Sommergedanken oder warum Frösche gefährlich sind
Bild: digital_brain
_von Tina Gonschorek_
Im letzten Herbst hatte ich mir Gedanken über ein Ahornblatt gemacht, aber nun ist es Sommer. Ich liege auf einer blühenden Wiese und lasse meiner Fantasie freien Lauf.
Am strahlend blauen Himmel tummeln sich einige Schäfchenwolken denen ich Gesicht und Gestalt gebe. Und so segelt ein Elefant mit riesigen Ohren langsam vorbei, gefolgt von einem Bären, der einem Wichtel mit sehr langem Bart hinterher jagt. Die Sonne sendet ihre warmen Strahlen auf mein Gesicht. Ich genieße das Licht und die Wärme und freue mich, dass die langen trüben Wintertage hinter mir liegen, an denen sie sich wochenlang hinter dicken grauen Wolken versteckt hat.
Das Gras duftet würzig und die bunten Wiesenblumen ergänzen mit ihren herben und süßen Düften das Ganze zu einer sinnlichen Sinfonie für meine Nase.
Eine Libelle schwirrt um mich herum und lässt sich, da ich ganz still liege, auf meiner Hand nieder, die ich nun langsam hebe, um die kleine Schönheit in Ruhe betrachten zu können. Sie hat eine wunderbare stahlblaue Farbe und ihre filigranen schillernden Flügel bewegen sich unabhängig voreinander in verschiedene Richtungen. Die kleine Libelle bleibt ruhig sitzen und scheint zu spüren, dass ich ihr nichts tun will.
Dann ist sie wohl der Meinung, ich hätte sie nun lang genug bestaunt und fliegt davon. Meine Gedanken fliegen mit ihr und ich stelle mir vor, selbst eine Libelle zu sein.
Es ist wunderschön durch die warme Sommerluft zu gaukeln und den süßen Nektar der Blumen zu kosten. Ich spüre die leisesten Luftströmungen und vermag auf ihnen über die Wiese zu gleiten.
In der Ferne glitzert ein kleiner Waldsee. Dorthin fliege ich und betrachte das stille Gewässer. Ab und an kräuseln kleine Wellen die glänzende Oberfläche wenn ein Fisch aus dem Wasser schnellt. Es ist ein unglaubliches Gefühl von Freiheit, losgelöst von aller irdischen Last, so über dem Wasser zu schweben. Der Himmel spiegelt sich darin, die Wolken und auch die Bäume, die den See umranden. Niemand stört die Ruhe und ich höre die verschiedenen Insekten summen und brummen. Ich bin davon fasziniert, was ich als Libelle so alles wahrnehmen kann.
Die sattgrünen Blätter der Seerosen schwimmen auf der Wasseroberfläche und die strahlend weißen Blüten duften verführerisch. Ich gebe der Verlockung nach und koste von dem Nektar. Leider habe ich dabei den großen Frosch übersehen, der hinter der Seerose auf dem Blatt sitzt. Als Mensch mag ich Frösche ja sehr. Gern schaue ich in ihre goldenen Augen und frage mich, ob wohl ein Prinz daraus wird wenn ich ihn küsse. Aber als Libelle sieht die Sache natürlich ganz anders aus. Da bin ich eine leckere Mahlzeit für das schlüpfrige grüne Tier. Und schon sehe ich seine Zunge auf mich zu schnellen. In buchstäblich letzter Sekunde gelingt es mir ihm zu entkommen und ich bin sehr erstaunt darüber, wie schnell eine Libelle aus dem Stand los fliegen kann.
Dabei habe ich aber doch einen gehörigen Schreck bekommen und liege plötzlich wieder auf der Wiese von der aus ich gestartet bin. Allerdings befinde ich mich jetzt wieder in meinem menschlichen Körper und stelle fest, dass ich eingeschlafen war und geträumt habe.
Und während ich noch so vor mich hin sinniere und über den Ausflug in die Tiefen meiner Fantasie nachdenke, und doch recht froh bin, wieder ich selbst zu sein, plumpst plötzlich etwas auf mein Knie. Mit einem: „Huch, was ist denn das jetzt“, schrecke ich hoch und blicke geradewegs in die gold gesprenkelten Augen eines grasgrünen Frosches, der mich etwas spöttisch anzugrinsen scheint. Unwillkürlich zieht ein Lächeln über mein Gesicht und ich begreife, dass es Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, die man einfach nicht erklären kann. Der Frosch sieht mich an und scheint zustimmend zu nicken. Dann hüpft er mit einem riesigen Satz davon, als hätte er Angst davor, dass ich doch in Versuchung geraten könnte ihn zu küssen.