100 Jahre Bauhaus und der Weg in die Moderne
Bild: Klassik Stiftung Weimar
von Ursula A. Kolbe
Das Bauhaus – 1919 in Weimar gegründet, 1925 nach Dessau umgezogen und 1933 in Berlin unter Druck der Nationalsozialisten geschlossen – bestand als Einrichtung nur 14 Jahre. Jetzt, im 100. Gründungsjahr, stehen landesweit viele Initiativen und Aktivitäten im Blick, die Zeugnis vom Heute geben.
So vermittelt einen vielschichtigen Eindruck das Themenjahr der Deutschen Zentrale für Tourismus unter dem Motto „Grand Tour der Moderne – 100 Orte“, eine konzipierte Route durch die Kulturgeschichte der letzten 100 Jahre in Deutschland.
Heute leben wir in einer Welt voller Kreativität, Inspiration und Gestaltungswillen, sehen Architektur und ihre Geschichte als Impulsgeber für Städte- und Kulturreisen, in denen Bauhaus-Meister um dessen Gründer Walter Gropius (1883 -1969) wirkten. Der offizielle bundesweite Startschuss des Bauhausverbundes zum 100. Gründungstag des Bauhauses fällt mit dem Eröffnungsfestival am 16. Januar in Berlin.
Doch werfen wir zuerst einen Blick in das Ursprungsland Thüringen, wo 1919 mit dem Staatlichen Bauhaus zu Weimar die später weltberühmte Architektur- und Kunstschule begründet wurde. Hier begann vor 100 Jahren ein Experiment, das die Art, wie wir über Architektur, Handwerk und Kunst denken, radikal verändert hat. Sie war Ausdruck und Vorreiter einer international ausstrahlenden Bewegung der Moderne und gilt heute als der wirkungsvollste deutsche Kulturexport des 20. Jahrhunderts.
Ministerpräsident Bodo Ramelow und Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee werten dieses Jubiläum als politisch, kulturell und touristisch herausragendes Ereignis für den Freistaat Thüringen. Es biete darüber hinaus die einmalige Chance, die vielfältige Wirkungsgeschichte des Bauhauses einer breiten Öffentlichkeit erlebbar zu machen.
Staatliches Bauhaus in Weimar wurde Zentrum der europäischen Avantgarde
Walter Gropius, Gründungsdirektor der Kunstschule, stellte höchste Ansprüche an die Lehrkräfte am Staatlichen Bauhaus in Weimar. Er holte zahlreiche renommierte internationale Künstler, Architekten und Handwerker in das beschauliche Thüringer Städtchen, das sich fortan zum Zentrum der europäischen Avantgarde entwickelte. Zu den Bekanntesten gehörten Oskar Schlemmer, Paul Klee und Lyonel Feininger. Ebenfalls ungewöhnlich: Hier am Bauhaus lernten und lehrten viele Frauen.
Marianne Brandt z. B., die in der Metallwerkstatt wichtige Impulse setzte, oder die Textilkünstlerin Anni Albers, die auch heute noch internationale Designer und Modemacher inspiriert.
Dazu gehöre, so erinnerte Ramelow, auch die Erinnerung an die erzwungene Emigration wichtiger Protagonisten, wie Gropius, Kandinsky und Klee, ins Ausland und damit verbundenen intellektuellen und kulturellen Verlust für unser Land in den zwanziger und dreißiger Jahren. „Nie wieder dürfen nationale Engstirnigkeit und dumpfe Intellektuellenfeindlichkeit die Oberhand über künstlerische Freiheit und kulturellen Fortschritt erlangen.
Jetzt steht eine inspirierende Entdeckungsreise –mit Höhepunkten wie der Eröffnung des neuen bauhaus museum weimar sowie der Grand Tour der Moderne im Blick. Das neue Museum der Klassik Stiftung Weimar öffnet am 6. April 2019 – im Gründungsmonat des Bauhauses – im Rahmen gemeinsamer Festwochen von Stiftung, Staat und der Thüringer Staatskanzlei erstmals seine Türen.
Auch in den umgebenden Städten Jena, Erfurt, Gera sowie dem Weimarer Umland erzählen eine Vielzahl von architektonischen Zeugnissen, historischen Schauplätzen, Ausstellungen und Veranstaltungen von der wechselvollen Geschichte des Bauhauses und der Moderne.
