Die Einfühlung ins Alter erlebbar machen

Bühnenbild Zwei Personen auf einer Treppe im AGE-Explorer

Zwei Personen auf einer Treppe im AGE-Explorer

_von Ursula A. Kolbe_

Pressetermin auf dem Bahnhof Berlin-Lichtenberg. Vertreter der Deutschen Bahn (DB) wollten in einem Test anhand eines Age Explorers, oder anders gesagt eines Altererforschungsanzuges, auch Altersimulator genannt, den Altersprozess simulieren, um gerade die Mitarbeiter DB-Bereich Service & Qualität im respektvollen Umgang mit Reisenden aller Generationen weiter zu sensibilisieren.

Seien wir doch ehrlich, die meisten Menschen können sich mit Blick auf das höhere Alter, in das wohl jeder zu kommen hofft, nicht wirklich vorstellen, wie es ist, alt, vielleicht auch gebrechlich zu sein. Das greift in die verschiedensten Lebensbereiche ein, ob zu Hause, im Personenverkehr, in Altenheimen, im ganzen simplen Alltag schlechthin.

Diese Demonstration in solch einem Altererforschungsanzug gerade auf einem Bahnhof mit seinen verschiedensten Situationen sollte solch eine Einfühlung erlebbar machen. Innerhalb weniger Minuten können die „Reingeschlüpften“ in die Wahrnehmungs- und Erfahrungswelt Älterer eintauchen. Dieser Anzug lässt eindrucksvoll veränderte Fähigkeiten erleben wie nachlassendes Hörvermögen, Alterssichtigkeit, Veränderung des Farbensehens, nachlassende Kraft und Beweglichkeit.

Brücke zwischen den Generationen

Was bewirkt solch ein Anzug? Gehördämpfer vermitteln den Eindruck von Altersschwerhörigkeit, ein Spezialvisier simuliert mögliche Veränderungen des Farbensehens und des Blickfeldes im Alter sowie nachlassende Sehschärfe im Nahbereich. Handschuhe verringern u. a. die Fingerfertigkeit und lassen die Kräfte in den Händen schwinden. Im Anzug eingenähte Gewichte geben einen guten Eindruck nachlassender Ausdauer, Bandagen bzw. Schienen schränken die Beweglichkeit der Gelenke ein.

Das wichtigste Ziel der „Väter“ dieses im Saarbrücker Meyer-Hentschel Institut entwickelten Age Exlorers sagte der bei diesem Test anwesende Geschäftsführer Dr. Gundolf Meyer-Hentschel ist es, ein lebendiges Verständnis für die Lebenswelten älterer Menschen zu gewinnen und damit eine Brücke zwischen den Generationen zu schlagen. Jüngeren z. B. wird deutlich, sich Älteren gegenüber angemessen und geduldig zu verhalten, bedürfnisgerecht zu beraten oder besser geeignete Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln. Solch eine Demonstration soll durchaus als Anstoß zum Umdenken gesehen werden.

Im weiten Fokus wissenschaftlicher Themen

Dieser Prozess steht zunehmend im weiten Feld wissenschaftlicher Themen. So lernte ich bei dieser Begegnung im Bahnhof Lichtenberg auch Andreas Körner, Student an der Hochschule für Wissenschaft und Technik Berlin, kennen, der seine Bachelor-Arbeit zum Thema: „Prozessparameter des Personennahverkehrs der DB vor dem Hintergrund des demographischen Wandels“ schreibt. Als Praktikant bei der TQA-Auditierung, Bereich Sicherheit & Qualität im Konzern, hat er dafür größtmögliche Unterstützung erfahren.

Hintergrund sind z.B. solche Fakten wie die Tatsache, dass derzeit ca. 16,4 Millionen Menschen (rd. 20 Prozent der Bevölkerung) über 65 Jahre sind. Bis 2060 wird die Bevölkerungszahl von ca. 82 Mio. auf voraussichtlich 64,6 Mio. Menschen sinken, aber sich die der über 65jährigen auf 20,6 Millionen bzw. 34 Prozent erhöhen.

Und ab 65 liegt eben die Mobilität an erster Stelle, wird öfter auf Bahn oder Bus zurückgegriffen. Mobilität ist Lebensqualität, heißt Lebenszufriedenheit.
Und hier kommen wir wieder auf das Thema Service und Reisende zurück. Gerade solche mit Handicap, ob als Pendler, Tages- oder Fernreisende, griff Vorstand Andreas Springer, DB Station & Service AG, den Faden auf. Er verwies auf die großen Anstrengungen der Bahn dafür, auch Fahrgästen mit Behinderungen eine selbstbestimmte Mobilität zu ermöglichen. Sich gegenüber rund neun Millionen dieser Betroffenen als wichtige Kunden- und Zielgruppe bewusst.

Nur wenige Fakten: Bekanntlich betreibt die DB Station & Service AG rund 5.400 Bahnhöfe. Hierbei ist der barrierefreie Ausbau der Bahnsteige und –zugänge ein sehr wichtiges Anliegen, von Bund und Ländern mit erheblichen Fördermitteln unterstützt. Deren stufenfreie Erreichbarkeit ist insbesondere für Rollstuhlfahrer, Reisende mit Fahrrad oder Kinderwagen oder anderen Einschränkungen überhaupt ein solch wichtiger Aspekt, den wohl nur Betroffene selbst richtig zu schätzen wissen.

Derzeit sind in 3.825 Bahnhöfen (rd. 71 Prozent) die Bahnsteige ohne Stufen vom öffentlichen Straßenraum über Gehwege, höhengleiche Gleisübergänge, lange Rampen oder Aufzüge erreichbar. Durch Bautätigkeiten verbessert sich diese Situation jährlich um rund ein bis zwei Prozent.

Weitere Infos und wertvolle Tipps für rund um das Reisen mit der Bahn unter www.bahn.de/barrierefrei und in der Broschüre „Mobil mit Handicup – Services für mobilitätseingeschränkte Reisende“ sind, denke ich, wichtige Begleiter.
Und die neueste aktuelle Information: Seit 1. Juni hat die Mobilitätsservice-Zentrale der DB eine neue Ruf-Nummer. Jetzt gilt: 0180 6 – 51 25 12 (20 ct/Anruf aus dem Festnetz, Tarif bei Mobilfunk max. 60ct/Anruf).

Um noch einmal kurz auf den Altersimulator zurückzukommen: Die Probandin Andrea Müller, selbst im Bereich Sicherheit & Qualität bei der Bahn tätig, sagte, dass sie diese Erfahrung selbst einmal machen wollte. Um sich besser in die Lage anderer einfühlen zu können. Als das schlimmste empfand sie, nicht richtig sehen und hören zu können, das sei beschwerlicher als eine körperliche Einschränkung.

Diese Simulation machte deutlich: Solch ein Age Explorer ist eindrucksvoller als jede Theorie. Das Erlebnis Alter physisch und emotional nachzuempfinden ist oft auch Anstoß für tief greifende Veränderungen. Es war durchaus eine anschauliche Zeitreise.