Der rote Schirm
Bild: Rita Köhler/pixelio.de
von Susanne Danowski
Am Himmel türmen sich bedrohlich graue Wolken, die sich bald dunkelblau, dann schwefelgelb verfärben. Ab und an fährt ein Blitz aus dem Gewölk, dem schnell ein bedrohliches Donnern folgt.
Alex blickt voll Sorge nach oben und wartet an der Haltestelle auf den Bus. Wie so oft ist dieser verspätet. Und vor allem wartet er auf diese Frau, die nun seit Tagen zur gleichen Zeit, wie er, hier den Bus bestiegen hat. Da sieht er aus dem Augenwinkel, wie sie mit schnellem Schritt auf ihn zukommt. Schlank und mit den heute wieder ganz anders gebundenen langen dunklen Haaren stellt sie sich neben ihn. Er riecht ihren Duft und würde sie gern ansprechen. Aber wieder fehlt ihm der Mut dazu.
Dann fallen die ersten Tropfen. Schnell werden es mehr, die mit dicken Blasen auf der warmen Straße zerplatzen. Alex senkt schicksalsergeben den Kopf. Da bildet der starke Regen wie von Zauberhand einen Vorhang um ihn herum. Verwundert schaut er nach oben in einen knallroten Schirm. Dann sieht er zu der Frau, die lachend den Schutz über ihn hält. „Valerie“ sagt sie. „Alex“ antwortet er mit belegter Stimme. Wie von selbst schiebt sich ihr linker Arm unter seinen rechten.
Sie rücken dicht zusammen, dann reicht das Regendach für beide. Plötzlich sprudeln die Worte nur so aus ihm heraus. Vergessen ist der Bus und der Regen. Später als er, wie auch das Prasseln des Regens verstummt, senkt sich die Hand, die den Schirm hält. Schweigend sehen sie sich in die Augen, alles um sich vergessend.
Der rote nun nutzlose Regenschutz entgleitet der Frauenhand und eine letzte heftige Böe, die den davon treibenden Wolken hinterherjagt, trägt ihn in die regennassen Wiesen.
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