Die Feuerwalze
Bild: Wilhelmine Wulff / pixelio.de
von Rudolf Winterfeldt
In dem Kreisgebiet, für das ich als Leiter der Feuerwehr verantwortlich war, lag ein riesengroßer Schießplatz für Panzer und schwere Waffen der NVA (Nationale Volksarmee der DDR). In diesem ca. 100 km2 Gebiet lagen auch größere Waldflächen. Das betraf auch insbesondere die Grenzgebiete zum übrigen Kreisgebiet, die mit fast undurchdringlichem Kiefernwald bewachsen waren. Das war so gewollt, damit man nicht ohne weiteres auf das Schießgelände gelangen konnte.
Im Frühjahr ist die Waldbrandgefahr besonders hoch, weil in dieser Jahreszeit oft große Trockenheit herrscht und neue Triebe an den Kiefern sprießen, die, wegen des Harzgehaltes, besonders gut brennen. Eines Tages wurde mir gegen 16.00 Uhr ein Waldbrand in eben diesem Gelände gemeldet. Die ersten Feuerwehren waren alarmiert und ich begab mich mit meinem Dienstfahrzeug vor Ort.
Von weitem konnte man die Rauchfahne mit der typisch schwarzgrauen Färbung für Waldbrände erkennen. Auf der Karte orientierte ich mich und markierte ungefähr den Brandort. Dabei stellte ich fest, dass in unmittelbarer Nähe, direkt am Waldrand, ein Dorf lag. In diesem Ort befand sich auch ein Kinderheim. Aus der Windrichtung ergab sich aber keine Gefahr für diesen Ort. Sollte sich der Wind aber drehen, dann könnte eine Evakuierung notwendig werden.
Vor Ort angekommen, veranlasste ich mit der Leiterin des Kinderheimes die Vorbereitung einer Evakuierung. Die Bewohner des Ortes hatten sich schon organisiert und ihre Gartenschläuche usw. in Bereitschaft gelegt. Was nun aber den Waldbrand selbst betraf, war er nicht konkret auszumachen. Die Einsatzkräfte konnten in dieses Dickicht nicht eindringen und wir durften auch das NVA-Gelände, wegen der vorhandenen Blindgänger, nicht betreten.
So befahl ich, dass das Schießplatzgelände am Waldrand entlang als Angriffslinie auszubauen war. Ich ging davon aus, dass sich der Waldbrand in Windrichtung im Schießgelände „totläuft“, weil in dieser Richtung ein freies unbewachsenes Gelände lag. Bis dahin mussten wir nun abwarten. Als es zu dämmern begann, drehte sich aber plötzlich der Wind.
Der Waldbrand änderte nun auch seine Richtung und lief in Richtung des Dorfes, also direkt auf uns zu. Die Evakuierung des Kinderheimes wurde durchgeführt und alle anderen Bewohner über die Situation informiert.
Ich selbst aber wollte sicher gehen und die genaue Richtung der Brandentwicklung feststellen. Ich fuhr also mit meinem Einsatzfahrzeug, entgegen der Weisung, in das NVA-Gelände und suchte praktisch direkt den Brandherd.
Rauchwolken zogen ja bereits seit der Winddrehung in unsere Richtung. Um besser beobachten zu können, verließ ich den Wagen. Da hörte ich das Rauschen und Knistern bereits auf mich zukommen. Im gleichen Augenblick wirbelte Staub und Dreck um mich herum auf. Ich lief, so schnell ich konnte, zum Fahrzeug um diese Hölle zu verlassen. Aber es war zu spät. Um mich herum war es stockdunkle Nacht.
Selbst die Autoscheinwerfer durchdrangen diese Wand nicht. Mir blieb keine andere Wahl, ich musste, im PKW sitzend, das Geschehen über mich ergehen lassen. Über Funk hatte ich natürlich den Einsatzkräften die Situation und auch meinen ungefähren Standort erläutert und die nötigen Weisungen erteilt. Dann war die Feuerwalze über mir. Man kann das Gefühl in diesem Moment nicht beschreiben.
Es rauschte wie bei einem Orkan, alles was vorher auf dem Waldboden lag, war in der Luft. Die Flammen zogen in den Baumwipfeln über mich hinweg. Ich kann nicht sagen, dass ich Angst hatte, aber recht mulmig war mir schon in meinem Auto zumute. Nun muss ich erläutern, dass es bei Waldbränden verschiedene Arten gibt. Da gibt es den Waldbodenbrand. In diesem Fall brennen der Waldboden und niedrige Sträucher. Dann gibt es den Wipfelbrand.
Dabei brennen nur die Baumwipfel und es brennt nicht am Boden. Das ist besonders in Kiefernwälder der Fall. Da ja die Hitze nach oben steigt, ist bei einem Wipfelbrand die Entzündung des Bodens meistens unwahrscheinlich. Es gibt aber auch den Fall, dass es unten und oben brennt. Dann ist die Bekämpfung am schwersten. Ich saß also in meinem Auto und hoffte darauf, dass der Waldboden und damit auch mein Fahrzeug kein Feuer fing.
Aber es ist alles gut gegangen. So schnell wie die Feuerwalze gekommen war, so schnell war sie wieder weg. Zum Glück aber war sie nicht direkt in Richtung des Dorfes gelaufen. Wir konnten also für diesen Moment aufatmen. Für mich allerdings war es eine Erfahrung mit Schweißperlen auf der Stirn. Ich hatte erlebt, wie schnell man bei einem Waldbrand in Gefahr geraten kann. Bestätigt wurde dabei aber auch mein Wissen, das ein Wipfelbrand am Boden wenig Schaden anrichtet.
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