Große Namen – vergessen?!
Bild: Skeiworker / pixelio.de
von Waltraud Käß
Das nebenstehende Foto zeigt den wohl bekanntesten und gefährlichsten, mit gemessenen 8.848 m höchsten Berg der Erde. Woher weiß die Menschheit, dass der Berg genau diese Höhe hat? Das wird dieser Beitrag versuchen zu klären. An ihm haben sich Wissenschaftler, Extrem-Bergsteiger, in der Neuzeit auch Abenteuer-Touristen mit dem nötigen Kleingeld erprobt, um ihn zu besteigen und zu bezwingen. Manchem ist das erfolgreich gelungen, viele haben dafür mit ihrem Leben bezahlt. Aber das ist das Risiko, welches Alle kalkulieren müssen, die sich auf dieses Abenteuer einlassen. Trotzdem war derReiz so groß, auf dem Dach der Welt zu stehen, dass man dieses Wagnis einging.
Die Erstbesteigung dieses majestätischen Berges erfolgte durch den Briten Edmund Hillary und seinen Sherpa Tenzing Norgay am 29. Mai 1953. Der bekannteste deutsche Erstbezwinger war Reinhold Messner. Ihm gelang es, am8. Mai 1978 zusammen mit Peter Habeler, den Gipfel zu besteigen.
Zum Andenken an den Meister
Auf Nepali heißt der Berg im Gebirge des Himalaya „Sagarmetha“, auf tibetisch ennt man ihn „Qomolanama“. Bekannt ist auch der Name „Tschomolungma“. Im Mai 1856 schrieb Andrew Scott Waugh, der Leiter der Großen Trigonometrischen Vermessung in Indien in einem Brief, der der Royal Geographiecal Society Englands vorlag „… ich habe gelernt, dass jedes geographische Objekt den Namen erhalten soll, den ihm die Menschen vor Ort gegeben haben. Für diesen Berg konnten wir aber keinen Namen ausfindig machen. Zum ewigen Angedenken an den Meister der präzisen geographischen Forschung schlage ich vor, ihn Mount Everest zu nennen.“
Der Einwand des damaligen britischen Gesandten in Kathmandu, dass die einheimische Bevölkerung diesen Berg „Dévadúngha“, den „heiligen Berg“ nennt, wurde nicht zur Kenntnis genommen.
Wer also verbarg sich hinter dem Namen Everest, dass man ihm die Ehre zuteil werden ließ, dem höchsten Berg der Erde seinen Namen zu geben? Welche außergewöhnlichen Leistungen hatte er vollbracht?
George Everest war ein Geodät, einfach ausgedrückt, ein „Landvermesser“. Geboren im Jahre 1790 in Wales, durchlief er einige Jahre später eine Ausbildung an der Royal Military Academy. Im Jahre 1806 trat er als Kadett in die Dienste der East India Company und wurde im gleichen Jahr nach Indien entsandt. Im Rahmen seiner Ausbildung war er zwei Jahre an der Vermessung der Insel Java beteiligt und leitete den Bau einer Telegraphenleitung von Kalkutta nach Benares.
1817 wurde Everest zum Assistenten der Großen Trigonometrischen Vermessung berufen und wurde 1823, also mit 33 Jahren, deren Leiter. 1832 setzte er die arbeiten seines Vorgängers an der Meridiangradmessung fort, die sich von der Südspitze Indiens bis zu den Ausläufern des Himalayas über 21° erstreckte, und beschäftigte sich auch dreizehn Jahre lang mit der allgemeinen Vermessung Indiens.
Öllampen halfen bei Peilung
Doch wie vermisst man ein Land, eine Fläche mit Küsten, Buchten, Halbinseln,
Bergen, Tälern? In Wikipedia wird die Fläche Indiens mit 3.287.469 km² angegeben. Unter den damaligen Bedingungen brauchte es wohl Kreativität und athematisches Denken. George Everest arbeitete mit einem so genannten eisernen Raster, bei dem Dreiecksserien entlang der Längen- und Breitengrade vermessen wurden, die immerhin eine Kantenlänge von 130 km bis teilweise 220 km erreichten.
