„Eins, zwei, drei, im Sauseschritt, läuft die Zeit…,
Bild: Wolfgang Dirscherl/www.pixelio.de
von Waltraud Käß
…wir laufen mit“ lautet ein Aphorismus von Wilhelm Busch. Es war das Datum der Umstellung von der Sommer- auf die Winterzeit, also die Normalzeit, das mich veranlasste, über das Thema Zeit nachzudenken und zu recherchieren.
Die Zeit von Ende März bis Ende Oktober war so schnell vergangen. Wo war sie geblieben? Die Zeit scheint mir zu rasen. Oder liegt das am Alter, das man meint, die Tage und Stunden vergehen schneller? Was alles war in diesen Monaten passiert?
Der Frühling ging in den Sommer über und von da in den Herbst, Ereignisse, wie kriegerische Auseinandersetzungen in vielen Teilen unserer Welt, gepaart mit gewaltigen Flüchtlingsströmen, große und kleine Naturkatastrophen liefen nacheinander oder gleichzeitig ab. Es gab auch Glücksmomente – eben das ganze Spektrum des Lebens.
Den Begriff Zeit fand ich in vielen Sprichwörtern, z.B. „Zeit ist Geld“, „Zeit heilt alle Wunden“, „Kommt Zeit, kommt Rat“ usw. Zu Beginn eines Telefonats hörte ich schon manchmal die Begrüßungsformel „Ich hatte einfach keine Zeit, Dir zu schreiben, deshalb rufe ich jetzt schnell einmal an“ – und dann dauerte das Gespräch eine dreiviertel Stunde.
Sorglos gehen wir mitunter mit unserer Zeit um, sie ist einfach da, sie scheint grenzenlos zu sein. Niemand hat Einfluss auf sie, niemand kann sie aufhalten oder anhalten. Und so sind wir schnell versucht, bestimmte Vorhaben auf den nächsten Tag oder die nächste Woche zu verschieben – die wir aber möglicherweise nicht mehr realisieren können, denn: Zeit ist auch endlich.
Jedenfalls die Zeit unseres irdischen Daseins hier auf Erden. Das brachte mich zu der Frage: Was ist eigentlich Zeit? Wie wird sie definiert?
Ich fand unterschiedliche Antworten. Die Ökonomie betrachtet die Zeit als Wertgegenstand (“Zeit ist Geld“), sieht also ihren Wert in der Schaffung eines Produkts in einer gewissen Zeit. Je mehr Produkte in immer kürzerer Zeit geschaffen werden, umso höher ist der Gewinn.
Die gesetzlich eingeführte Umstellung der Normalzeit auf die Sommerzeit berührt ebenfalls eine ökonomische Frage. Doch wie alle Studien nachweisen, sind der erzielte Gewinn bzw. die erhofften Einsparungen minimal, wenn nicht gar gegen Null tendierend.
Laut Wikipedia beschreibt die Zeit die Abfolge von Ereignissen. Dabei hat sie eine eindeutige, unumkehrbare Richtung. Philosophisch betrachtet beschreibt der Begriff „Zeit“ das Fortschreiten der Gegenwart von der Vergangenheit kommend zur Zukunft hinführend. Anhand der „Lebenszeit“ des Menschen, von der Geburt her kommend bis zum Lebensende, lässt sich das sehr gut nachvollziehen.
Dieser Lauf der Zeit ist messbar, und als physikalische Größe wird sie über Maßeinheiten definiert. Diese kleinste Maßeinheit ist die Sekunde. Aus ihr leiten sich unmittelbar die Einheiten Minute und Stunde ab, mittelbar (über die Erdbewegung und gesetzlich festgelegte Schaltsekunden) auch Tag und Woche, dazu (abhängig vom Kalender) Monat, Jahr, Jahrzehnt, Jahrhundert und Jahrtausend.
Was die Stunde geschlagen hat, hat Astronomen schon in früher Zeit beim Blick in die Sterne und auf den Stand der Sonne bewegt und sie haben daraus den Gang der Zeit abgelesen. Wir blicken heutzutage auf die Uhr und betrachten sie als Zeitmesser. Durch ihr Ticken, das Messen der Sekunden, und das Weiterrücken der Zeiger verrät sie uns, dass „Zeit“ vergangen ist.
Definitiv steht die Uhr für ein System, welches immer wieder periodisch in denselben Zustand zurückkehrt. Durch das Zählen der Perioden wird die Zeit bestimmt. Allerdings können auch monotone Bewegungen eine Basis für die Zeitmessung sein, denken wir nur an die Sanduhr. Wenn der Sand in der Eieruhr durchgelaufen ist, ist das Ei genauso, wie wir es essen wollen.
Die Genauigkeit der Uhren ließ anfangs zu wünschen übrig. Präzisiert hat die Messung der Perioden der niederländische Astronom, Mathematiker und Physiker Christiaan Huygens. In einer Abhandlung im Jahre 1673 veröffentlichte er seine Erfindung der Pendeluhr, die, zum Patent angemeldet, von Salomon Coster gebaut wurde.
