Das Bundesarchiv – und seine Dienststelle in der Finckensteinallee 63
Bild: Waltraud Käß
von Waltraud Käß
„Wer schreibt, der bleibt“ oder „Was Du schwarz auf weiß besitzt, kannst Du getrost nach Hause tragen.“ Oftmals verwendete und bekannte Zitate, die uns von ihrer Bedeutung her darauf hinweisen, dass Menschen oder Gruppen, die etwas aufgeschrieben haben, dieses aufbewahren und hinterlassen wollen, damit es nicht in Vergessenheit gerät.
Das gilt für persönliche und amtliche Schriftstücke ebenso wie für Aufträge, Rechnungen oder Quittungen. Wer z.B. eine solche besitzt, kann nicht mehr übers Ohr gehauen werden. Eine Erbschaftsurkunde oder eine heutige Baugenehmigung sollte man auch „schwarz auf weiß“ besitzen. Wenn auch der Trend zum „papierlosen“ Büro weist, werden neben ihm schriftliche Unterlagen weiterhin existieren, dessen bin ich mir zumindest bei der deutschen Bürokratie sicher.
Und so hat sich seit der Entstehung der Schrift vor 5500 Jahren eine Menge an Schriftgut auf Stein, Tontafeln, Leder-, Leinwand-, Papyros- und Pergamentrollen und letztlich auf unserem heute verwendeten Papier oder anderen Datenträgern angesammelt, welches in Sammlungen, Museen oder eben auch in Archiven seit Jahrtausenden aufbewahrt wird. Wie auch sonst wüssten wir heute, was unsere Vorfahren vor langer, langer Zeit gedacht und getan haben? Für wissenschaftliche Forschungen sind diese Überlieferungen ein einziges Eldorado und sie werden intensiv genutzt.
In der Bundesrepublik Deutschland gibt es eine Vielzahl von Archiven. Eine nicht vollständige Übersicht zeigt denkbare Archive, in denen sich das jeweils relevante Schriftgut befindet. Neben Kirchenarchiven gibt es Parteiarchive, Medienarchive, Unternehmensarchive, Verbandsarchive usw. Auf staatlicher Ebene finden wir z.B. Stadtarchive, Kreisarchive, Parlamentsarchive und Staatsarchive in den einzelnen Bundesländern entsprechend dem föderalen System.
In den letzten Beiträgen habe ich die Geschichte der Finckensteinallee 63 beschrieben. Jetzt möchte ich ihnen die Institution vorstellen, die nunmehr Hausherr und Nutzer dieser Liegenschaft ist – Das Bundesarchiv.
„Das Bundesarchiv sichert die Überlieferung zentraler Organe der Bundesrepublik Deutschland, der Deutschen Demokratischen Republik, des Deutschen Reiches und des Deutschen Bundes. In seinen Lesesälen und im Internet stellt das Bundesarchiv diese Unterlagen für die Erforschung der deutschen Geschichte, für die Sicherung von Bürgerrechten und als Informationen für Gesetzgebung, Verwaltung oder Rechtsprechung zur Einsicht und Auswertung bereit.“ (Heft: Das Bundesarchiv/2012) Wäre noch zu erwähnen: Das Bundesarchiv arbeitet nach den Bestimmungen des Bundesarchivgesetzes.
In Teil IV der Geschichte der Finckensteinallee 63 konnten sie lesen, dass das Bundesarchiv im Jahre 1952 in Koblenz begründet wurde. Dieser Standort ist nach dem Jahre 1990 auch sein Hauptsitz geblieben. Schwer verständlich, weil die Hauptakteure der Regierung inzwischen ihren Sitz in Berlin haben. Es gibt weitere Standorte, in denen entsprechend der ansässigen Abteilung(en) das überlieferte Schriftgut oder Filmgut aufbewahrt, bearbeitet und der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt wird.
In Koblenz gehören zu den archivischen Beständen die zentralen zivilen staatlichen Überlieferungen der Bundesrepublik seit 1949, das schließt die westlichen Besatzungszonen zwischen 1945 – 1949 mit ein. Weiterhin befindet sich im Archiv persönliches Schriftgut von Einzelpersonen, so genannte Nachlässe. Zu nennen wären hier beispielsweise die Bundespräsidenten Theodor Heuss, Heinrich Lübke, Carl Carstens oder Richard von Weizsäcker.
Ein notwendiges Zwischenarchiv befindet sich in Sankt Augustin-Hangelar. Hier wird ministerielles Schriftgut der obersten Bundesbehörden als eine Dienstleistung des Bundesarchivs zwischengelagert, weil diese Aktenbestände immer noch als Dienstakten genutzt, aber bereits für die Archivierung vorbereitet werden können. Das gleiche gilt für ein weiteres Zwischenarchiv für die Behörden im Raum Berlin, in Hoppegarten. In der Stadt Freiburg ist das Militärarchiv beheimatet. Hier befinden sich die Aktenbestände der preußischen Armee, der kaiserlichen Marine, der Schutztruppen und Freikorps, der Reichswehr und Wehrmacht, der Waffen-SS, der Nationalen Volksarmee der DDR einschließlich der Grenztruppen sowie der Bundeswehr. Auch hier ergänzen Nachlässe deutscher Militärs das amtliche Schriftgut. Des Weiteren befindet sich am Standort das Zwischenarchiv des Ministeriums für Verteidigung.
