Mein Hund
Bild: Jewgenia Stasiok/pixelio.de
von Marie-Luise Böhme
Wenn ich glaubte, ich hätte einen Hund gekauft als Gesellschafter, Haushüter und Spaziergehgrund, war mir nach einem Jahr schon klar, es war ein Irrglaube.
Die Leute sagen, er sei ein Schaf und man könne nicht sehen wo vorne und hinten ist, es sei denn er trägt ein Halstuch. Doch er ist ein Tibeter Langhaar und da muss alles so sein.
Die ersten Wochen vergingen damit, ihm beizubringen, wo seine Duftmarken abzusetzen sind und die Lösung niedergelegt werden darf. Das war in gut vier Wochen geschafft.
In der Wohnung der Flurbelag hat nur einen helleren Fleck, der Wohnzimmerteppich zwei Andenken, die nur ich weiß, die Küche und das Schlafzimmer blieben unberührt.
Doch der Balkon bekam eine Stelle, die ich raus schneiden musste. Vermutlich lag an dem Platz das Abwasser vom Kater nebenan, der aufdringlich bei uns turnte und mein Dercan fühlte sich genötigt, hier immer wieder sein Reviersignal zu markieren.
In den ersten Lernwochen für meinen Hund lernte ich auch etwas, nämlich dass meine Wohnung zu hoch liegt, ich liebte zuvor den Weitblick, doch jetzt geisterten durch meine Träume die 77 Stufen bis dahin. Dercan störten sie nicht, denn, laut Tierarzt musste er bis zum ½ Jahr getragen werden, damit sein Knochenbau gesund sich auswuchs. Dafür nahm ich Schmerzmittel, dass meine Hüften nicht aushakten, meine Arme nicht versteiften.
So verging der Sommer und der Herbst. Wir überlebten beide, die aufwendige, nicht schmerzfreie Fellpflege, Vergiftung, was ein Hund nicht kauen oder gar fressen darf. Auch Sitz und Platz gingen prima, nur der Leinengang blieb ein ständiger Meinungskampf.
Ich lernte noch, dass Hundebesitzer nicht immer auch Hundefreunde sind, ausgenommen die Tibethalter. Dercan will es nicht wissen, ob vier oder zwei Beine, bellend oder tretend, er versucht es immer wieder neu seine Nettigkeit darzubringen. Und wenn die Versuche fehlschlagen, dann erst recht.
Bei jedem vierbeinigen, wütend rasenden Haushüter hinter dem Gartenzaun bleibt er glucksend und devot stehen, dass ich mich schäme und am liebsten selber bellen würde. Nur zwei Hunden bislang gab er auf dem Parkweg Paroli, dass ich meinte eine reißerische Hyäne angeleint zu führen und überrascht von dem Löwenbrüllen seiner kleinen, sonst so unschuldsvollen Kehle war.
Wir zwei sind viel an der frischen Luft und meine Osteoporose nahm Abschied, was mir nicht leid tut. Ich war ihr zu stur, sie konnte Willen und Knochen nicht brechen. Eine neue Wohnung mit weniger Treppen haben wir uns letztes Jahr trotzdem genommen. Man soll das Glück nicht provozieren.
Mein Hund ist der einzige Herr im Haus, obwohl ich die Hosen trage. Dabei läuft er vor jeder flatternden Tüte mit eingeklemmter Rute weg. Zieht mich jedoch im Schnüffelwahn abrupt nach vorn oder hinten, normaler Gang langweilt ihn, genau wie Bänke und schöne Aussichten.
Wasser scheut er, außer in der Badewanne, wo er weit mehr duscht als ich. Oft kratzt er sich wie ein Bär, vermutlich aus Langeweile meint der Tierarzt, denn ich bin nach drei Stunden Unterwegssein zu müde zum Spielen. An jedem Stehpunkt auf den Wegen scharrt er wie ein Huhn pausenlos, dass die Erde stiebt.
Und soll er allein bleiben, die Wohnung zu hüten, sitzt er da und dickscht, wie ein überstimmter Ehemann und tut als ginge ihn die Wohnung absolut nichts an, denn er bellt auch nicht, wenn jemand klingelt. Gehen wir nach meiner Rückkehr später gemeinsam raus, rächt er sich mit intensivem Lesen jeder Grußbotschaft von einer Hündin und es muss Tausende geben.
Ich könnte eine Giraffe aus ihm machen, wär` ich roh genug, denn er stemmt die Vorderpfoten fest und stur in seinen Stehpunkt wie ein wilder Esel. Kein Rufen beeindruckt ihn, seine Ohren hat er wohl auf Aus geschaltet. Doch wenn zwei Tibeter sich treffen, ist der Tag voller Sonne, auch wenn es Bäche regnet.
Sie fallen sich in die Arme, necken und kosen sich und alles völlig lautlos, dass wir Halter immer aufs Neue überrascht sind. Kein Tag ist gleich, Dercan erfindet, abgewiesen, weil Frauchen ja auch mal schreiben muss, Beschäftigungsspiele mit seinen vier Pfoten, einem Stofffetzen oder Stückchen Papier, dass man entwaffnet die Stressmomente vergisst.
Sofern mich jemand fragt, was er tun soll gegen Einsamkeit, Krankheit und diverse Kalamitäten, rate ich: Kaufen Sie sich einen Hund!
Anmerkung der Redaktion: Frau Böhme war vom 01.02.2001 bis zum 28.02.2006 Mitglied der Redaktion.
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