Peinliche Verwechslung
Bild: birgitH/pixelio.de
von Rudolf Winterfeldt
Als mein Freund und ich in die Kaserne einzogen, ließen wir zu Hause unsere Freundinnen zurück. Wir kannten uns schon sehr lange, waren wir doch Arbeitskollegen seit unserer Schulentlassung. Nun lebten wir hinter einem Schlagbaum und wurden rund um die Uhr bewacht, damit uns niemand Schaden an Leib und Seele zufügen konnte.
Die ersten zwei Tage wurden mit Einweisungen und Einrichten verbracht und dann begann die Grundausbildung auf dem Exerzierplatz und im Gelände. Fast waren darüber die Freundinnen vergessen. Jedoch beim Ein- und Ausmarsch sangen wir Lieder von schönen Mädchen und Liebesnächten. Da kam doch schon die Sehnsucht nach der Liebsten auf. Urlaub allerdings gab es die ersten 6 Wochen nicht und so blieb nur die Möglichkeit einen Brief zu schreiben.
Wir besorgten uns in der Kantine Briefpapier und Briefmarken und dann sollte am Abend das Schreiben beginnen. Aber so ein Brief ist ja nicht einfach zu schreiben. Wie sollte man seine Freundin denn darin anreden? Wir hatten vorher noch nie solche Briefe geschrieben. Man traf sich nach der Arbeit, ging ins Kino oder zum Tanz und da fiel einem schon immer was ein, was man so sagen konnte. Die meiste Zeit schwieg man sowieso und küsste sich oder hielt sich in den Armen. Was sollte man nun schreiben und vor allem wie?
Aber letztendlich musste man ja ein Lebenszeichen von sich geben. Telefone an jeder Ecke oder Handys wie heute, gab es zu dieser Zeit nicht. Da blieb nur ein Brief als Gedankenaustausch. Wir saßen also im Klubraum an einem Tisch und zermarterten unser Hirn, aber es wollte uns kein vernünftiger Gedanke einfallen. Bei mir löste sich dann doch der Knoten und mein Füllfederhalter, Kugelschreiber gab es noch nicht, glitt übers Papier und ich teilte dem Brief meine Gedanken, Wünsche und Sehnsüchte mit.
Über den Dienst und die völlig andere Lebensweise in der Kaserne durften wir nur ansatzweise schreiben und niemals etwas konkretes. Nebenbei schaute ich zu meinem Freund und bemerkte, dass er noch nicht ein einziges Wort geschrieben hatte. Auf meine Frage wollte er nicht antworten und murmelte sich nur etwas in seinen Bart, wie man so sagt.
Ich hatte meinen Brief fertig und da es der erste war, den ich an meine Freundin geschrieben habe, war er relativ kurz und eigentlich gar kein schwulstiger Liebesbrief. Meine Gefühle für sie waren schon in Worte gekleidet aber eben doch recht zögerlich. Trotzdem war ich zufrieden und mit dem Beschriften des Kuverts wollte ich nun meine Abendbeschäftigung beenden.
Mein Freund allerdings saß immer noch vor einem leeren Blatt Papier. Nun bat er mich, ob ich nicht für ihn seinen Brief schreiben würde. Ihm würden nicht die richtigen Worte einfallen und außerdem könne ich das viel besser als er. Meine Bemerkung, dass seine Freundin den Schwindel bestimmt bemerken würde, tat er mit der Bemerkung ab, sie hätte von ihm noch nie einen Brief bekommen und kenne seine Handschrift nicht. Wir waren Freunde und so schrieb ich für ihn den Brief und folgte dabei seinen Worten und Gedanken. Auch das Kuvert beschrieb ich und dann wurden die Briefe in diese gesteckt und ab in den Briefkasten.
Meine Freundin hat sich sehr gewundert, dass sie einen Brief bekam mit der Anrede: Liebe Brigitte und der Unterschrift Dein Willi. Brigitte wunderte sich über ihren Brief mit einer anderen Anrede und anderen Unterschrift. Sie waren aber clever und haben die Briefe untereinander getauscht und weiter kein Aufhebens darüber gemacht.
Nur waren wir beide im nächsten Urlaub in der Erklärungspflicht und für Willi war die Situation doch etwas peinlich, nachdem geklärt war, wer die Briefe geschrieben hatte. Man muss eben aufpassen, welchen Brief man in welches Kuvert steckt. Das kann immer einmal zu Komplikationen führen.
Heute kann einem so etwas nicht mehr passieren. Handy, PC und Internet machen eine Kommunikation möglich, die selten eine Verwechslung passieren lässt. Eine gute Erfindung für junge Leute und Verliebte.
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