Sturmwarnung

Ein zerstörtes Gebäude

von Hannelore Dehl

Er bekommt immer Kopfschmerzen, wenn sich Hoch und Tief aneinander reiben. Dann wird es ein schlechter Tag. Dann würde er sich am liebsten verkriechen. Doch jetzt ist er für drei Tage verreist, lässt es sich gut gehen, muss sich um nichts kümmern. Das hat er schon lange nicht gemacht.

Heute Morgen beim Frühstück hat er im Radio die Sturmwarnung gehört. Na ja, wer weiß, wo es wirklich brenzlig wird, dachte er beim Kauen. So eine richtige Katastrophe hatte er noch nie erlebt. Gott sei Dank! Und wird das Gefühl nicht los, dass diese Nachrichten nur eine Absicherung der Versicherungen sind.

Damit die nicht zahlen müssen. Diese Betrüger! Die immer nur Geld wollen. Und wenn etwas passiert, erfinden die tausend Ausreden, um mit Paragraphen und Rechtsanwälten kein Geld rüber rücken zu müssen. Halsabschneider!

Vor vier Wochen war einer von denen bei ihm. Er wollte den Lackaffen erst gar nicht rein lassen. Aber na ja, anhören ist ja noch nicht unterschrieben. Hat der ihn belegt. Schlimmer als das Geschwafel der Politiker. Nur Blasen, bla, bla, bla- blass ist der geworden, als er ihn rausgeschmissen hat.

Zum Schluss wurde der sogar noch frech. Na, da war der bei ihm ja richtig. Die Tür hat er zugeknallt, so sauer war er. Musste sich erst einmal zur Beruhigung ein Entspannungsbad einlassen. Anders kommt er nicht runter. Dieses leise Plätschern in der Wanne bringt seinen Puls wieder auf Normal.

Und wenn der warme Dampf wie kleine Nebelschwaden vor seinen Augen aufsteigt, er verzückt mit den Schaumbläschen spielt, die sich so gar nicht fassen lassen, fühlt er sich geborgen wie ein Kind. Ärger und Sorgen hat er in diesem Augenblick vergessen.

Dieses wohlige Gefühl macht sich breit, als er, die Badewanne vor Augen, seinen Sessel im Hotelzimmer zurechtrückt. Er will kurz Nachrichten hören, um anschließend essen zu gehen. Beim Wandern heute Vormittag ist er mit einem ins Gespräch gekommen, was sie abends bei einem Glas Bier weiterführen wollen. Ja, heute war wirklich ein schöner Tag.

Er räkelt sich in seinem Sessel, der Kopf liegt bereits in Schlafposition, beide Beine in einem Dreieck weit von sich gestreckt, auf keinen muss er Rücksicht nehmen. Die Bilder auf dem Fernsehschirm flimmern an ihm vorbei. Politik interessiert ihn nicht, schon gar nicht im Urlaub.

Er will hören wie das Wetter wird, um sich für morgen einen Plan zu machen. Ein Bericht vom Sturm da und dort, ein Mast zerschlug ein Auto, es ist sogar eine Frau umgekommen, ein Baum stürzte auf ein Haus, sein Besitzer ist im Urlaub – Moment mal, das kennt er doch!

Beim hastigen Packen seiner Sachen überlegt er – was wollte der Lackaffe von Versicherung ihm noch mal verkaufen?