Studien alarmieren: Cannabiskonsum erhöht Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall

Blätter der Marihuanapflanze ein Joint und Blütenpäckchen liegen zusammen auf einem Tisch

von Klaus Wedekind, ntv

Zwei neue, vorläufige Studien liefern recht harte Belege dafür, dass ein regelmäßiger Cannabiskonsum das Risiko, einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall zu erleiden, deutlich erhöht. Dies gilt auch für Menschen, die Marihuana ohne Tabak konsumieren, unter anderem aus medizinischen Gründen.

Wenn über Risiken und Nebenwirkungen des Cannabiskonsums diskutiert wird, geht es meistens um mögliche psychische Störungen wie Depressionen, Aufmerksamkeitsdefizite oder Psychosen. Doch schon länger gibt es auch Hinweise darauf, dass die Einnahme von Marihuanaprodukten auch das Risiko einer kardiovaskulären Erkrankung erhöhen kann. Bisherige Forschungen litten aber oft an Mängeln wie zu kleinen Studiengruppen oder einem gleichzeitigen Tabakkonsum der untersuchten Cannabiskonsumenten.

“Ideale” Studienbedingungen in den USA
Erschwert werden Forschungen weltweit durch die Tatsache, dass Marihuana in den meisten Ländern illegal ist. In den USA war das bis 2020 ebenfalls so und auf Bundesebene ist dies immer noch der Fall. Seitdem hat aber fast die Hälfte der 50 US-Bundesstaaten den Cannabiskonsum legalisiert, heute kam Ohio als 24. hinzu. In 38 Bundesstaaten gäbe es außerdem umfassende medizinische Programme, berichtet „CNN“. Laut Gesundheitsbehörde Centers for Desease Control and Prevention (CDC) haben aber auch schon 2019 rund 48,2 Millionen Amerikaner (18 Prozent) mindestens einmal Marihuana konsumiert.

Dem National Institute on Drug Abuse nach waren es ein Jahr später 52,5 Millionen (18,7 Prozent) der über 12-Jährigen. Einer nationalen Umfrage zufolge betrug der Anteil der Marihuana konsumierenden Bevölkerung in den USA 2021 insgesamt sogar 19,6 Prozent, wobei einige Bundesstaaten wie District of Columbia oder Vermont auf rund 30 Prozent kamen. Entsprechend gut sind die Voraussetzungen in den USA für aussagekräftigere Forschungen. So wurden dort jetzt zwei noch vorläufige Studien veröffentlicht, die härtere Belege als bisher dafür liefern, dass die regelmäßige Einnahme der Droge das Risiko, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden, deutlich erhöht. Die Arbeiten wurden im Rahmen einer Konferenz der American Heart Association vorgestellt.

34 Prozent höheres Risiko für Herzinsuffizienz
Die erste Studie stammt von Forscherinnen und Forschern der Medstar Health, einem Gesundheitssystem des US-Bundesstaats Maryland. Sie analysierten, ob Marihuanakonsumenten über einen Zeitraum von fast vier Jahren häufiger an Herzversagen erkrankten als Nichtkonsumenten. Für ihre Arbeit nutzten die Wissenschaftler Daten eines Forschungsprogramms des US-Gesundheitsministeriums, an dem rund 157.000 Erwachsene teilnahmen. Dabei unterschieden sie nicht zwischen medizinischen und anderen Gründen der Drogeneinnahme.

Insgesamt entwickelten etwa 3000 der Studienteilnehmer (knapp 2 Prozent), die zum Zeitpunkt ihrer Aufnahme in das Programm keine Beschwerden hatten, eine Herzinsuffizienz (Herzschwäche). Teilnehmer, die angaben, täglich Marihuana zu konsumieren, hatten ein 34 Prozent höheres Risiko zu erkranken als jene, die keine Cannabisprodukte zu sich nahmen, lautet ein Ergebnis der Studie. Eine weitere Analyse ergab, dass Marihuanakonsumenten auch ein um 27 Prozent höheres Risiko einer koronalen Herzerkrankung haben. Daraus schließen die Wissenschaftler, dass verkalkte Koronararterien der Grund sind, warum die Einnahme von Cannabisprodukten zu Herzversagen führen kann. Ein Problem der Studie ist allerdings, dass sie nicht unterscheidet, ob Marihuana geraucht oder anderweitig konsumiert wurde. Den Verfassern zufolge kann die Art der Einnahme die kardiovaskulären Ergebnisse beeinflussen.

Tabakkonsum ausgeschlossen
Für die zweite vorgestellte Studie werteten verschiedene Forscher Daten aus der größten US-Datenbank zu Krankenhausaufenthalten (National Inpatient Sample 2019) aus. Die Wissenschaftler konzentrierten sich dabei auf rund 28.500 über 65-jährige Patienten mit kardiovaskulären Risikofaktoren, die angaben, weder Zigaretten noch andere Tabakprodukte zu konsumieren. Diese Gruppe wurde unterteilt in Personen, die Cannabisprodukte zu sich nahmen und solche, die es nicht taten.

Die Studie ergab, dass die Wahrscheinlichkeit einer kardiovaskulären Erkrankung während des Krankenhausaufenthalts bei Marihuanakonsumenten um 20 Prozent höher als bei den “Abstinenzlern” war. 13,9 Prozent von ihnen hatten tatsächlich Probleme mit dem Herzen oder Hirn. Die Rate an Herzinfarkten in der Gruppe der höher (7,6 gegenüber 6 Prozent) und sie mussten häufiger in andere Einrichtungen verlegt werden (28/19 Prozent). Ein hoher Blutdruck und ein hoher Cholesterinspiegel erhöhten die Wahrscheinlichkeit von Herz- und Hirn-Komplikationen bei Marihuanakonsumenten.

Die Analyse wird den Verfassern zufolge durch mögliche Fehler in der großen Datenbank eingeschränkt. Ebenso könnten die Codes für Probleme mit Cannabiskonsum in elektronischen Patientenakten von Krankenhaus zu Krankenhaus unterschiedlich sein, räumen die Forscher ein.

“Patienten müssen sich über Risiken im Klaren sein”
Die Studienergebnisse widerlegten die Annahme vieler seiner Patienten, Marihuana sei natürlich und damit sicher, sagt Robert Page II von der American Heart Association. Die Beobachtungen deuteten stark darauf hin, dass Cannabiskonsum zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen könne, egal ob zu medizinischen oder anderen Zwecken konsumiert. Wichtig sei auch die Tatsache, dass ein bereits bestehendes kardiovaskuläres Risiko durch den Konsum erhöht werde. Patienten müssen sich laut Page II über die Risiken, die sie eingehen, im Klaren sein.

Was genau die Auswirkungen auf das Gefäßsystem seien, müsse noch geklärt werden, so der Experte. Man wisse aber, dass akuter Konsum zu einem Abfallen des Blutdrucks führen könne – vor allem, wenn Cannabis geraucht oder verdampft werde. “Das spielt also eine Rolle, wenn es darum geht, das potenzielle Risiko für einen Schlaganfall zu verstehen.” Interessant sei, dass bei Personen, die über einen längeren Zeitraum täglich Marihuana zu sich nähmen, ein Anstieg des Blutdrucks festgestellt worden sei, sagt Robert Page II. Auch das sei “ein Risikofaktor für zahlreiche andere Herz-Kreislauf-Erkrankungen.”

Quelle: ntv.de