Balance und Jongelage in der URANIA
Bild: Katrin Weyermann, Boetschi, Huber/pixelio.de
von Christa-Dorit Pohle
Lange währte die Vorfreude auf die erste Senioren-Varieté-Veranstaltung dieses Jahres in der URANIA. Im Herbst vergangenen Jahres mussten wir unsere Karten leider verfallen lassen. Es wurde an diesem Tage gerade gestreikt bei der BVG. In den öffentlichen Verkehrsmitteln ging es turbulent zu und meine Freundin wurde von einem rücksichtslosen Fahrgast durch seinen Koffer am Bein verletzt. Wir fuhren wieder heimwärts und waren traurig, diese Veranstaltung nicht besuchen zu können.
Am 4. März startete ich bei strahlendem Sonnenschein in Richtung URANIA, aber leider allein. Meine Freundin verstarb plötzlich und unerwartet, ein Schlaganfall hatte ihr Leben beendet. Dieses Geschehen ist mir sehr nahe gegangen. Sie hatte sich so sehr auf diese Vorstellung gefreut und in meinen Gedanken wird sie mich immer begleiten.
Dann saß ich auf meinem Platz, die 265. Internationale Varietè-Serie unter dem Motto „Das wird Spitze“ begann. Als die Reinhard-Stockmann-Band aus Dresden anfing zu spielen, spürte ich Freude und ließ das traurige Geschehen für Stunden hinter mir. Es war wie immer ein tolles Programm und wir kamen aus dem Staunen nicht heraus.
Und das alles haben wir Herrn Erich Richter zu verdanken, der im Alter von 91 Jahren noch immer liebevoll dafür sorgt, dass diese Senioren-Veranstaltungen erhalten bleiben. Er hat es sich nicht nehmen lassen, auf die Bühne zu kommen und uns zu begrüßen. Da möchten wir uns achtungsvoll verneigen vor diesem Mann.
Thomas Otto führte uns mit Witz und Charme durch das Programm, Bert Beel begeisterte uns als Sänger und das Show-Ballett Berlin war wie immer eine Augenweide. Ich bin zwar kein Fußballfan, aber was Miriam Willems und Sebastian Heller, das Artisten-Duo aus Berlin, alles mit dem Fußball vorführten, das war toll.
Die Beiden beherrschen das Drehen eines Fußballs auf ihren Fingern und Köpfen wie keine anderen. Mit einer Mischung aus Jongelage und Akrobatik begeisterten sie das Publikum. Fünf Fußbälle lässt Sebastian durch die Luft wirbeln, er beherrscht die Königsdisziplin der Jongelage meisterhaft. Das Können der beiden Ballzauberer wurde im Jahre 2005 sogar offiziell mit dem Guinness-Weltrekord bestätigt.
Als Sebastian das zweite Mal auftrat, lernten wir ihn als außergewöhnlichen Barkeeper kennen. Er bereitet seine leckeren Cocktails auf kreative und spektakuläre Weise zu. Staunend konnten wir verfolgen, wie die Barutensilien (Flaschen, Shaker, Orangen, Gläser und Eiswürfel) gleichzeitig durch die Luft flogen. Und noch mehr staunten wir natürlich, als er zum Schluss mit dem Mix die Gläser füllte. Die einzigartige Leuchtbar-Kulisse wirkte sehr romantisch, dazu der mitreißende Soundtrack, das war schon sehr originell.
Als Robert Choinka die Bühne betrat und neben ihm ein Reifenstapel zu sehen war, wurde ich neugierig. Was wird er wohl anstellen mit den Autoreifen? Robert machte es sehr spannend und seine Vorführung wirkte sehr sexy. Er erbrachte eine außergewöhnliche Höchstleistung, als ihm auf dem Reifenstapel sogar einarmige Handstände in perfekter Balance gelangen. Diese imponierende Kraftartistik wurde vom Publikum auch mit großer Begeisterung aufgenommen.
Zwischen den einzelnen Vorführungen lernten wir den Conferencier Thomas Otto auch als Zauberkünstler kennen. Es gelingt ihm, grandiose Zauberkunst mit wunderbarer Komik zu verbinden. Gewöhnliches wird von ihm in ungewöhnliches Licht gerückt und im Alltäglichen entdeckt er das Wunderbare. Mit seiner spitzbübischen Ausstrahlung und seinem losen Mundwerk spann er den roten Faden durch das Programm. Für ihn ist „Zauberkunst“ das Vergnügen, die Vernunft und die Logik außer Kraft zu setzten.
Sehr beeindruckend war auch die Darbietung von Gabor Vosten, sein Instrument ist die Blockflöte. Er kann auf bis zu fünf Flöten gleichzeitig spielen und ist der „King der Blockflöte“.
