie Restauration Michaelis, zu DDR-Zeiten „Altberliner Bierstube“. Als Marina Martin und Thomas Resag das Lokal im Jahr 2000 übernahmen, nannten sie es Courage – „im Sinne von mutig und beherzt“, so Martin. Der Name sollte auch etwas mit Widerstand gegen die Macht des Kapitals zu tun haben.

Und nun? Der Investor hat dem Wirtspaar gekündigt. Er will das denkmalgeschützte efeuberankte Eckhaus Kollwitz-/Ecke Saarbrücker Straße sanieren. Da Pankow das Gebiet Kollwitzplatz zum Sanierungsgebiet erklärt hat, könnte der Plan einer Luxussanierung noch wegfallen. Für ein Lokal wie das „Maison Courage“ trifft dieser Milieuschutz aber nicht zu.

mitteldeutscher Verlag, Halle
www.mitteldeutscherverlag.de
ISBN 978-3-95462-525-3