www: Der Zugriff „liegt auf der Hand“
Bild: S. Hofschlaeger / pixelio.de
von Ursula A. Kolbe
www – das World Wide Web hat die Datenwelt verändert. Was sein Erfinder, der britische Physiker und Informatiker Tim Bernes-Lee, vor 30 Jahren nie im Sinn hatte. Er wollte nur etwas gegen Datenverlust tun, das Informationsmanagement seines Arbeitsgebers verbessern.
Der damals 33jährige, in London Geborene, hatte schon seit seiner frühen Kindheit mit Computern zu tun. Seine Eltern waren an der Entwicklung einer der ersten programmierbaren Computer beteiligt, dem Manchester Mark I. In Oxford studierte er Physik und fand ab Mitte der 1980er Jahre eine wissenschaftliche Heimat beim Cern, der Europäischen Organisation für Kernforschung mit Sitz in Meyrin, nahe Genf. Eine „wundervolle Organisation“, schrieb er in seinem berühmt gewordenen Papier, das er am 12. März vorgestellt hatte und heute als das Gründungsdokument des World Wibe Web gilt.
Ein großes Problem sei jedoch die hohe Fluktuation. „Bei einer typischen Beschäftigungsdauer von zwei Jahren gehen ständig Informationen verloren.“ Die Lösung dafür sah Berners-Lee in „vernetzten Informationssystemen“. Sie sollten nicht-hierarchisch organisiert sein, weil so der natürliche Informationsfluss von Mensch zu Mensch nachmodelliert werden könne. Und es sei so einfacher, Informationen wiederzufinden. Wenn jeder Nutzer Zugriff habe, müsse man nicht erst nach dem Gatekeeper suchen, der sein Herrschaftswissen manchmal mit in den nächsten Job nähme. Berners-Lee empfahl, die Daten auf Servern zu speichern. Nutzer könnten von ihren Computern auf diese Speicher zugreifen. Die Datenstruktur sollte mittels Hypertext organisiert werden und „Links“ zu anderen Dokumenten zulassen.
Dieser Vorschlag enthielt bereits wesentliche Merkmale des heutigen World Wibe Web. Und er war erfolgreich: Das Cern baute ein Datenmanagement-System nach den Vorgaben von Berners-Lee auf – wurde so zum Geburtsort des modernen Internets. Die Seite info.cern.ch gilt als weltweit erstes Webangebot. Allerdings sind die frühen Inhalte nur ab 1992 dokumentiert.
1994 gründete der Forscher dann am Massachusetts Institute of Technology MIT) das World Wide Web Consortium (W3C), dem er seitdem vorsteht. Das Gremium entwickelt technische Standards für das Internet, um einen möglichst breiten Konsens im Sinne der Nutzbarkeit des World Wibe Web zu erzielen. Die Weiterentwicklung der Hypertext Markup Language (HTML) fand auch unter dem Dach des W3C statt.
Heute ist Berners-Lee Professor an der University Oxford und am MIT. Und er macht sich Sorgen darüber, was aus dem Internet geworden ist. Zum 25. Jahrestag des Netzes im Jahr 2014 hatte er die Einführung eines internationalen Grundrechtekatalogs gefordert. Damals stand die netzpolitische Debatte unter dem Zeichen der Snowden-Affäre.
Heute, fünf Jahre später, sieht der Wissenschaftler die größte Gefahr in den Datenmonopolen der großen Plattformbetreiber. „Ich habe immer geglaubt, dass das Internet für alle da ist“, schrieb er Ende September 2018 in einem Blogeintrag. „Aber bei allem Guten, was wir erreicht haben, hat sich das Web zu einem Motor der Ungerechtigkeit und Spaltung entwickelt, beeinflusst von mächtigen Kräften, die es für ihre eigenen Zwecke nutzen.“
Um das zu ändern, hat Berners-Lee zwei neue Vorhaben auf den Weg gebracht. Bei dem Projekt „Solid“ (abgeleitet von „Social Linked Data) werden Werkzeuge und Konventionen für „dezentralisierte soziale Anwendungen“ erstellt. Ziel ist es u. a., das Nutzer von Webdiensten im Besitz ihrer Daten bleiben und damit „umziehen“ können. Möglich machen soll das eine Containerlösung. Alle Nutzerdaten werden auf Servern gespeichert, zu denen Apple, Facebook oder Amazon nur den Zugangscode haben.
Mit einem weiteren Start-up Inrupt will Berners-Lee ein kommerzielles Ökosystem aufbauen, in dem Tools und Standards von Solid zur Anwendung kommen. Der Gründer findet die Symbiose aus Open Scource und Kommerz wichtig. Beides soll zusammenkommen, die Energie der Open-Source-Gemeinde und die alles verändernde Kraft des Kapitalismus.
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