Hallig-Schüler „ferngesteuert“

Blick auf die Eugen-Träger-Schule auf der Hallig Langeneß

von Ursula A. Kolbe

Als ich kürzlich im Mitteilungsblatt „DEUTSCH aktuell“, herausgegeben vom Bundespresseamt, blätterte, stieß ich auf eine interessante Nachricht über das virtuelle Klassenzimmer auf der Halligschool Langeneß in Nordfriesland. Sicher, nichts Besonderes mag man denken. Aber wie wird eigentlich auf so einer Hallig im Wattenmeer der Schulunterricht organisiert?

Die Halligen sind ja bekanntlich flache, meist nicht eingedeichte, bei Flut teilweise überschwemmte Marscheninseln; Reste ehemaliger Festlandmarschen, die durch Sturmfluten seit dem 11. Jahrhundert zerstört wurden. Zum Schutz gegen die Sturmfluten stehen die Häuser auf vier bis fünf Meter hohen künstlich aufgeschütteten Hügeln, den Warften oder Wurten, wie sie genannt werden.

Den Jahreszeiten und Witterung angepasst, gibt es verschiedene Festlandverbindungen: Hooge und Langeneß z. B. haben vom Frühjahr bis zum Spätherbst zweimal täglich eine Fährverbindung, im Winter jedoch nur eingeschränkt. Langeneß ist zusätzlich genau wie Oland und Nordstrandischmoor über einen Lorendamm erreichbar.

Aber jede Hallig hat ihre eigene kleine Schule mit PC-Arbeitsplätzen, in der Schüler ihren Hauptabschluss machen können. Darüber hinaus geht’s aufs Festland. Das neue Konzept bietet den Schülern ab der fünften Klasse ergänzenden Englischunterricht via Internet. Damit sind sie für einen späteren Wechsel auf eine Festlandschule besser gerüstet.

Wenn die Kieler Lehrerin Leena Brütt also ihre Englisch-Stunden startet, ist sie mit den zwölf Schülern auf drei Halligen via Internet verbunden; nach Langeneß in die Eugen-Träger-Halligschool z. B. sind das 140 Kilometer.

Im Online-Klassenzimmer geschieht alles digital: schreiben, zuhören und sprechen. Dabei spielt es keine Rolle, dass die Beteiligten an vier verschiedenen Orten sitzen. Manchmal sogar an fünf, denn es besteht sogar eine Online-Partnerschaft mit einer Schule in Tennessee / USA. Und sie alle sind nicht im selben Alter, verteilen sich derzeit auf die Klassenstufen fünf bis acht. Aber das ist für sie normal, findet doch auch der „normale“ Unterricht jahrgangsübergreifend statt. Jeder Schüler hat für den Fernunterricht einen Laptop.

Die geringe Schülerzahl an den Halligschulen gestattet einen offenen Unterricht mit relativ freier Stundeneinteilung. Es gibt täglich feste Unterrichtszeiten. Themen der einzelnen Fächer (auch fächerübergreifend) können blockweise unterrichtet werden. „Abschweifungen“ zu anderen Fächern werden sofort bearbeitet. Die Kernfächer Deutsch/Mathematik/Englisch dagegen haben ihre wöchentlich feste Stundenzahl.

Großer Wert wird ebenso auf die Selbständigkeit der Schüler beim Erarbeiten neuer Lernstoffe gelegt. Dabei gilt das „Helferprinzip“: „Große“ helfen „Kleinen“.
Die Bereitstellung unterschiedlicher Informationsquellen, u. a. der stets mögliche Zugang zum Internet, werden dabei vielfältig eingesetzt – getreu dem Prinzip „gewusst wo“.

Und ein- bis zweimal im Jahr ist für die Kinder ein besonderer Tag. Dann besucht die Kieler Lehrerin Leena Brütt ihre Schüler vor Ort. Jeweils ein bis zwei Tage bleibt sie auf jeder Hallig. „Darauf freuen wir uns alle schon immer“, sagt Brütt. Denn das Gegenüber auch mal in natura zu sehen, sei dann trotz aller Technik einfach wichtig.
Weitere Infos über die Hallig und die Schule unter www.langeness.de und
www.eugen-traeger-schule.lernnetz.de.