Die Pollen sind los! Was Klimawandel für Heuschnupfen-Geplagte bedeutet
Bild: Baumschule Horstmann
von Gisela Gross, dpa
Klimawandel und Erderwärmung beeinflussen den Pollenflug. Das spüren vor allem Allergiker. Spezialisten untersuchen auf dem Dach der Charité in Berlin die Entwicklungen des Pollenflugs und haben verschiedene Ansätze, was Allergikern helfen könnte.
Winterpause? Von wegen. Das ganze Jahr über steigen Matthias Werchan und Kollegen regelmäßig aufs Dach der Hautklinik der Charité in Berlin-Mitte. Nicht etwa wegen der Aussicht. Ihr Ziel ist die dortige Pollenfalle, die in 23 Metern Höhe beständig Hauptstadt-Luft einsaugt. Vorhandene Pollen und andere Partikel werden im Inneren des grünen Geräts auf einem Band fixiert. Den Fang analysiert Diplom-Landschaftsökologe Werchan später unter dem Mikroskop. Es lasse sich etwa ablesen, an welchem Tag zu welcher Uhrzeit welche Pollen in der Luft waren, sagte er.
Werchan arbeitet für die Stiftung Deutscher Polleninformationsdienst (PID), die seit 1983 ein Messnetz betreibt, um Pollen-Konzentrationen in der Luft zu untersuchen. Die Ergebnisse von 35 bis 40 Standorten bundesweit fließen etwa in Pollenvorhersagen des Deutschen Wetterdienstes (DWD) ein. Auch wenn es teils noch kühl ist: Die Pollensaison 2024 hat den Fachleuten zufolge begonnen.
Und zwar mit einem “Paukenschlag” an Silvester und Neujahr, als es bis zu 20 Grad warm gewesen sei, sagte Werchan. Durch niedrigere Temperaturen seit Mitte Januar habe sich die Lage nun wieder etwas beruhigt. Für einige westliche Landesteile sah die Prognose für vergangenen Dienstag aber bereits eine mittlere Belastung mit Hasel- und Erlenpollen vor.
Pflanzen haben Stress
Der PID-Vorsitzende, Allergologe Karl-Christian Bergmann, erinnert: Wir lebten in Zeiten des Klimawandels, was das Verhalten der Pollen verändere. Die Fachleute beobachten, dass sich mittlerweile beinahe die Zeiten überschneiden, in denen die letzten Pollen der Vorsaison verschwinden und die ersten der neuen Saison auftauchen. Beobachtet würden an vielen Orten auch mehr Tage mit Pollen-Spitzenkonzentrationen, sagte Bergmann. Eine mögliche Erklärung sei, dass Pflanzen unter Stress mehr Pollen freisetzen.
Eine neue Version eines PID-Pollenflugkalenders, die kommende Woche erscheint, zeigt noch eine kleine Lücke im November ohne mögliches Pollenvorkommen. Angepasst wurde anhand von Daten aus den Jahren 2016 bis 2021 auch: Die Erle zum Beispiel hat ihre Hauptblütezeit um neun Tage vorverlegt, verglichen mit dem bisherigen Kalender basierend auf dem Zeitraum 2011 bis 2016.
Auf Baumarten in Städten achten
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Kritik äußern die Allergieexperten daran, dass Baumarten in Städten neu angepflanzt würden, die Allergikern Probleme bereiten können, etwa Purpurerlen. Diese ließen ihre Pollen gern schon um die Weihnachtszeit fliegen, Wochen vor heimischen Erlen, hieß es. Heuschnupfen-Patienten und -Patientinnen regieren überempfindlich auf die eigentlich harmlosen Pollen. Zu den möglichen Beschwerden zählen Augentränen, Niesreiz, Fließschnupfen, Husten und Abgeschlagenheit. Betroffene können Nasensprays, Augentropfen und Tabletten gegen die Symptome nutzen. An der Ursache setzt eine Immuntherapie etwa mit Spritzen oder Tabletten, die sogenannte Hyposensibilisierung an.
Regen reinigt die Luft Pollenallergiker leiden ohne Verschnaufpause Manchmal wird Betroffenen geraten, in ihrer Allergie-Hochphase zu verreisen. Torsten Zuberbier, Vorsitzender der Europäischen Allergiestiftung Ecarf, wünscht sich hingegen, vor Ort ein allergikerfreundlicheres Umfeld zu schaffen. Potenziale gebe es bei der Begrünung von Städten und beim Bauen. Zum Beispiel auch in Wandfarben, Teppichen und Klebern könnten allergieauslösende Stoffe stecken.
Stärkere Symptome
Laut Robert Koch-Institut hat die Häufigkeit allergischer Erkrankungen seit den 1970er Jahren in Ländern mit westlichem Lebensstil stark zugenommen und sich zuletzt auf hohem Niveau stabilisiert. Auch der Schweregrad allergischer Reaktionen nehme zu, so Zuberbier. Veranlagung spielt für Allergien eine wichtige Rolle, es gibt aber viele weitere Faktoren. Ein bisschen sei es auch unsere Schuld, sagte Zuberbier: Die Allergie-Zunahme liege auch am modernen Lebensstil. Ein Stichwort:Umweltverschmutzung. Pollen und Feinstaub gemeinsam führten zu mehr Beschwerden, sagte Bergmann.
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In der Kammer werden Probanden in Schutzanzügen unter Beobachtung bestimmten Pollen ausgesetzt, meist etwa zwei Stunden lang. In dem Raum soll sich besonders genau prüfen lassen, bei welcher Pollenmenge welche Symptome ausgelöst werden – und was bestimmte Produkte oder Medikamente verändern. Auch der Nutzen von Masken sei in der Kammer schon geprüft worden, sagte der technische Leiter Pierre Derfling. Schützen sie auch Allergiker? “Kurz gesagt: ja”, sagt Derfling.
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