Autoliebe
Bild: photophonie
_von Gabriele Lutzke_
Ich habe 2 Söhne, die sehr unterschiedlich sind.
Mario ist zuverlässig, pünktlich und geradlinig.
Chrissi ist ganz anders. Chrissi heißt Christian. Er mag diesen Namen nicht und wollte immer Chrissi genannt werden. Schon als kleines Kind saß ihm der Schalk im Nacken.
Liebenswert sind beide.
Chrissis erstes Wort war „Auto“. Er war noch nicht einmal 1 Jahr alt. Immer wieder sagten wir ihm „Mama“ oder „Papa“ vor, aber es kam keine Reaktion. Bis er an einem Tag völlig überraschend „Auto“ sagte.
Er liebte Autos.
Stundenlang konnte er neben seinem Straßenteppich liegen und mit seinen kleinen Autos spielen. Fahrzeuge jeder Art, Pkws, Lkws, Polizeiautos, Krankenwagen, Baufahrzeuge wurden bewegt. Sie fuhren vor- und rückwärts, parkten ein und wieder aus. Es gab auch Unfälle. Er führte häufig Selbstgespräche und war völlig in sein Spiel versunken.
Einige Autos begleiteten ihn überall hin. So nahm er natürlich auch jeden Tag welche mit in den Kindergarten. Eines Tages sprach uns eine Erzieherin an, dass es nicht gern gesehen würde, wenn die Kinder ihr eigenes Spielzeug von zu Hause mitbrachten. Es wäre schon desöfteren vorgekommen, dass Spielzeuge kaputt gegangen oder abhanden gekommen sind. Dann war natürlich die Trauer groß. Also erklärten wir Chrissi die Situation.
Außerdem gab es ja im Kindergarten Unmengen an Spielzeug, darunter auch viele Autos.
Er wollte jedoch nicht auf seine Autos verzichten und ließ sich jeden Tag neue Verstecke dafür einfallen. In jede kleine Tasche an Jacken, Pullovern oder Anoraks passten Autos.
Wenn wir im Kindergarten ankamen, fragte ich ihn immer, ob er Autos mitgenommen hatte. Aber er verneinte dies stets. Die Verstecke wurden auch immer besser. Sogar in seiner Brotdose oder in den Strümpfen konnten Autos einen Platz finden. Oft kamen dann am Nachmittag beim Abholen wieder welche zum Vorschein.
Also nahmen wir uns vor, noch einmal ein ernstes Wort mit ihm zu reden. So sprachen wir dann ausführlich über das Thema „Wahrheit“. Mein Mann redete ca. 20 Minuten pausenlos auf Chrissi ein. Seine großen Augen auf den Papa gerichtet stand der Kleine ganz still und sagte kein Wort.
Als mein Mann seine lange Rede endlich beendete, sagte er zu Chrissi: „Man darf nicht lügen. Man muss immer die Wahrheit sagen. Hast du das verstanden? Also sag jetzt immer die Wahrheit!“ Darauf antwortete Chrissi: „Die Wahrheit“