Luther, die Reformation und das Asisi – Panorama
Bild: Tom Schulze/asisi
von Ursula A. Kolbe
Wenn man inmitten eines Asisi-Panoramas steht, ist man immer wieder überwältigt, wird Geschichte lebendig. Jüngst in Wittenberg erging es mir nicht anders. Hier hat Yadegar Asisi eine Persönlichkeit und sein Wirken besonders in den Blick gerückt: Den Mönch und Gelehrten Martin Luther. Vor 500 Jahren, genau am 31. Oktober 1517, hat er seine 95 Thesen zur Reformation der (katholischen) Kirche an das Nordportal der Schlosskirche geschlagen. Ein Pergament, handschriftlich und in Latein gegen den Missbrauch des kirchlichen Ablasshandels.
So nahm die Reformation in Wittenberg ihren Lauf. Sie gilt als Beginn einer weltweiten Bewegung, die vor allem in Deutschland unauslöschliche Spuren hinterließ. Die Reformation prägte neben Kirche und Theologie auch Kultur und Wissenschaft, Wirtschaft und Politik, Sprache und Bildung. Während der Lutherdekade mit einer Veranstaltungsreihe, die am 21. September 2008 begann, und nun mit dem 500. Jahrestag des Luther‘schen Thesenanschlags in Wittenberg seinen Höhepunkt erreicht, wurde auch angeknüpft an historische Gedenktage wie dem 450. Todestag von Philipp Melanchthon oder dem 500. Geburtstag von Lucas Cranach d. J. Sie nahm Impulse der Reformation auf, die bis in die Gegenwart reichen.
Rundblick über 30jährigen Zeitraum
Nun also stehen wir vor dem Highlight des 500. Lutherjahres in der Altstadt der Lutherstadt Wittenberg, dem Asisi-Panorama mit dem Reformator Luther im Blickpunkt. Der Schöpfer hat es mit seinem Kollektiv wieder einmal verstanden, die Besucher zu fesseln. Andächtig schauen sie von der Plattform (bis ins Zwischengeschoss mit dem Lift erreichbar) in die Runde, nehmen jedes Detail auf, das sich dieser Epoche vor 500 Jahren widmet, als in ganz Europa Reformatoren, Gelehrte und Studenten zu einer Reform der katholischen Kirche drängte.
Dargestellt wird ein Zeitraum von etwa 30 Jahren, in denen sich in der kleinen Residenz- und Universitätsstadt Wittenberg weltbewegende Ereignisse abspielten. Die Thesen an der Schlosskirche setzten eine dramatische Bewegung in Gang, die die Welt bis heute prägt.
Das Panorama entrollt seine Szenerie vom Wittenberger Schlossplatz aus. Von dort blickt der Betrachter aus sechs Metern Höhe auf das Geschehen. Im geschäftigen Treiben der Stadt sind diskutierende Reformatoren und katholische Geistliche zu erkennen, dort sind Studenten wie das einfache Volk, das in den Straßen krämert oder handwerklichen Arbeiten nachgeht. Neben den bettelnden Ärmsten, fahrenden (Ablass-)Händlern und Honoratioren der Stadt ist auch der Kurfürst von Sachsen auszumachen, der mit seinem Gefolge zur Jagd reitet.
Martin Luther kann in verschiedenen Szenen – und Lebensaltern – entdeckt werden. Dabei fügen sich die einzelnen Szenen in Yadegar Asisis Panorama zu einem athmosphärischen Ganzen der Reformationszeit in Wittenberg. Zu dieser Präsentation des 360Grad-Panoramas wurde an der Lutherstraße 42 (Ecke Wilhelm-Weber-Straße) eigens eine Rotunde errichtet, die das etwa 15×75 Meter große Werke beherbergt. Die an sakralen Werken orientierte Begleitmusik von Eric Babek, gepaart mit eingesprochenen Kommentaren, die während unseres Aufenthalts leider nur sehr schwer zu verstehen sind, rundet die Zeitreise ab.
Wittenberg sei für lange Zeit ein weißer Fleck gewesen, so Yadegar Asisi, er habe mehr über Thomas Müntzer gewusst als über Martin Luther. „Der Thesenanschlag von 1517 war zunächst ein kleiner Prozess, der im Rückblick eine Lawine auslöste“, erklärte Asisi. Heute bedürfe es einer permanenten Erneuerung. Er habe das Thema losgelöst vom kirchlichen Gedanken umgesetzt, eben weil Reformation ein ständiger Prozess sei. Wir leben hier in einer Gesellschaft, sagte er weiter, die in der Welt Ihresgleichen sucht, die immer wieder verteidigt und weiterentwickelt werden muss.
Keine andere Stadt ist so eng mit dem Leben und Wirken Martin Luthers verbunden wie Lutherstadt Wittenberg. Hier nahm die Reformation ihren Anfang, hier vollendete er sein Leben. Die Schlosskirche mit der berühmten Thesentür, die Wohnhäuser von Luther und Melanchthon, die Stadtkirche als Luthers Predigtstätte und die Cranachhöfe sind steinerne Zeugen einer beeindruckenden Epoche.
Überhaupt viele Lutherstätten, insgesamt weit über 30, stehen vor allem seit der Lutherdekade ab 2008 im Blickpunkt der Öffentlichkeit, konnten Spuren des Mannes entdeckt werden, der als streitbarer Theologe und Rebell rast- und ruhelos durch das Land reiste. Einige der herausragenden Stationen sind Eisleben, seine Geburtsstadt (10.11.1483), der Sterbeort Wittenberg (18.2. 1546), Heimat für mehr als 35 Jahre seines Lebens, und die Wartburg in Eisenach, wo er das Neue Testament ins Deutsche übersetzte. 1505 schloss er sein Studium als Magister in Erfurt ab und trat bald darauf ins Kloster ein; 1508 setzte er in Wittenberg sein Theologiestudium fort.
1512 wurde er an die Universität Wittenberg berufen. Es waren die Ablassbriefe dieser Zeit, die für Luther schließlich Anlass seiner Thesen waren. 1518 leitete die Kirche gegen den Priester eine Untersuchung wegen Ketzerei ein, 1521 wurde die Reichsacht über ihn verhängt. Nunmehr „vogelfrei“ suchte er auf der Wartburg Zuflucht.
Doch schon im März 1522 kehrte Luther nach Wittenberg zurück: die Reformation ließ sich nicht mehr aufhalten. Luther heiratete die frühere Nonne Katharina von Bora. Mit ihren Kindern, Verwandten, Angestellten und Studenten lebte das Ehepaar in Wittenberg, und als Luther 1546 starb, hinterließ er eine Welt, die eine andere geworden war.
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