Eine Hochzeit der ungewöhnlichen Art

Zwei Hände mit Trauringen an den Fingern

von Christa Prietsch

Vor vielen, vielen Jahren an einem Tag im Frühling war´s: Da machten sich zwei verliebte junge Leute an einem Montag um 6:15 Uhr wie an jedem anderen Montag mit dem Motorrad auf den Weg zur Arbeit. Beide arbeiteten im gleichen Betrieb.
Es hatte sich so eingespielt, dass die beiden immer im Labor des „Fräuleins“ frühstückten.

So auch an diesem Tag. Pünktlich zur Frühstückspause erschien also der „Jüngling“ und sagte fröhlich und leicht: „Komm, wir gehen jetzt heiraten! Telefonisch habe ich soeben alles vorbereitet, wir müssen nur noch Deine Geburtsurkunde vom Standesamt in Köpenick holen.“

Das Fräulein dachte… oder dachte eher gar nichts, ging zu ihrem würdigen Labor-Chef alter Schule und bat um ein paar Stunden Urlaub, weil sie nur mal schnell heiraten will.

Stark irritiert sah der sie an und sagte nach einer Weile nur: “Ja, ja, gehen Sie nur, gehen Sie nur“. Ein bekümmerter Blick folgte ihr bis zur Tür.
Der Jüngling wartete schon mit dem Motorrad auf sein Fräulein… und ab ging´s nach Köpenick zum Standesamt. Nach einem längeren Wortwechsel wegen dieses Hau-Ruck-Ersuchens hatten sich die beiden die Geburtsurkunde dann erkämpft.
Jetzt ging´s zum Standesamt nach Johannisthal, dem Ort der geplanten Eheschließung.

Die beiden stellten das Motorrad repräsentativ vor dem Standesamt ab, zogen die Kleidung einigermaßen zu Recht – der Jüngling hatte eine Bund- Lederjacke und Knickerbockerhosen an, das Fräulein eine Blouson-Jacke und einen unscheinbaren Alltagsrock. Voller Entsetzen stellte sie fest, dass die Strumpfnaht nicht gerade und eine Laufmasche gelaufen war: Sicher war im Labor ein Säurespritzer auf den Strumpf gekommen.

Nun marschierte das junge Paar ohne jede Begleitung auf das Trauzimmer los. Sie klopften und es erklang ein „Herein“. Eintretend sahen sich die jungen Leute einem schon älteren, gemütlich aussehenden Mann gegenüber, der gerade beim Verzehren seiner Mittagsbrote war. Das war der Standesbeamte, damals amtlich als „Beauftragter für Personenstandswesen“ bezeichnet.

Bis jetzt war das junge Fräulein bei all der Hektik überhaupt noch nicht zum Nachdenken gekommen. Nun aber wurde ihr erst die Bedeutung dieses Vorhabens klar. Es war alles wie im Traum!

Der Standesbeamte sagte: „Sie haben es ja ganz eilig! Kind oder Wohnung?“
Antwort von beiden: „Wohnung“. Er packte ordentlich sein Stullenpapier zusammen, trank seinen Kaffee aus und wurde dienstlich. Die jungen Leute mussten ihre Personalausweise und die Geburtsurkunden vorweisen. Dann verlas er die vorgeschriebenen formalen Fragen als da waren:

„Aufgebot vom?“ – Antwort: „Keines“.
„Trauzeugen, deren Namen und Anzahl?“ – Antwort: „Keine“.
Da drückte er auf einen verborgenen Knopf …und es erklang die übliche Hochzeitsmelodie aus dem „Sommernachtstraum“ .
Nach Ende dieser wunderbaren Melodie sagte der Standesbeamte: „Nun tauschen Sie, was Sie zu tauschen haben.“ Er meinte natürlich zunächst die Ringe. Da die beiden nichts derart Gegenständliches hatten, küssten sie sich.

Es war eben eine Hochzeit ohne Aufgebot, ohne Trauzeugen, ohne Ringe, ohne ordentliche Hochzeitskleidung, ohne Foto, sogar ohne Blumen (woher sollten die beiden diese in der damaligen Zeit und noch dazu im März bekommen?) und ganz ohne Gäste, aber mit einer Feier zu zweit, eigentlich zu dritt, denn die Oma kam zum Kaffee.

Zum Abschied sagte der lebenserfahrene Standesbeamte dann zum neuen Ehepaar: „So, wie Sie geheiratet haben, geht das bestimmt gut!“
Er hatte recht!