Bereits Galileo Galilei hatte sich mit der Wirkungsweise eines solchen Systems beschäftigt, eine Uhr aber nicht gebaut. In der Weiterentwicklung konzipierte Huygens auch Taschenuhren mit Spiralfedern und Unruh. Die antiquarischen Uhren mussten aber regelmäßig aufgezogen werden, weil sie sonst stehen blieben, obwohl die Zeit weiter lief.
Mit den Quarzuhren war die Abweichung im Gang der Uhr schon weniger groß. Damit kam man aber in der modernen Wissenschaft nicht weiter. Denken wir an die Weltraumforschung, an die Telekommunikation, an die Energieversorgung, an Satelliten-, GPS- und Navigationssysteme, dann wird uns klar, welcher Genauigkeitsgrad der Messung vonnöten ist.
Ja selbst im Sport geht es heute um hundertstel oder tausendstel Sekunden. Für das Handgelenk ist gegenwärtig eine Funk-Armbanduhr unser genauer „Zeitmesser“.
Das brachte mich zur nächsten Frage:
Wie, durch was oder wen wird die Genauigkeit der Zeit gesichert und gemessen?
Im Jahre 1949 erfand und baute der Physiker Harold Lyons in den USA die erste Atomuhr. Am Handgelenk kann man sie nicht tragen. Denn sie ist ein voluminöser, physikalischer Apparat, der vor Erschütterungen und elektromagnetischen Störungen gut geschützt werden muss.
Allerdings wurde inzwischen im Jahre 2003 eine Rubidium-Atomuhr mit einem Volumen von 40 Kubikzentimetern gebaut, sehr viel kleiner als der erste Apparat. Sie erreicht eine relative Standardabweichung von 1 Sekunde in 10 000 Jahren. Also auch hier gibt es ständige Weiterentwicklungen.
Die Arbeitsweise der Atomuhr beruht auf atomaren Schwingungsprozessen, die ich hier nicht erläutern kann, denn für den Nichtwissenschaftler, den fachlichen Laien, ist dieser komplizierte Prozess „der Frequenz der Strahlung, die die Elektronen von Cäsium-Atomen abgeben…“ kaum zu verstehen, schon gar nicht zu beschreiben. Ich erinnere mich da sehr vage an den Schulunterricht in den Fächern Physik und Chemie.
Atomuhren befinden sich in den USA, Großbritannien, Kanada, Österreich, China, Japan, die Schweiz. In Deutschland gibt es derer vier. Von der Atomuhr in Braunschweig kommt seit 1991 das „Zeitnormal“ für die Sekunden der gesetzlichen Zeit. Unsere Funkuhren empfangen dieses Signal über einen Zeitzeichensender. Für Deutschland, Österreich und die Schweiz kann man z.B. die genaue „Atomzeit“ unter www.atomuhr-infos.de im Internet abrufen.
In unserer globalen Welt ist natürlich auch eine Abstimmung zwischen den verschiedenen Zeitzonen notwendig. Aus den Messwerten von über 260 Atomuhren an über 60 weltweit verteilten Instituten legt das „Bureau International des Poids et Mesures“ in Paris die „Internationale Atomzeit“ als Referenzzeit fest. Im Abgleich der international bestimmten Atomzeit mit der astronomischen Zeit entsteht die koordinierte Weltzeit. Aha!
Wussten Sie, dass auch die kleine DDR im Besitz einer Atomuhr war? Im kleinen Ortsteil Altglienicke am Rande von Berlin tüftelten Wissenschaftler und Modellbauer an diesem Projekt, denn die DDR wollte auch auf diesem Gebiet an die Weltspitze gelangen.
Es wäre leicht gewesen, eine solche Uhr aus dem westlichen Ausland zu importieren, doch hier griff das Embargo wie für viele andere Waren und Leistungen auch. Aber DDR-Wissenschaftler waren durch ihre Ausbildung durchaus in der Lage, ein solches Projekt für ihren Staat zu realisieren.
Im Sommer 1989 lief die Atomuhr, die 300 kg wog, mehrere Tage im Probenbetrieb. Zum Einsatz kam sie in der DDR nicht mehr, denn ab 1990 kam das Zeitsignal aus Braunschweig. Allerdings wurde sie in Bratislava im Meteorologischen Institut in Dienst gestellt. Irgendwann wurde sie ausgemustert, vergessen, war heimatlos und zerlegt, wie so vieles aus der DDR-Zeit, bis sie im Jahre 2014 in die Heimat, auf die Osterburg im Thüringer Land zurückkehrte.
Was weiter mit ihr passieren wird, ob sie als Museumsstück wieder zusammengebaut wird, das steht in den Sternen.
Und nun schaue ich auf meine Uhr. Sie zeigt mir, dass zwei Stunden vergangen sind, während ich an diesem Beitrag schrieb.
Zeit, die ich vielleicht sinnvoll verbrachte, denn ich habe für unsere Leser möglicherweise Wissenswertes erforscht und bei der Recherche selbst viel gelernt. Ich habe den Beitrag in der Gegenwart für die Zukunft geschrieben. Denn wenn er erscheint, befinden wir uns bereits zwei Monate später am Beginn des neuen Jahres 2015. „Es läuft die Zeit…“ Möge es ein gutes Jahr werden.
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