Warum Haare grau werden?
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von Tania Villiger, NZZ
Ob graues Haar Fluch oder Segen ist, ist eine persönliche Angelegenheit. Doch wieso verliert unser Haar überhaupt die Farbe, und wie findet man die richtige Haltung und Pflege zu dieser Veränderung? Hier die Antworten von Experten.
Die einen haben kein Problem damit und die anderen fallen bereits beim ersten grauen Haar in eine Midlife-Crisis. Zu verdanken ist diese Veränderung der Haare jedenfalls dem Melanin. Melanine, das sind natürliche Pigmente, die in unserem Haar für die Farbe zuständig – oder eben auch mitverantwortlich dafür – sind, wenn darin keine Farbe mehr vorkommt.
Die Melanogenese, so heißt der mehrstufige chemische Prozess der sich verändernden Melaninproduktion, wird in erster Linie durch die Genetik bestimmt, die sich kaum beeinflussen lässt. «Es gibt definitiv genetische Verbindungen zu den Eltern. Sie können einem am ehesten verraten, wann wir grau werden», sagt Rob Smith, Senior Principal Hair Scientist bei Dyson. Ist es so weit, nehmen die Melaninmenge in der Haarzwiebel und die Anzahl der Melanozyten (Pigmentzellen) ab, was zu tieferen Melaninwerten im Haar (grau) oder gar keinem Melanin (weiß) führt.
«Lassen Sie sie für ein paar Jahre ein Land führen», ist Smiths (nicht ganz ernst gemeinter) Tipp für Menschen, die ergrauen möchten. «Wer sich die führenden Politiker der Welt anschaut, bemerkt, dass sie anfangs schönes, volles, dunkles Haar haben, und wenn sie aufhören, sind sie grau», führt er weiter aus. Das liege nicht nur am steigenden Alter, denken wir etwa an Barack Obama, der rasch im Amt des US-Präsidenten ergraute, sondern eben auch am Stress. Falsche Ernährung und hormonelles Ungleichgewicht gelten ebenso als Faktoren, die das Ergrauen vorantreiben können.
Haare nicht ausreißen
Jene, die sich weniger über die grauen Haare freuen und eher zur Gruppe Midlife-Crisis gehören, haben sicher schon einmal mit dem Gedanken gespielt, sich ein graues Haar auszureißen, um es loszuwerden. Doch das ist ein Kampf, den man mit der Zeit verliert: «Reißt man ein Haar aus, wachsen sieben neue nach», heißt es in einer alten Redewendung. «Es ist besser, die Haare zu behalten und die Haarfasern wachsen zu lassen, anstatt die Haare zu verlieren, nur weil sie grau sind», sagt Experte Smith.
Denn irgendwann funktioniert das anfängliche Ausreißen von einzelnen Haaren nicht mehr, die Opfer wären zu viele. Also steht man vor der Wahl: das graue Haar anzunehmen oder es zu färben. Die Advanced Hair Stylistin Giulia Cantamessa vom Zuger Coiffeursalon the taç sagt aber auch, man müsse sich nicht sofort entscheiden. Wenn die Kundin ihre Haare regelmässig färbt, kann sie auch langsam davon wegkommen. Für einen sanften Übergang zu Grau kann mit Highlights gearbeitet werden.
«So wird das Gesamtbild etwas natürlicher», weiß sie. Das Ziel ist es, die Technik dann immer seltener anzuwenden und so immer weniger von der gefärbten Haarfarbe und dafür einen wachsenden Anteil Weiß zu tragen. «Außer bei Rottönen», so die Expertin, «das sieht unnatürlich aus.» Knalligere Haarfarben seien nicht optimal für diesen stufenweisen Übergang. Sonst ginge fast alles, am besten werden kühlere Farben verwendet.
Was hilft gegen Gelbstich?
«Das Haar ist meistens nicht sofort komplett weiß, sondern zuerst meliert, es hat immer noch etwas Farbe im Haar, was dann beispielsweise gelb aussieht», sagt Giulia Cantamessa. Auf dem Farbkreis ist die Komplementärfarbe von Gelb Violett, daher werden spezielle Produkte mit violetten Farbpigmenten angereichert, um den Gelbstich auszugleichen. Dazu gehören auch die sogenannten «Purple Toning Shampoos». Sind die Haare komplett weiss, bekommen sie damit einen violetten Schimmer, da bei ihnen nichts ausgeglichen werden muss, erklärt Cantamessa weiter.
Anders als bei anderen Produktlinien empfiehlt Cantamessa aber, nur eines dieser ausgleichenden Produkte zu verwenden oder maximal zwei bei starkem Gelbstich. Was die Kundin wählt, ob Shampoo oder Haarschaum, sei ganz der Haarpflegeroutine der Konsumentin überlassen.
Sie stehen zu ihren grauen Haaren
Was George Clooney für die Männer ist, ist Andie MacDowell für die Frauen: ein Stilvorbild, das die Zeichen des fortschreitenden Alters nicht zu verbergen braucht. Das Haar der Schauspielerin scheint aber auch unverändert kräftig, bloss die Farbe ist neu. Doch das ist meistens nicht die Regel: «Was viele nicht wissen, ist, dass sich die Struktur im Alter stark verändert und nicht bloss die Farbe», sagt Cantamessa. «Wenn man altert, wird das Haar im Allgemeinen dünner, aber die Veränderung der Haarstruktur ist sehr individuell», sagt der Haarwissenschaftler Smith.
Dennoch erkennt die Stylistin vor allem zwei Arten von grauem Haar: «Es gibt feines, schlaffes und weniger robustes Haar. Das Gegenteil davon ist sehr robust und steht bei kurzem Haar störrisch nach aussen.» Es sei wichtig, sich auf das neue Haar einzulassen und die aktuelle Pflege zu überdenken. Denn bei der Veränderung der Haarstruktur haben sich womöglich auch deren Bedürfnisse verändert. «Das Gleiche, was mit der Hautalterung passiert, passiert auch mit der Kopfhaut, nur dass man es nicht sieht», sagt Smith. Genauso, wie wir die Hautpflege im Laufe des Lebens anpassen, sollten wir das auch mit der Haarpflege tun.
Welche Pflegeprodukte braucht reifes Haar?
«Bei feinem grauem Haar empfehle ich Produkte, die dem Haar Volumen und Halt geben, damit es nicht hängt», sagt Cantamessa. Da das Haar nicht mehr so kräftig und stark ist, braucht es mehr Unterstützung durch die richtigen Produkte. Doch ausschliesslich mit Produkten lässt sich das Haar nicht in den Griff kriegen. «Weisses Haar ist etwas runder und glitschiger, daher ist es wichtig, dass man nicht zu viel vom Styling erwartet, sondern der Schnitt sollte bereits einiges herausarbeiten.» Weiterhin darf dem altersbedingt tendenziell eher trockenen und dünnen Haar nicht noch Feuchtigkeit entzogen werden durch das Arbeiten mit zu viel Hitze.
Graues, robustes Haar ist stark und widerspenstig und benötigt keine Produkte, die es noch kräftiger machen. «Für das robuste graue Haar sind Pflegeprodukte geeignet, die das Haar leichter und geschmeidiger machen, damit es sich auch besser frisieren lässt», erklärt die Advanced Hair Stylistin.
Es kommt somit nicht bloß visuell zu einer Veränderung, auch die Bedürfnisse von reiferem Haar verändern sich.
Ermutigend stellt Cantamessa jedoch fest: «Ich glaube, dass es für viele auch etwas ist, um sich wieder neu zu entdecken. Man erschafft ein neues Bild von sich selbst.»
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