Ebenso wird das von Georg Muche entworfene „Haus Am Horn“ nach Sanierungsarbeiten ab Mai wieder für die Öffentlichkeit zugänglich sein. Als einzige in Weimar realisierte Bauhaus-Architektur gehört es zum UNESCO-Welterbe „Bauhaus und seine Stätten in Weimar, Dessau und Bernau“. Wesentliches kulturtouristisches Projekt ist die Grand Tour der Moderne Thüringen, die von der Staatskanzlei und der Thüringer Tourismus GmbH (TTG) entworfen wurde und Kulturinteressierte rund 30 Architekturobjekte der Moderne in Thüringen entdecken lässt. (Dazu ab Frühjahr ein Informationsflyer und App „Thuringia. MyCulture“).
Die Publikation „1919-2019 – Die Moderne in Thüringen“ stellt Menschen vor, die vor 100 Jahren in Thüringen Geschichte geschrieben haben. Auf 128 Seiten werden spannende Geschichten und Begebenheiten erzählt sowie Orte, Personen und Designikonen vorgestellt, die alle Anfang des 20. Jahrhunderts relevant waren. Das Buch ist auf Messen oder Ausstellungen erhältlich und kann auf der Seite des Landesmarketings bestellt werden (www.das-ist-thueringen.de/Bauhau).
In Kooperation mit SPIEGEL TV sind zudem sechs Kurzfilme entstanden, die verschiedene Aspekte des Thüringer Bauhauses beleuchten – von Henry van de Velde über Frauen am Bauhaus bis hin zum globalen Vermächtnis der Architektenschule.
Im Jubiläumsjahr bietet Thüringen eine Entdeckungsreise zu Originalschauplätzen, neuen Museen und mehr als 50 Ausstellungen, Festen und Veranstaltungen. Passend dazu die „Bauhaus Card“, eine von der TTG und Klassik Stiftung Weimar initiierte Gästekarte, rund um das Bauhaus-Jubiläum, mit der rund 70 Einrichtungen besucht werden können. – Wer in Thüringen auf Reisen geht, trifft nicht nur auf die Überlieferungen der internationalen Kunstavantgarde von damals, sondern auch auf inspirierende Gestalter von heute und morgen. (s.a. www.bauhaus100.de; www.klassik-stiftung.de/einrichtungen/museen/bauhaus-museum-weimar.de; www.thueringen-entdecken.de)
Berlin – in bester Bauhaus-Tradition
Auch das ganzjährige Berliner Programm 100 Jahre bauhaus in Berlin sowie das stadtweite Festival bauhauswoche berlin 2019 vom 31. August bis zum 8. September feiern das Jubiläum in bester Bauhaus-Tradition: experimentell, vielseitig, transnational und radikal zeitgemäß. Das biete allen die Möglichkeit, weit mehr als nur diese eminent bedeutende Kunstschule zu feiern, betonte Dr. Klaus Lederer, Senator für Kultur und Europa und Kuratoriumsvorsitzender des Bauhaus Verbundes 2019, lebe es doch nicht nur in vielen Produkten fort, sondern vor allem durch seine demokratischen Ziele: eine demokratische Gesellschaft, die offen, vielfältig und international ist.
Die Jubiläumsausstellung „original bauhaus“ vom Bauhaus-Archiv / Museum für Gestaltung zeigt in der Berlinischen Galerie ausgehend von 14 Objekten deren jeweiligen Fallgeschichten. Das multi- und interdisziplinäre Programm des Eröffnungsfestivals in der Akademie der Künste geht auf Spurensuche nach den performativen Werken und Theorien des Bauhauses.
Die globalen Verflechtungen des Bauhauses erkundet die Ausstellungs- und Veranstaltungsreihe bauhaus imaginista mit vier unterschiedlichen Ausstellungen aus China, Japan, Russland und Brasilien, die das Haus der Kulturen in einer großen Gesamtschau zusammenführt und um ein Vermittlungsprogramm ergänzt.
Das Mies van der Rohe Haus in Berlin-Lichtenberg bietet nicht nur regelmäßig Führungen durch Haus und Garten an, sondern es lädt zeitgenössische Künstler(innen) ein, die Konzepte des Bauhauses weiterzuentwickeln, um dessen heutige Relevanz zu zeigen.
Die Ausstellung tracking talents über Modedesign im Kunstgewerbemuseum führt die Utopie von „neuer“ Bildung und „neuen“ Produktionsprozessen weiter. Junge Mode-Designer(innen) der Hochschulen in Berlin-Weißensee, Trier, Helsinki und Paris präsentieren ihre Entwürfe, die von Textilunternehmen in Thüringen gefertigt werden.
Das stadtweite Festival bauhauswoche berlin 2019, konzipiert von der landeseigenen Gesellschaft Kulturprojekte Berlin, lädt u. a. mit einer Schaufensterausstellung von Einzelhandelsgeschäften zur Auseinandersetzung mit der Geschichte der Kunst-, Design- und Architekturschule im öffentlichen Raum ein.
