Opas Abenteuer in der neuen Uni-Bibliothek der Berliner Humboldt-Uni
Bild: Rolf Handke / pixelio.de
von Wolfgang Prietsch
Im Grimm-Zentrum wollte ich aus einem Jahrbuch mal schnell eine Kopie anfertigen.
Von der Straße kommt man in die gewaltig lange Lobby der Bibliothek. Bereits dort traf ich auf eine große Anzahl von Studentinnen und Studenten, der Altersdurchschnitt dürfte 25 Jahre betragen haben.
Zunächst ging ich zum Empfangsschalter, um einen neuen Leser-Ausweis zu beantragen. Dort bekam ich gleich einen kleinen Schreck: „Wo ist Ihr alter Bibliotheksausweis von vor 6 Jahren“, fragte die Bearbeiterin. „Den habe ich nicht mehr gefunden, wohl verbummelt“, war meine klein-laute Antwort. „Macht nichts“, sagte sie, „das kostet nur 6 € Gebühr“! Und sie fertigte mir einen neuen Bibliotheksausweis aus.
Da ich nun schon im eigentlichen Bibliotheksbereich war (im dicken Mantel, draußen war es winterlich kalt bei minus 18 Grad!), bin ich – eigentlich verbotenerweise – mit Mantel per pedes drei Treppen hoch zur Regalreihe GN gestiegen, fand auch gleich den Signaturbereich 2100-2200.
Leider waren aber nur die Jahrgänge bis Band XIII da, nicht der gesuchte Band XIV!
Eine junge Studentin riet mir zur Nachfrage am Schalter „Recherche/Suche/Ermittlungen“ im Erdgeschoss. Ich also wieder runter. Dort gab sich eine ältere Bibliothekarin richtig Mühe, den derzeitigen Standort meines Bandes zu finden, der aber eigentlich auch nach ihrer Ansicht dort sein müsste, wo ich gesucht habe. Nach drei Tagen erfuhr ich, dass das Buch jetzt am richtigen Platz steht.
Nun fuhr ich wieder hin, wollte mit jetzt gültigem Ausweis gleich in die Bibliothek (so schnell mal mit Mantel, wie man das z. B. in der Amerika-Gedenkbibliothek ohne weiteres machen kann). Ging aber nicht! Erst Mantel abgegeben!
„Da gehen Sie den langen Gang entlang, dann die Treppen in den Keller runter, dann sehen Sie schon“, sagte mir ein Student. Dort kam ich in einen sehr großer Raum mit Wandschränken, an denen verschiedene kleine Schlösser hingen. Alles war belegt, aber auch ein offener Schrank hätte mir nichts genützt, ich hatte ja natürlich kein Schloss mitgebracht!
Freundlicher Hinweis einer ganz netten Studentin: „Es gibt hier irgendwo( aber wo?) auch Fächer, die man ohne Schloss belegen kann, fragen Sie mal am Eingang“! Ich trabte also die Treppen wieder hoch (immer noch im warmen Mantel, durch die gut geheizten Räume!), und fragte erneut nach. „Ja, da müssen Sie sich vor der Mantelabgabe in der Cafeteria eine Service-Karte gegen Geld leihen“.
In der Cafeteria standen viele Studenten. Schön warm dort im Wintermantel! Für 1,55 € erwarb ich eine Service-Karte. „Die Garderobenfächer ohne Schloss befinden sich im Gang rechts hinten“ ruft mir jemand nach. Ich also wieder los, nach wenigen Metern ruft er mir hinterher: „Sie müssen aber die Service-Karte erst aktivieren, hinten am Automat neben dem Feuerlöscher“. Schnell gefunden!
Da befand sich eine Vorrichtung, in die man die Karte reinstecken muss, was man dann machen soll, steht nirgends! Da half mir wieder eine freundliche Studentin.
Dann – mir war inzwischen richtig heiß – lief ich wieder Treppchen für Treppchen hinab in den Garderobenraum. Dort sind Fächer mit Druckknöpfen, nur noch einige waren frei, ich fand aber ein offenes Fach.
„Keinesfalls Mantel nur reinlegen ins Fach, und mit der Hand den Knopf zudrücken: Dann haben Sie ein Problem (Öffnung des Faches nur durch Bibliothekspersonal möglich, dauert aber etwas)“, erfuhr ich von den jungen Leuten. „Sie müssen den Knopf mit der Service-Karte zudrücken, damit übernimmt die Karte den Code des Faches, was zum späteren öffnen unabdingbar ist“.
Ein Glück, dass die jungen Leute hier sind, dachte ich.
So, jetzt endlich rein in die Bibliothek, wieder drei Treppen hoch, aber jetzt leger ohne Schwitz- Mantel. Und… Staunen! ..Buch war da! Jetzt kopieren, ich suchte also ein Kopiergerät.
Gefunden! Dort standen zwei Studentinnen beim kopieren. Freundliche Frage der einen an mich: „Haben Sie viel zu kopieren? Bei uns dauert es nämlich lange“. „Nein, nur ein Blatt“. „Na, dann können Sie natürlich gleich mal ran“.
Ich legte also mein Buch auf die Aufnahmefläche und fragte, wo man das Geld einwerfen muss. Lächeln! „Geht hier so nicht, Sie müssen Ihre Service-Karte einführen“. Prima, die hatte ich ja! Eingeführt, es kam bloß keine Kopie! Es stellte sich heraus, dass meine 1,55 € – Aufladung nur für die Garderobe reicht, für weitere Arbeiten muss man mehr aufladen.
Was jetzt? Wieder Treppen runter? Wieder anstellen in der Cafeteria? Die freundliche Studentin hatte echt Mitleid mit so einem Opa. Aber es ging immer noch nicht! Es war nämlich – welche Tücke – inzwischen grade das Papier verbraucht, wir mussten zu einem anderen Kopierer gehen.
Hier half mir wieder die junge Studentin sofort mit ihrer Karte, und sie wollte nicht mal mein Kleingeld annehmen! Selten war ich so erleichtert, als ich die Kopie in den Händen hatte und sogar meinen Mantel durch Anlegen der Service-Karte an den Knopf des Faches wieder herausbekam, und – nach nochmaligem Anstehen am Kaffeeschalter – auch meinen Pfand von 1, 55 € wieder zurückbekam!
Was würden Leute im späten Rentenalter wohl machen, wenn ihnen nicht die mit der modernen Kommunikationstechnik und der heutigen Recherchepraxis einschließlich der zugehörigen äußeren Umstände bestens vertrauten jungen Leute freundlich zur Seite stehen würden?
Im Stillen schickte ich gedanklich einen herzlichen Dank an meine Enkeltöchter los, die mir immer wieder bei der für die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben erforderlichen Arbeit mit modernen Kommunikationsmitteln aktiv helfen.
P.S. Der im 82. Lebensjahr stehende Autor erklärt hierdurch, dass er die im vorstehenden Text sichtbaren Abweichungen von den Regeln der deutschen Sprache ,um lebensnah zu bleiben, als der umgangssprachlichen Praxis zugehörig, in Kauf genommen hat.
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