In der Dienststelle Bayreuth befindet sich das Lastenausgleichsarchiv. In den Magazinen lagern Aktenbestände, die Auskunft geben zu Flucht, Vertreibung und den Schäden an ehemaligem deutschen Eigentum nach dem 2. Weltkrieg und anderem mehr. Rastatt ist eine „Erinnerungsstätte für die Freiheitsbewegungen in der deutschen Geschichte“. Die in einem Seitenflügel des Schlosses Rastatt befindliche Dauerausstellung zur Geschichte der Freiheitsbewegungen im 19- Jahrhundert ist auch ein wichtiger Lernort für Schulklassen.
In Ludwigsburg ist seit dem Jahre 2000 eine Außenstelle des Bundesarchivs eingerichtet. An diesem Dienstort befindet sich seit 1958 die „Zentrale Stelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen“. Vom Bundesarchiv werden die Akten übernommen und der Benutzung zugänglich gemacht. Auch hier ein Lernort für Schulklassen.
Am Fehrbelliner Platz in Berlin-Wilmersdorf hat sich die Abteilung Filmarchiv des Bundesarchivs mit ihren nichttechnischen Einheiten eingerichtet. Mehr als 100 Jahre Filmgeschichte können durch die Bestände dokumentiert werden. Es ist für die Zukunft geplant, diese Bestände nach Berlin-Lichterfelde umzuziehen. Die technischen Einrichtungen des Filmarchivs, wie z.B. die Restaurierung, befinden sich am Standort Hoppegarten.
In Berlin- Lichterfelde wurden drei Abteilungen untergebracht. Die Abteilung Reich ist zuständig für die Überlieferungen des Deutschen Reiches seit 1867/71 und neben vielen anderen Beständen für die personenbezogenen Unterlagen des ehemaligen Berlin-Document Centers. Dazu gehört z.B. die Mitgliedskartei der NSDAP. Allerdings befinden sich wichtige Teilbestände aus der NS-Zeit noch in amerikanischen, russischen und anderen ausländischen Archiven.
Die Abteilung DDR verwaltet die Unterlagen der obersten Staatsbehörden der DDR wie Staatsrat, Volkskammer, Ministerrat und aller Ministerien wie z.B. Außen- und Binnenhandel, Post- und Fernmeldewesen, Finanzen, Inneres (MdI) usw. Ergänzt werden die amtlichen Schriftbestände durch persönliche Nachlässe.
Die „Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR“ stellt Archivgut der zentralen Leitungsebenen der SED, der Gewerkschaften (FDGB) und der Massenorganisationen der DDR für die Forschung zur Verfügung. Protokolle des Politbüros, Unterlagen von Walter Ulbricht, Erich Honecker und Egon Krenz sind natürlich von besonderem Interesse.
Erwähnt werden muss, dass alle Unterlagen der Stiftung den Benutzern ohne Sperrfristen zur Verfügung stehen. Auch hier finden sich Nachlässe namhafter Persönlichkeiten. Genannt werden sollen Karl Liebknecht, Rosa Luxemburg, Ernst Thälmann, Wilhelm Pieck u.v.a. Außerdem gehören Luftbilder, Bilder, Plakate, Karten, Tonaufzeichnungen und vieles mehr zu den Beständen in allen Dienstorten. Einige Zahlen sollen verdeutlichen, von welcher Dimension der Arbeit des Bundesarchivs hier gesprochen werden muss:
Alle Aktenbestände des Bundesarchivs aneinander gereiht, würden eine Länge von 333 374 m ergeben. Davon befinden sich allein in den Magazinen in Lichterfelde 130 000 m und ca. 1,7 Mill. Bände Bibliotheksgut. Die Benutzer machen regen Gebrauch für ihre Forschungstätigkeit. 3937 Benutzungen an 20 462 Benutzungstagen und 30 668 schriftliche Anfragen im Jahre 2015 allein in Lichterfelde sprechen eine eigene Sprache. (Quelle: Forum- Das Fachmagazin des Bundesarchivs, Ausgabe 2016)
Unvollständig muss diese kurze Darstellung der Arbeit des Bundesarchivs bleiben. Digitalisierung der Bestände, nationale und internationale Zusammenarbeit, Öffentlichkeitsarbeit sind eine wichtige Säule. An Tagen der „Offenen Tür“ gibt es Ausstellungen, Führungen, Vorträge. Und natürlich werden dann auch besondere Schätze gezeigt, die sich in den Archiven befinden. Ausführliche Informationen über alle Aktivitäten, über gesetzliche Grundlagen, über Benutzung erhalten sie unter der Adresse www.bundesarchiv.de
Wer sich besonders für Nachlässe interessiert, sollte die zentrale Datenbank (ZDN) www.nachlassdatenbank.de öffnen, die Nachlässe von über 26 000 Personen führt und ständig ergänzt wird. Über Links kommt man zu den verwahrenden Archiven.
Anfangs habe ich das Sprichwort „Wer schreibt, der bleibt“ zitiert. Noch in 100, 200 oder 1000 Jahren werden sich Historiker oder unsere Nachfahren in einem Teil des „Gedächtnisses der Welt“ tummeln und ihre eigenen Schlussfolgerungen über die Zeit ziehen, in der wir heute leben. Vielleicht schütteln sie manchmal den Kopf oder sie lächeln über das Eine oder Andere.
Ich wollte sie mit diesem Beitrag neugierig machen auf eine Einrichtung, die im gesellschaftlichen Leben eine besondere Bedeutung für die Zukunft hat, aber so nicht immer wahrgenommen wird.
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