Vom Hoffnungsträger zum Innovationsmotor
Bild: Fraunhofer
von Ursula A. Kolbe
Wer war Josef von Fraunhofer, dessen Namen die Fraunhofer-Gesellschaft seit nunmehr sieben Jahrzehnten trägt? Nun: der bayerische Erfinder und erfolgreiche Unternehmer – er lebte von 1787 – 1826 – zählt zu den bedeutendsten Forschern der Technikgeschichte. Sein beruflicher Weg begann mit der Lehre als Glasschleifer, und er arbeitete dann als Optiker im „Mathematisch-mechanischen Institut“ im oberbayerischen Benediktbeuern.
Innerhalb weniger Jahre übertrug man ihm die Verantwortung für die Glasherstellung und das gesamte Institut. Dort schuf er nicht nur optische Instrumente von bis dahin nicht gekannter Qualität – die von ihm gebauten großen astronomischen Fernrohre waren weltweit gefragt -, sondern erreichte auch Anerkennung als Wissenschaftler. Er erforschte das Brechungsvermögen von Glas und die Beugung des Lichts und entdeckte dabei die Spektrallinien des Sonnenlichts („Fraunhoferlinien“).
Das in Kürze zum Namensgeber. Im Frühjahr 1949 gründeten Wissenschaftler mit Visionen und Forscherdrang die Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung e. V. in München, um die hiesige Wirtschaft neu mitaufzubauen. Während das Wirtschaftswunder in weiter Ferne lag und die Kinder in Trümmern spielten, stellten sich in einem Münchner Büro drei Enthusiasten der Herausforderung, die angewandte Forschung in Deutschland voranzubringen.
Immer mehr zu einer essenziellen Säule der Wissenschaftslandschaft in Deutschland entwickelte sich die Gesellschaft Mitte der 50er Jahre mit der Wahl von Hermann von Siemens zum Präsidenten sowie der Gründung der ersten Institute. Mitte der 60er Jahre wurde Fraunhofer offiziell zur Trägerorganisation für angewandte Forschung im deutschen Innovationssystem. Das Fraunhofer Modell der erfolgsabhängigen Grundfinanzierung erzeugte seit den 70ern jene Dynamik des Erfolgs, die bis heute anhält.
Strategische Initiativen für deutsche und europäische Wirtschaft und Gesellschaft
Das deutsche Wissenschaftssystem findet international Beachtung, die Leistungen im Industrietransfer, die Netzwerke zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik sind weltweit beispielhaft. Fraunhofer zählt aktuell mit 72 Institutionen und Forschungseinrichtungen, mehr als 26.600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, einem jährlichen Forschungsvolumen von mehr als 2,5 Milliarden Euro und zahlreichen internationalen Kooperationen zu den wirkungsstärksten Forschungsorganisationen.
Mehr als zwei Drittel ihres Budgets verdient die Fraunhofer-Gesellschaft durch Vertragsforschung selbst, etwa ein Drittel erhält sie als Grundfinanzierung von Bund und Ländern. Auf dieser Basis und mit der klaren Ausrichtung auf neue Technologien und Märkte ist die Gesellschaft zum Innovationsmotor der deutschen Wirtschaft geworden: Vom Airbag bis zur weißen LED, vom Kautschuk aus Löwenzahn bis zur mp3-Technologie reichen die Erfindungen und Entwicklungen.
Mit der Agenda 2022 hat die Fraunhofer-Gesellschaft eine Roadmap für ihre Forschungsaktivitäten definiert. Ein wichtiges Ziel ist die Entwicklung umfassender technologischer Systemlösungen für den Standort Deutschland. Dazu wurden „Prioritäre Strategische initiativen“ (PSI) zu sieben wichtigen Forschungsthemen ins Leben gerufen. Darin bündelt die Gesellschaft die Kompetenzen ihrer Institute, um umfassende Systemlösungen zu erarbeiten. Kognitive Systeme, Künstliche Intelligenz und Datensouveränität, Batteriezellfertigung, Programmierbare Materialien, Quantentechnologie, Translaterale Medizin, Öffentliche Sicherheit und die Biologische Transformation bilden den aktuellen Themenkanon.
Schon 1990 Neugestaltung der Forschungslandschaft
Mit der deutschen Wiedervereinigung hatten sich unerwartete Chancen auf neue Expansion eröffnet. „Mutig und schnell engagiert wie keine andere Forschungsorganisation wagte sich die Fraunhofer-Gesellschaft schon 1990 an die Neugestaltung der Forschungslandschaft in der sich auflösenden DDR“, hatte Präsident Prof. Reimund Neugebauer in der Sonderausgabe 2/17 zu 25 Jahren Fraunhofer im Jahre 2017 in den neuen Bundesländern konstatiert.
Und weiter: “Tausende von Forschenden aus den Instituten der Akademie der Wissenschaften, aber auch aus den Hochschulen der Industrie, standen vor einer unsicheren Zukunft. Sie suchten dringend nach einer zukunftsfähigen Perspektive und erfahrenen Partnern, die helfen konnten, sich unter den neuen Rahmenbedingungen zurechtzufinden. Die Fraunhofer-Gesellschaft bot sich aus zwei Gründen an: Sie setzte auf das vorhandene Potenzial, und sie hatte die Kraft, für wettbewerbsfähige Startbedingungen zu sorgen….
Fraunhofer setzte auf die Menschen. Der direkte Kontakt ermöglichte eine schnelle Beurteilung, welche Forschergruppen für die Aufnahme geeignet erschienen. Und es wurden Forscherinnen und Forscher gefunden, die ihre Leistungsfähigkeit beweisen, Eigenverantwortung übernehmen und das Wagnis einer Neugründung eingehen wollten. Gemeinsam entstanden so an vielen Orten Konzepte für einen Neuanfang.
Dennoch war es ein gewaltiger Kraftakt für alle Beteiligten in Ost und West, als am 1. Januar 1992 insgesamt 21 Institute und Außenstellen eröffnet werden konnten. Möglich war das nur, weil alle Beteiligten von starken Emotionen beflügelt wurden.
Eine problemlose, erfolgreiche und erstaunlich schnelle Integration gelang. Schon nach wenigen Jahren konnte die Befristung der neuen Einrichtungen aufgehoben werden, und es dauerte gerade mal vier Jahre, bis die Fraunhofer-Gesellschaft den Unterschied zwischen Ost- und West-Instituten aufheben konnte, weil sie dieselben Finanzstrukturen mit einem hohen Anteil an Wirtschaftserträgen erzielt hatten.
Sie hatten das erreicht, was der Wirtschaft in den neuen Ländern noch lange versagt blieb: Den Anschluss an das Westniveau zu schaffen und sich im nationalen und internationalen Wettbewerb zu behaupten. … Die Institute halfen mit, den Maschinen- und Anlagenbau in Sachsen und Thüringen wiederaufzubauen, die Optik in Jena, die Produktionstechnik in Magdeburg, die Mikroelektronik in Dresden und Halle, die Gesundheitsforschung in Leipzig. Auch in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern trugen Fraunhofer-Einrichtungen bei, eine zukunftsfähige Wirtschaft aufzubauen…. alle Fraunhofer-Institute in der Bundesrepublik sind wahre Leuchttürme der Entwicklung unserer Zivilgesellschaft. Wir dienen nicht allein nur wirtschaftlichen Interessen, sondern der gesamten Gesellschaft.“
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