Adventszeit...
Bild: Wikipedia
von Helga Licher
Schon immer hat die Zeit vor dem Weihnachtsfest auf mich einen ganz besonderen Reiz ausgeübt.
Ich erinnere mich gerne an die stille, beschauliche Adventszeit in meiner Kindheit, wenn im alten Küchenherd das Feuer prasselte, und die flackernden Flammen riesige Schatten an die Wand warfen. In meiner Fantasie waren es Riesen und Geister, die in unserer Küche tanzten.
Aus dem Backofen duftete es nach Plätzchen und Honigbrot, während die Kerzen auf dem Adventskranz ein wohliges Licht verbreiteten.
Eifrig schrieben meine Geschwister und ich all unsere Wünsche auf den Wunschzettel und hofften von ganzem Herzen, dass uns das Christkind wenigstens einen dieser Wünsche erfüllen möge.
In den Straßen der Stadt gab es kurz nach dem Krieg noch keine üppige Weihnachtsbeleuchtung. Nur hin und wieder sah man einen kleinen Nikolaus im Schaufenster der Spielwarenhandlung.
In meiner Erinnerung waren nicht nur die Sommer heißer, nein, auch die Winter waren viel frostiger und schneereicher als heute. Nur selten blieb der Schlitten im Keller stehen. Und spätestens zum ersten Adventssonntag zierten viele kleine und große Schneemänner die Vorgärten unserer Siedlungsstraße. Die Pfützen waren bedeckt mit einer Eisschicht, die manches Mal einbrach und uns Kindern nasse Füße bescherte.
Erst wenn die handgestrickten Wollhandschuhe durchnässt und unsere Füße steif gefroren waren, machten wir uns auf den Heimweg.
Mutter zog uns die triefend nassen Kleidungsstücke aus und brachte sie zum Trocknen in die Waschküche. Auf dem Herd kochte das Teewasser, und der frische Stuten verbreitete einen aromatischen Duft. Unter den wachsamen Augen meiner Mutter durfte ich die Kerzen auf dem Adventskranz anzünden. Wenn sich draußen langsam die Dunkelheit ausbreitete, und in den umliegenden Häusern die Lichter angezündet wurden, begann die schönste Stunde des Tages. Während wir in kleinen Schlucken den heißen, honigsüßen Tee tranken, erzählte Mutter Geschichten von früher. Nie wieder habe ich dieses Gefühl der Behaglichkeit und Vertrautheit erlebt. Die Erinnerungen an diese vorweihnachtlichen Tage haben sich für immer in meinem Gedächtnis eingegraben.
Und in der Nacht, während der klirrende Frost bizarre Figuren aus Eis an die Fenster zauberte, träumten wir von rasanten Schlittenfahrten und riesigen Höhlen aus Schnee. Unter den dicken Federbetten spürten wir die bitterkalten Nächte nicht. Geheizt wurden nur die Küche und manchmal auch die gute Stube. In den Schlafzimmern dagegen war es eisig kalt. Wenn wir am Morgen aus unserem wohlig warmen Bett krochen, hatte der Winter über Nacht wunderschöne Eisblumen an den Fensterscheiben blühen lassen. Staunend standen wir Kinder davor und versuchten mit unserem warmen Atem die Blüten zum Schmelzen zu bringen.
Wie gerne möchte ich noch einmal dieses ganz besondere Gefühl der Geborgenheit spüren und beim Schein der Kerzen den Geschichten meiner Mutter lauschen. Doch ich werde ihn nicht mehr finden – diesen Zauber meiner Kindheit.
Die Eisblumen an den Fenstern blühen heute nicht mehr…
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