Er entwickelte spiegelverstärkte Öllampen, die er auf hoch gelegenen Vermessungstürmen anbringen ließ, an denen entlang die Peilung erfolgte. Welche komplizierten Arbeitsvorgänge sich hinter dieser vereinfachten Darstellungverbergen, können wohl nur Fachleute einschätzen. Die gesamten Vermessungsarbeiten des Landes als auch später der Himalaya-Region waren auch ein tödliches Unterfangen. Malaria und andere Krankheiten dezimierten die Vermessungstrupps.
Als Messinstrument setzte Everest dabei einen Theodolit, ein Winkelmessinstrument ein, damals noch ein Ungetüm, welches auf die Berge geschleppt werden musste. Dieser Theodolit wurde erstmals 1769 in einer englischsprachigen, wissenschaftlichen Publikation erwähnt, wobei man annimmt, dass der Name aus dem Griechischen stammt und drei Begriffe in ihm vereint sind, nämlich theos=Gott“, „döron=Geschenk“ und „Lithos=Stein“. Die Vermessungsarbeiten von Everest endeten an den Ausläufern des Himalaya, der in einer Entfernung von etwa 900 km nicht zu sehen war.
Gipfelvermessung — noch ohne PC
Unzweifelhaft hat George Everest einen großen Beitrag zur Vermessung der
Erde geleistet. Doch die Ironie der Geschichte ist, dass er den Himalaya und den Berg, der seinen Namen trägt und zunächst als Peak XV benannt war, nie gesehen, geschweige ihn vermessen hat. Eigentlich müsste der Berg einen anderen Namen tragen.
Radhanath Sikdar war der mathematische Gehilfe von George Everest und nach dessen Eintritt in den Ruhestand in der Hierarchie aufgestiegen. Er befasste sich mit der Vermessung der Gipfel des Himalayas, versuchte Fehlerquellen wie Lichtbeugung, Temperatur- und Luftdruckschwankungen zu korrigieren und die Ergebnisse zu präzisieren. Das erforderte umfangreiche mathematische Berechnungen (ohne Rechenschieber und ohne Computer). 1852 kam er zu dem Ergebnis, dass der damals als Peak XV bekannte Gipfel mit 29.002 Fuß = 8.840 m der höchste Berg der Erde sein müsse. Zunächst glaubte man ihm nicht. Zahlreiche Überprüfungen und Kontrollrechnungen folgten, die das Ergebnis bestätigten. Darum wurde erst am 1. März 1856 die Öffentlichkeit informiert.
Im Laufe der folgenden Jahrzehnte wurde die Höhe des Berges korrigiert und auf 8.848 m präzisiert. Wie nahe war sein Vermesser Sikdar diesem Ergebnis doch gekommen. Aber für die Namensgebung „seines Berges“ hätte er in dieser Zeit Unterstützung gebraucht. Er wird sie wohl nicht gesucht haben, denn diese Suche wäre erfolglos geblieben. Indien war eine britische Kolonie. Das Königreich Großbritannien übte im 19. Jahrhundert die vollständige politische Kontrolle darüber aus. Da konnte es nicht sein, dass man den höchsten Berg der Erde Mount Sikdar nannte.
Seine Unabhängigkeit erreichte Indien erst wieder im Jahre 1947. Auch hier könnten große Namen wie Mahatma Gandhi oder Jawaharlal Nehru in die Geschichte eingeführt werden. So stecken hinter vielen großen Namen oder Ereignissen mitunter spannende oder ungewöhnliche Geschichten. Nicht alles ist so, wie es von weitem aussieht.
SeniorenServiceBüro
Sozialkommission
- Tel.: (030) 90293 4371
- Fax: (030) 90293 4355
- E-Mail SeniorenServiceBuero@ba-mh.berlin.de
Sonder-Sozialkommission
Redaktion Spätlese
Leiter: N.N.