Nächtliche Begegnung
Bild: Miroslav Großer / pixelio.de
von Rudolf Winterfeldt
Es war seine Aufgabe, zu nächtlicher Stunde Kontrollgänge durchzuführen. Alleine, mit Funkgerät und großer Taschenlampe bewaffnet, ging er so in den Nächten ins Gelände. Er schaute nach, ob sich die Objekte im normalen Zustand befanden.
So war es auch in jener Nacht, als er diese, für ihn einmalige, Begegnung hatte. Die Nacht war ruhig und der Mond spendete ein milchiges trübes Licht, das die Konturen der Bäume und Sträucher nur auf kurzer Entfernung erkennen ließ. Aber er konnte so, ohne das Licht der Taschenlampe, seinen Weg erkennen. Er lief ja nicht zum ersten Mal hier entlang und kannte fast jeden Stein in seinem Revier.
Aber nicht nur das, er wusste auch, wo sich seine nächtlichen „Freunde“ aufhielten. Auf jener Wiese bewegte sich ein Igel schmatzend hin und her und sammelte sich sein Futter. Dort huschte ein Marder über den Weg, verschwand unter einem abgestellten Auto, um kurz darauf, über die Wiese hoppelnd, im angrenzenden Gebüsch zu verschwinden. Wenn man ruhig stehen blieb, konnte man die Tiere lange Zeit beobachten.
Das, was er aber in diesem Augenblick als Schatten erblickte, bewegte sich lautlos und ganz gleichmäßig über die Wiese. Was konnte das sein? Er konnte es sich nicht erklären. Ganz ruhig blieb er stehen und beobachtete den Schatten. Dieser bewegte sich im „Zickzack“ langsam in seine Richtung. Nach einigen Minuten entschloss er sich, die Sache aufzuklären. Er musste auch seinen Rundgang fortsetzen.
Der Scheinwerferkegel des Halogenstrahlers richtete sich auf den Schatten. Das war doch nicht möglich! Das hatte er bisher nur in Filmen und auf Bildern gesehen aber nicht in der Natur und so dicht vor ihm.
Ein niedliches, hübsches „Gesicht“ schaute ihn an. Hervorstechend waren die kleine schwarze Nase und die darüber liegenden dunklen Augen. Wie ein Dreieck geformt, bildeten die Ohren den oberen Abschluss des „Gesichtes“.
Der Scheinwerferkegel schien keine Wirkung zu haben, denn nur ein kurzes Aufblicken war die Reaktion. Der Weg wurde in gleicher Richtung, ohne Unterbrechung, fortgesetzt. Wie war das möglich? Ja natürlich, die Windrichtung! Er stand günstig, denn der Wind kam aus Richtung der Wiese. Je näher er kam, desto deutlicher war er zu erkennen. Welch ein Anblick.
Das Herz schlug vor Begeisterung schneller und er konnte sich nicht satt sehen. Diese rotbraune Farbe, seidig glänzend und zum streicheln einladend, sah man nicht alle Tage. Ein buschiger Schweif bildete den hinteren Abschluss. Das wäre ein richtiges Spielzeug für seine Enkelkinder, dachte er so.
Wann kam jemals eine solche Gelegenheit wieder? Doch dann siegte die Vernunft und auch die Vorsicht meldete sich und er riss sich von dem Anblick los. Der Abstand war bis auf einige Meter geschrumpft.
Er machte ein schürfendes Geräusch mit dem Schuh, ein heiseres Bellen beim „Gegenüber“ eine Kehrtwendung und wie der Wind ging es über die Wiese in entgegengesetzter Richtung davon. Auf halbem Wege ein kurzer Halt, ein Blick zurück und weiter ging es hinein in das Gebüsch.
Er sah hinterher und dachte, gute Reise kleines Füchslein und entschuldige den Schrecken, den ich dir eingejagt habe.
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