Waldbaden als Balsam für die Seele
Bild: Ina Lilie
von Dr. Christian Graz Chefarzt der Psychosomatik der Max Grundig Klinik
Wir sollten die Pandemiebeschränkungen nutzen, neue Formen zu finden, um uns mental fit zu halten. Versuchen Sie es einmal mit „Waldbaden“. Ist es Ihnen schon einmal aufgefallen, dass Sie sich nach dem Aufenthalt in einem Wald irgendwie wohler, entspannter fühlen? Egal ob nach einem Spaziergang, auf dem Rad oder im Laufschritt – wer seine Bewegungseinheiten im Wald absolviert, könnte einen zusätzlichen Nutzen haben.
Der neue Trend heißt „Waldbaden“. Immer mehr Mediziner und Therapeuten empfehlen aus gesundheitlichen Gründen den regelmäßigen Besuch von Wäldern. In Deutschland ist das nicht schwer zu realisieren. Immerhin sind noch 32 Prozent unserer Landesfläche mit Wald bewachsen. Das der Wald Ruhe und Kraft verleiht, ist nicht neu. Die Therapieform „Forest Bathing“ hat sich in den späten 1980er Jahren in Japan entwickelt. Das japanische Landwirtschaftsministerium investierte damals massiv in „Shinrin-yoku“, was übersetzt nichts anderes heißt als „Waldbaden“ oder besser „Waldtherapie“.
Mittlerweile ist das Konzept ein geschützter Begriff und eine neue forschungsgestützte Naturtherapie, die weltweit immer mehr Beachtung erlangt. Sie stützt sich auf die gesundheitsfördernden körperlichen und psychischen Effekte von Aufenthalten im Wald. Neben dem Ursprungsland Japan erreicht Forest Bathing auch in den USA große Popularität. In jeder größeren Buchhandlung findet man dort dazu Literatur und einen „Certified Forest Therapy Guide.“
In Asien und den USA wird die Waldtherapie mehr und mehr in Therapiepläne integriert. Und es werden zunehmend Waldtherapeuten ausgebildet. Spannende klinische Erfahrungen Welche medizinisch relevanten Aspekte werden diskutiert? Wahrscheinlich haben die meisten von uns, die hin und wieder im Wald spazieren gehen, die Erfahrung gemacht, dass der achtsame Kontakt zur Natur unser physisches und psychisches Wohlbefinden günstig beeinflussen kann.
Subjektive und objektive Faktoren spielen hier zusammen. Eine Vielzahl von Forschungsergebnissen bestätigen das. Dabei ist der Wald auf einer Vielzahl von Feldern wirksam. Immunologen beschreiben eine Stärkung des Immunsystems. Hautärzte sehen günstige Wirkungen durch Waldexposition bei chronischen Ekzemen und Schuppenflechte. Schmerztherapeuten registrierten sehr günstige Effekte bei Schmerzpatienten. Onkologen planen Studien zum Einfluss der Waldtherapie auf die Entstehung von Krebs und Möglichkeiten der Heilung.
Japanische Forscher beschreiben eine messbare Zunahme von sogenannten „Kung Fu Fighting Killer-Zellen“. Kardiologen und Neurologen untersuchen den Zusammenhang von Waldspaziergängen und Herzinfarkt- sowie Schlaganfallrate. Vielbeachtet sind Studien, wonach das Erleben von Wald den Blutdruck senken kann. Allein die Berührung von Holz im Vergleich zu Kunststoff oder Metall sei demnach in der Lage, den Blutdruck positiv zu beeinflussen.
Umweltmediziner beschreiben einen antientzündlichen Effekt von Terpenen, also organischen sekundären Pflanzenstoffen, die aus Harzen und ätherischen Ölen gewonnen werden. Viele Terpene riechen nicht nur gut, sie haben auch eine ausgeprägte antimikrobielle Wirksamkeit. Terpene nehmen wir sowohl über die Atmung als auch über die Haut auf. Es gilt heute als gesichert, dass Terpene die körpereigenen „Killerzellen“ aktivieren und somit das Krebs geschehen beeinflussen können. Das Terpen Borneol, ein Bestandteil von ätherischen Ölen, schützt das Gehirn und das Nervensystem vor einer Degeneration, vor allem wenn entzündliche Prozesse zugrunde liegen. Balsam für die Seele.
Neben physischen Reaktionen beeinflusst das Walderlebnis vor allem auch unsere Seele. Österreichische Forscher beispielsweise konnten zeigen, dass regelmäßige Waldspaziergänge und Aufenthalte im Wald die Aufmerksamkeits- und Konzentrationsfähigkeit erhöhen können und die Kreativität fördern. Der japanische Wissenschaftler Quing Li hat eindrucksvoll nachgewiesen, dass das Erleben von Wald die Symptomatik und die Prognose von Depressionen und Ängsten lindern kann. Und: Aufenthalte im Wald verbessern nachhaltig die Schlafqualität. Wald senkt den Dopamin- und Cortisonspiegel im Blut, also wichtige Mechanismen zur Stressreduktion.
Gehen im Wald im Vergleich zu einem Stadtspaziergang hat in einer amerikanischen Untersuchung gezeigt, dass der Wald stimmungsaufhellende Eigenschaften hat. Die Amerikaner sprechen von „Mood boosting Effects“. Amerikanische Umweltimmunologen haben in Studien nachweisen können, dass selbst das Betrachten von Waldbildern mit Koniferen und das gleichzeitige Einatmen von Pinien- und Zypressendüften bei immobilen Patienten in Heimen ausgeprägte antiinflammatorische Effekte zeitigt.
In diesem Zusammenhang spricht der österreichische Arzt Dr. Clemens Arvayüber die Waldluft von einem „hochwirksamen medizinischen Cocktail“. Grazer Wissenschaftler haben sich mit den Effekten von Arvenholz (Zirbelholz) auf die Psyche des Menschen beschäftigt. Sie testieren Auswirkungen auf die Herzfrequenz sowie eine deutlich bessere Schlafqualität. Ausschlaggebend dürften ätherische Öle, Harze sowie Pinosylvin sein, die in hohen Konzentrationen im Arvenholz vorhanden sind.
Welche „Dosis Wald“ wird empfohlen? Am besten ist ein ausgedehnter Waldspaziergang pro Woche. Natürlich sind auch Ausflüge mit dem Rad oder Joggen im Wald zu empfehlen. Medizinische Effekte wurden noch 7 bis 30Tage nach Waldspaziergängen in verschiedenen Organen nachgewiesen. Nadelwälder scheinen ausgeprägtere Wirkungen zu haben als Laubwälder. Wichtig ist, dass Sie sich im Wald entspannen und dass Sie achtsam die Umgebung aufnehmen.
Immer mehr Ärzte sind von den günstigen medizinischen Effekten einer Waldtherapie überzeugt. Am ausgeprägtesten dürften die positiven Wirkungen im psychosomatischen Bereich sein. Testen Sie die heilenden Effekte, egal ob allein oder in der Gruppe. Sie tun etwas Gutes, für Ihren Körper und für Ihre Psyche. Also, bei nächster Gelegenheit ab in den Wald.
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