Gerahmt von der Langen Nacht der Museen am 31. August und dem Tag des offenen Denkmals am 8. September werden neun Tage lang die Gestaltungs- und sozialen Ideen des Bauhauses mit der bauhauswoche berlin 2019 in die Stadt getragen – von Ausstellungen über künstlerische Performances bis zum Gymnastikunterricht.
Im gläsernen Festivalzentrum auf der Mittelinsel des Ernst-Reuter-Platzes z. B. kann im Herzen der autogerechten Stadt das Ideal des modernen Städtebaus mit der umgebenden Wirklichkeit abgeglichen werden. Der Pavillon mitten im Stadtverkehr ist zugleich Veranstaltungsort.
In der ganzen Stadt befassen sich Satelliten der bauhauswoche 2019 mit der Schule und ihrem Wirken. In Architektur- und Designbüros, Druckwerkstätten, Museen und bei Typographen ermöglicht die Reihe Bauhaus –Praxis – Gegenwart den Gästen mit Vorträgen und Workshops Einblicke in die Arbeitsweisen von Menschen, die sich heute mit dem Bauhaus auseinandersetzen. Weitere Infos: bauhaus100.berlin; bauhaus100.de/programm; bauhaus.de/de/jubilaeum.
„Auch Brandenburg ist Bauhaus-Land“
Mit diesen Worten hat Kulturministerin Martina Münch das Programm im Land für das Jubiläum vorgestellt. Zu den Bauhausstätten gehören etwa der Einsteinturm in Potsdam, die Luckenwalder Hutfabrik von Erich Mendelsohn und die ehemalige Bundesschule in Bernau. In der seit 2017 zum UNESCO-Weltkulturerbe zählenden ehemaligen Schule des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes soll am 10. Mai der offizielle Auftakt des Brandenburger Programms zum 100. Jubiläum der Kunst- und Designschule gefeiert werden.
Das schlicht gestaltete Gebäude mit seiner lichtdurchfluteten Mensa und dem durch die Bauhaus-Architektur geprägten Glasgang wird auch eine Station der bundesweiten „Grand Tour der Moderne“ sein, die die Besucher an 100 ikonische Orte der Architekturgeschichte führt.
Darauf, wie sich die Kulturpolitik der DDR zur Experimentierschule Bauhaus verhielt, geht das Dokumentationszentrum Alltagskultur der DDR Eisenhüttenstadt (Landkreis Oder-Spree) in Zusammenarbeit mit der Kunsthochschule Weißensee in einer Sonderausstellung ein. Unter dem Titel „Alltag formen! Bauhaus-Moderne in der DDR“ soll vom 7. April bis zum 5. Januar 2020 der Bauhaus-Einfluss in der DDR thematisiert werden. Auch wolle das Haus dabei „eine Brücke ins heute“ schlagen, so die Leiterin Florentine Nadolni.
Eines sei noch angemerkt: Der weltbekannte Reiseführer „Lonely Planet“ kürte kürzlich Deutschland zu den zehn Top-Urlaubszielen 2019. Der Hauptgrund für Platz zwei auf der Hitliste war für viele sicher überraschend. Denn als Gründe, warum man Deutschland in diesem Jahr besuchen sollte, werden u. a. das 30. Jubiläum des Mauerfalls und vor allem der 100. Jahrestag der Bauhaus-Gründung genannt.
„Ein Jahr lang wird das Jubiläum dieser Geburtshelferin der Moderne – gegründet in Weimar 1919 und nach einer Blütezeit in Dessau von den Nazis 1933 in Berlin faktisch verboten – gefeiert“, heißt es über die Architektur- und Designschule Bauhaus, die eine ästhetische Bewegung losgetreten habe, deren Erschütterung noch heute weltweit spürbar seien. „Glanzvolle neue Museen öffnen in den drei Städten, dazu gibt es jede Menge begleitende Events und Ausstellungen im ganzen Land.“
„Lonely Planet“ kürt jedes Jahr zehn „beste“ Länder, Regionen und Städte. „Jeder Ort, jede Region, jedes Land steht für sich selbst, feiert etwas Einmaliges oder wurde einfach zu lange übersehen“, stellt Uta Niederstraßer von „Lonely Planet Deutschland“ beim Verlag Mair Dumont fest. Unter den Top 10 der Städte weltweit ist Deutschland allerdings nicht vertreten. Top-Empfehlung ist die dänische Hauptstadt Kopenhagen, gefolgt vom „Silicon Valley Chinas, Shenzhen, und Serbiens zweitgrößter Stadt Novi Sad.
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