Oderbruch – Kulturerbe von europäischem Rang

Oderbruch zwischen Kienitz und Zollbrücke - kleine Brücke mit Mohnblumen im Vordergrund und der Oder im Hintergrund

von Ursula A. Kolbe

Das Oderbruch, gut eineinhalb Stunden von Berlin entfernt, erlebt neue Blüten: Europas größte besiedelte Polderlandschaft erhielt das Europäische Kulturerbe-Siegel. Was zweifellos international bekannter machen würde, denn für Ausflügler ist diese Region längst kein Geheimtipp mehr. Ausgezeichnet wurde Europas größte besiedelte Polderlandschaft, weil hier die Ideale und Geschichte der Europäischen Union in besonderer Weise symbolisiert werden, heißt es von der Kommunalen Arbeitsgemeinschaft Kulturerbe Oderbruch.

„Ich bin froh und auch stolz auf die Menschen im Oderbruch“, erklärte Mitinitiator Frank Schütz, Bürgermeister von Golzow (Märkisch-Oderland). Das Vorhaben sei nur durch das Zusammenwirken der Gemeinden und verschiedenster Institutionen möglich gewesen. Das zeige: Kleine Gemeinden können es. Und damit bekomme erstmals in der Geschichte des Siegels eine gesamte Landschaft diese Anerkennung.

Im Vorfeld hatten sich Akteure lange um diese Auszeichnung bemüht. Wichtigste Kraft sei dabei das Netzwerk aus 40 Kulturerbe-Orten gewesen, berichtete der Leiter des Oderbruchmuseums Altranft, Kenneth Anders. Das Museum fungiere als Fach- und Koordinationsstelle. Baudenkmale, Kirchen, Kolonistendörfer und Heimatstuben hätten sich engagiert. Die Bewerbung für Brüssel sei über zwei Jahre vorbereitet worden, so Anders. Leute hätten beim Bäcker, in Kirche und Gemeindevertretungen die Idee weitergetragen.

Im 18.Jahrhundert entstanden und heute „Gemüsegarten Berlins“ Ein kurzes Wort zur Geschichte: Die Region ist nach der Trockenlegung vor knapp 270 Jahren entstanden. Sie ist vom Preußenkönig Friedrich II. mit Kolonisten aus ganz Europa besiedelt worden. Nach Angaben der Arbeitsgemeinschaft schufen diese in einer groß angelegten preußischen Melioration im 18. Jahrhundert ein Wassersystem, das heute mit über 1.200 Gewässerkilometern, beinahe vierzig Schöpfwerken und 300 Wehr- und Stauanlagen funktioniert. Entstanden ist vielfältiger ländlicher Raum, in dem heute mehr als 50.000 Menschen leben. Zudem gilt die Region wegen ihres fruchtbaren Bodens als „Gemüsegarten Berlins“.

„Das Oderbruch ist eine aus europäischen Zuwanderern besiedelte Landschaft, die immer damit gelebt hat, dass sie die Einflüsse von Auswärtigen mit aufgenommen hat“, beschreibt der Golzower Bürgermeister Schütz die Region. Das Oderbruch gäbe es nicht ohne einen niederländischen Wasserbauingenieur und hätte seine Namensvielfalt nicht ohne Zuwanderer, führte er an.

„Wir sind stolz auf uns und die Arbeit der mehr als zehn Generationen, die über Systembrüche und Kriege hinweg stetig das System optimiert und umweltverträglicher gestaltet haben“, sagte Bürgermeister Michael Böttcher aus dem Oderbruchdorf Letschin – einer der Hauptinitiatoren der Bewerbung für das EU-Siegel.

Museumsleiter Anders betont, dass es für die Anerkennung keine finanzielle Zuwendung aus Brüssel gebe. Es gehe nun an die Projektentwicklung, die alle Kommunen gemeinsam für die Region gestalten könnten. Fördermittel dafür könnten über die Arbeitsgemeinschaft beantragt werden – etwa für Bildung, Ausstellungs – und Kulturentwicklung sowie Tourismus. Unterstützung für angeschobene Prozesse sowie die Netzwerkarbeit erhält das Museum vom Kulturministerium des Landes mit einer dreijährigen Förderung bis Ende 2024 mit mehr als 400.000 Euro.

Die Kulturstiftung des Bundes soll den Transformationsprozess einzelner Orte und der gesamten Kulturlandschaft über fünf Jahre mit etwa 1,5 Millionen Euro finanzieren. Mit der Verleihung des Siegels an eine Stätte ist nach Angaben der Kultusministerkonferenz keine direkte Finanzierung aus EU Förderinstrumenten verbunden. Allerdings können die mit dem Siegel ausgezeichneten Stätten Fördermittel aus anderen EU-Programmen beantragen.

Brandenburgs Kulturministerin Manja Schüle freute sich über die Auszeichnung für die Region, in der sich eindrücklich europäische Kultur-, Geistes- und Wirtschaftsgeschichte widerspiegelt. Das hohe Engagement der Akteure vor Ort zeige: „Brandenburgische Geschichte schafft nicht nur Identität vor Ort – sie weist auch in die Zukunft und steht für ein modernes Europa.“

Apropos: Mit dem Europäischen Kulturerbe-Siegel zeichnen das EU-Parlament und der Rat der EU seit 2011 Kulturdenkmale, Kulturlandschaften und Gedenkstätten aus, die die europäische Einigung, die gemeinsamen Werte sowie die Geschichte und Kultur der EU symbolisieren. Ziel ist es, das Verständnis und die Wertschätzung des gemeinsamen und vielfältigen Erbes der Europäischen Union für die Menschen und insbesondere junge Menschen zu verbessern.