Der Hexenschuss
Bild: Rolf Wenkel / pixelio.de
von Waltraud Käß
Durch das Telefon klang die klägliche Stimme einer Freundin: „Ich habe solche Schmerzen und weiß überhaupt nicht warum. Der USB-Stick ist mir herunter gefallen, seitdem geht nichts mehr. Ich lege mich jetzt gleich ins Bett.“ Sie tat mir natürlich sehr leid, kannte ich diesen plötzlichen Schmerz doch aus eigener Erfahrung. Und ich wusste, dass er auch wieder vergehen würde, wenn man etwas dagegen tat. Sie brauchte ein wenig Aufmunterung. Also schickte ich ihr eine Strophe des Gedichts „Romanze“ von Carl Spitzweg
„I hab an Hexenschuss,
Weil i`n halt haben muss,
sonst hätt i`n ned.
Wenn i die Hex nur wißt,
Die allweil auf mi schißt,
I bracht`s ins Gred.“
Das fand sie aber gar nicht so gut. Sie konnte nicht darüber lachen, denn auch diese Bewegung schmerzte.
Hexenschuss – im Volksmund ist dieser Begriff wohlbekannt. Doch woher kommt überhaupt diese Deutung eines Schmerzes im unteren Rücken und in der Lendenwirbelregion eines Menschen?
Sie hatte wohl etwas mit dessen plötzlichem Auftreten zu tun. Ich suchte nach einer Erklärung und fand heraus, dass dieser Begriff auf die mittelalterliche Vorstellung zurück geht, dass Krankheiten den Menschen von übernatürlichen Wesen wie Hexen oder Dämonen zugefügt werden, zum Beispiel durch einen Pfeilschuss. So klingt das auch in diesem Gedicht von Carl Spitzweg an.
Auf Grund der nicht vorhandenen Aufklärung in der Frühgeschichte der Menschheit wurden den so genannten Hexen alle möglichen Bösartigkeiten angedichtet. Man musste nur ein Gerücht in die Welt setzen, schon war die Person gebrandmarkt und am Beginn eines Leidensweges. Da blitzt mir doch in der Ferne eine Parallele zu manchen Ereignissen der heutigen Zeit auf. Letztlich führte dieser Weg zu allgemeiner Hysterie, und insbesondere während der Zeit der Inquisition zu den bekannten Orgien der „Hexenverbrennung“.
Aber dieser geschichtliche Diskurs konnte meiner Freundin auch nicht helfen. Es musste körperliche Ursachen geben. In der medizinischen Literatur werden mehrere davon als Auslöser des Schmerzes genannt: Blockierung eines Wirbelgelenks, ein Bandscheibenvorfall im Lendenwirbelbereich (wir wollen nicht gleich das Schlimmste denken), ausgeprägte Muskelverspannungen, Verschleiß von Wirbelgelenken.
Ausgerechnet die Lendenwirbelregion ist üppig mit schmerzleitenden Nerven ausgestattet. Und so können bei einer schwachen Rückenmuskulatur bereits geringfügige Auslöser wie ruckartige und ungeschickte Bewegungen, falsche Belastung oder eine Verkühlung eine Schmerzattacke auslösen. Sie hatte sich wohl zu schnell nach ihrem USB-Stick gebückt. Da war also guter Rat teuer.
Nicht immer ist ein Gang zum Arzt möglich. Und aus meiner Erfahrung heraus, die in der medizinischen Literatur auch bestätigt wird, sollte sie zunächst zur Selbsthilfe greifen, sofern sie keine Taubheitsgefühle oder Lähmungserscheinungen hatte. Das war aber nicht der Fall. Ich rief also meine Freundin an, Handy hat man ja heutzutage am Bett, und gab ihr folgende Ratschläge:
Verfalle nicht in eine Schonhaltung, sondern bleibe aktiv, bewege dich ein bisschen im Rahmen deiner Möglichkeiten, damit die Muskeln bewegt und gelockert werden.
Lege dich zeitweise flach auf den Boden und lagere die Beine nach oben, das entlastet die Wirbelsäule. Wenn Du Heizkissen, Wärmepflaster oder eine Fangopackung zuhause hast, lege sie dir unter den Rücken, das unterstützt die Lockerung der Muskulatur. Mitunter hilft auch Kälte, aber das musst du ausprobieren, ob es dir bekommt.
Solltest du nicht aus dem Bett heraus kommen, dann lege dich in Seitenlage und ziehe die Beine an. Aber plane keine mehrtägige Bettruhe ein, das ist Gift für die Muskulatur und verhärtet nur die Verspannungen.
Du hast bestimmt Schmerzmittel in deiner Hausapotheke. Ich bin nicht unbedingt für die Einnahme von Schmerzmitteln bei jedem Wehwehchen, in diesem Falle aber durchbricht das Medikament den Kreislauf des Schmerzes und du kommst leichter aus der Schonhaltung heraus.
Und wenn du wieder auf den Beinen bist, musst du unbedingt an deiner Beweglichkeit arbeiten. Wann wolltest du dich im Sportstudio anmelden?
Und höre auf deine Freundin. Wenn das alles nicht hilft, spätestens nach drei Tagen sollte dein Zustand sich gebessert haben, dann musst du unbedingt zum Arzt. Er wird die nötigen Maßnahmen veranlassen.
Nach drei Tagen hörte ich eine muntere Stimme am Telefon. Meine Freundin konnte wieder laufen und die Schmerzen hatten sich minimiert. Ihren Arzt würde sie trotzdem aufsuchen, und das fand ich auch in Ordnung.
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