Vor 120 Jahren ist Otto Lilienthal verunglückt
Bild: Wikipedia.de (Gemeinfrei)
von Tristan Micke
Den am 23. Mai 1848 in Anklam geborenen Otto Lilienthal beschäftigte seit seiner Kindheit die Frage, ob und wie ein Mensch fliegen könne. Im Jahre 1862 unternahm er als Vierzehnjähriger zusammen mit seinem um ein Jahr jüngeren Bruder Gustav erstmals Flugversuche mit umgeschnallten primitiven “Flugapparaten” aus Kiefernleisten, Buchspanbrettchen und Leinen.
Das Flügelpaar von vier Meter Spannweite ermöglichte allerdings nur verlängerte Sprünge. Ohne zu ahnen, wie recht er damit hatte, prophezeite den Brüdern ein Onkel, sie würden sich dabei eines Tages den Hals brechen. Doch Otto Lilienthal ließ der Gedanke an das Fliegen zeitlebens nicht mehr los. Der Flug der Störche inspirierte ihn dabei sehr. Er besuchte die Provinzialgewerbeschule in Potsdam und die Königliche Gewerbeakademie in Berlin. Otto Lilienthal wurde Ingenieur.
In den Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 zog er als Gardefüsilier. Mit seinem Bruder Gustav, der Architekt und Ingenieur war, gründete Otto Lilienthal in der Köpenicker Straße 113 in Berlin eine Fabrik für Heizungen, Transmissionen und schmiedeeiserne Riemenscheiben. Die Firma der Lilienthal-Brüder entwickelte einen “gefahrlosen Dampfkessel” und einen Schlangenrohrkessel.
Für den sächsischen Bergbau lieferte sie eine Schrämmaschine. Insgesamt 24 Patente konnten die vielseitigen Brüder anmelden. Eine ihrer frühen Erfindungen war der weltweit bekannte Anker-Steinbaukasten für Kinder. Diese präzise geformten Bausteine werden noch heute hergestellt und bestehen aus Quarzsand, Kalk und Leinölfirnis. Otto Lilienthals Interessen waren breit gefächert.
So schwärmte er auch für das Theater, bezahlte sogar die Schulden des Berliner Ostend-Theaters in der Großen Frankfurter Straße und übernahm dessen betriebswirtschaftliche Führung. Als Ersatz für einen ausgefallenen Schauspieler sprang er einmal sogar ein und spielte die Rolle des Herolds in Schillers “Die Jungfrau von Orleans”. In einem heute vergessenen Volksstück war Lilienthal als Räuberhauptmann zu sehen und schrieb selbst einmal einen Schwank.
Doch weltberühmt wurde er durch seine Gleitflugversuche. Lilienthal war davon überzeugt, dass der Gleitflug die notwendige Vorstufe zum motorisierten Flug sein müsse, obwohl sein englischer Konkurrent Hiram Maxim spottete, damit könne man sich nur wie ein Flughörnchen bewegen. Aufsehen erregte Otto Lilienthals Buch “Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst” aus dem Jahre 1889.
Zur Erprobung seiner immer weiter entwickelten Flugapparate, darunter auch Flügelschlagapparate, ließ er in Groß-Lichterfelde bei Berlin, wo die beiden Brüder auch wohnten, einen 15 Meter hohen Sandhügel aufschütten, den er Fliegeberg nannte. Schließlich wurde dieser Berg zu klein und Otto Lilienthal verlegte seine Flugversuche in die Rhinower Berge nordwestlich von Berlin.
Seit 1891 erzielte er dort bei seinen Flügen Weiten bis zu 250 Meter. Als Schutzvorrichtung hatte Lilienthal halbkreisförmig gebogene Weidenruten an seine Gleiter angebracht. Sie sollten bei Bruchlandungen als Stoßfänger dienen und hatten ihm wohl schon einmal das Leben gerettet, als er aus einer Höhe von 20 Meter abstürzte.
Der 9. August 1896 war ein Sommertag mit einer stabilen Hochdrucklage. Der schwache Wind trieb Schönwetterwolken am Himmel. Es schien gutes Flugwetter zu sein. Otto Lilienthal stieg mit seinem Helfer Paul Beylich, der stets bei den Flugversuchen dabei war, auf den Gollenberg in den Rhinower Bergen. Zusammen trugen sie den Flugapparat hinauf. Angezogen war Lilienthal mit einem Flanellhemd und Knickerbocker.
Für den Fall einer harten Landung trug er dicke Kniepolster und feste Stiefel, auf dem Kopf hatte er eine eng anliegende Kappe. Der erste Flug gelang. Beim zweiten Flugversuch brachte eine Sonnenbö (Aufsteigen erwärmter Luft in Bodennähe) den Gleiter aus dem Gleichgewicht. Als Lilienthal versuchte, den Flugapparat durch Gewichtsverlagerung wieder in die Balance zu bringen, sprang der Wind um und Lilienthal stürzte mit seinem Flugapparat aus etwa 15 bis 20 Meter Höhe zu Boden.
Beylich fand ihn mit gelähmtem Unterkörper am Fuße des Gollenberges. Lilienthal war zunächst noch ansprechbar. Mit einem Pferdewagen wurde er auf holprigen Straßen in den Gasthof von Stölln (heute Gasthof zum 1. Flieger) gebracht. Erst am nächsten Tag konnte Lilienthal in einem Güterwagen nach Berlin transportiert werden. Er war bereits bewusstlos und wird von der Tortur des Transports kaum noch etwas gespürt haben. Am Abend des 10. August 1896 starb er. Als Todesursache wurde Wirbelbruch angegeben.
Otto Lilienthal wurde auf dem Friedhof in Berlin-Lankwitz beigesetzt. Das Grab ist heute ein Ehrengrab des Landes Berlin. Bei der Umgestaltung des Grabes im Jahre 1940 erhielt die Grabplatte folgende Inschrift: “Opfer müssen gebracht werden.”
Der Fliegeberg im heutigen Berlin-Lichterfelde ist seit 1932 Lilienthal-Gedenkstätte. In Lilienthals Geburtsstadt Anklam erinnert ein Otto-Lilienthal-Museum an das Lebenswerk des Flugpioniers.
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