Ganz still wurde es im Saal, als Gentleman-Jongleur Monsieur Jeton auftrat. Er zeigte Jongelage und Balance in höchster Vollendung. Als er zum Schluss seiner Darbietung Kaffeetassen und Teller durch die Luft wirbelte, diese nacheinander auf seinem Kopf landen ließ und es auch noch schaffte, einen Kaffeelöffel und ein Stück Zucker in der obersten Tasse aufzufangen, setzte lang anhaltender Applaus ein. Ein Künstler der Weltklasse, er wurde 2013 in den USA mit dem Oscar der Jongelage ausgezeichnet.
Ich muss es noch einmal zum Ausdruck bringen, wie dankbar wir Senioren Herrn Richter sind, dass er es immer wieder ermöglicht, dass wir alle diese Künstler der Spitzenklasse live miterleben konnten.
Nun zum Stargast des Nachmittags – Jonny Hill. Als er auftrat, eroberte er die Herzen von uns Zuschauern im Nu. Schon seit über 20 Jahren hat er sich der deutschsprachigen Country-Musik verschrieben und ist dieser bis heute treu geblieben.
Und das hat seinen Grund. Jonny Hill kennt das Leben mit all seinen Höhen und Tiefen. Er wollte niemals andere Sänger nachahmen, er wollte immer nur er selbst sein. Und das ist ihm auch gelungen. Seine Botschaft an uns Senioren im Saal „wir alle sollten wieder lernen, behutsam miteinander umzugehen, füreinander da zu sein, dann ist vieles leichter.“ Jonny Hill wagte es immer, Geschichten und Gefühle, die menschlich und ergreifend sind, zu vertonen.
Es war ihm egal, ob das für seine Karriere gut war oder nicht. Dadurch ist es ihm gelungen, so viele wunderbare und ergreifende Songs zu schreiben. Die Lieder und Songs, die wahre Geschichten erzählen, die aus dem Herzen kommen – das ist seine Welt. Jonny Hill ist offen, ehrlich und gerade heraus, das hört man in seinen Liedern. Man spürt oft ein bisschen Sehnsucht und Fernweh, aber es überwiegt der Realismus, der ihn als Mensch geformt hat.
Als er für uns seinen berühmten Hit „Ruf Teddybär eins-vier“ sang, wurde es ganz still im Saal. Ich glaube, viele der Senioren konnten sich erinnern an die Geschichte von dem kleinen gelähmten Jungen und dem LkW-Fahrer. Der Vater des Jungen war LkW-Fahrer, er verlor sein Leben bei einem Unfall. Er hatte seinem Jungen versprochen, dass er ihn eines Tages mitnehmen würde auf große Fahrt.
Der Junge hatte es sich so sehr gewünscht, aber leider konnte der Vater diesen Wunsch nicht mehr erfüllen. Da der Kleine immer alleine war, wenn seine Mutter arbeiten gehen musste, plauderte er über Funk oft mit LkW-Fahrern und erzählte von seinem Vater. Und so kam es dazu, dass gleich 18 Fernfahrer dem Jungen Freude bereiten wollten und sich vor seinem Haus versammelten, um mit ihm eine Runde zu drehen.
Der Junge war außer sich vor Freude und die Mutter des Jungen dankte den Fernfahrern mit Tränen in den Augen für diesen Einsatz. Sie sagte, das wäre der glücklichste Tag im Leben ihres Sohnes gewesen.
Als Jonny das Lied sang von dem Ehemann, der vor der Entscheidung stand, ob fremd gehen oder nicht, da waren die folgenden Textstellen bemerkenswert:“ Willst Du Gold, geh in die Berge; willst Du Silber, schlag es heraus, willst Du Himmel, lies in der Bibel, willst Du Liebe, dann geh nach Haus“.
Jonny Hill hat das Glück, seit 30 Jahren eine verständnisvolle Frau an seiner Seite zu haben, die ihm den Rücken frei hält für seine Musik. Das weiß er auch zu schätzen. Jonny Hill vermag es, mit der deutschsprachigen Country-Musik, die schlicht und ehrlich ist, die Herzen der Menschen zu erwärmen. Er hat sich seiner Gefühle nie geschämt und hat vielen Menschen Mut gemacht. Und das ist vielleicht der Zauber, der ihn seit Beginn seiner Karriere begleitet hat. Mit tosendem Beifall bedankte sich das Publikum für seinen Auftritt.
Das war wieder eine wunderschöne Senioren-Veranstaltung in der URANIA und wird uns lange in Erinnerung bleiben.
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