„Telespargel“ - Anziehungspunkt wie eh und je
Bild: F.H.M. / pixelio.de
von Ursula A.Kolbe
Berlin feierte kürzlich ein weiteres Jubiläum: 50 Jahre Fernsehturm, im Volksmund bald liebevoll „Telespargel“ genannt, – am 3. Oktober 1969 aus Anlass des 20. Jahrestages der DDR (7. Oktober) in Betrieb genommen. In all den Jahrzehnten seines Bestehens ist der Besucherstrom nie abgeebbt. Obwohl in den Jahren nach dem Mauerfall durchaus Gerüchte kursierten, dass er abgerissen werden solle. Zum Glück zieht das höchste Bauwerk Deutschlands auch heute noch die Gäste weiter in seinen Bann.
Der Fernsehturm beeindruckt mit seinen Superlativen: Als höchster Blitzableiter der Stadt und seinem höchsten Sendemast mit 150 Antennen für TV, Radio und Richtfunk. Und natürlich ist der „Telespargel“ besonders bei klaren Sichtverhältnissen ein bester Aussichts- und Orientierungspunkt, wie z. B. auf die nunmehr ebenfalls 50 Jahre alte, nur einen Steinwurf entfernt auf dem Alexanderplatz stehende Weltzeituhr – wie seit jeher beliebter Treffpunkt für Jung und Alt.
Ebenso wurden Erinnerungen wach. So schrieb z. B. Kerstin Eick auf der Leserseite des „Berliner Kurier“ zum Fernsehturm-Jubiläum: „ Und mein Papa hatte damals den Blitzschutz oben angebracht, Mann, war ick stolz!“ Weitere Meinungen: Harald Hoffmann: „Als alter echter Ostberliner kennt jeder den Fernsehturm als „Telespargel“. Und wer das nicht kennt, ist kein Ossi.“ Christian Horn fügt hinzu: „Den Begriff gibt es schon ewig. Ich habe als Maler beim Bau des Turms mitgearbeitet.“ Und Frank Wrosch hat die Kindheitserinnerung: „Ich konnte damals als 10- bis 14jähriger den Bau des Fernsehturms beobachten. Es war für einen Jungen recht spannend zu sehen, wie der Turm mit Hilfe des mit in die Höhe gehenden Krans Stück für Stück wuchs.“ Oder Andreas Schwartz: „50 Jahre steht der Fernsehturm auf dem Alex und trotzt Wind und Wetter. Wir beide haben was gemeinsam, sind beide aus dem Osten und beide 50 Jahre alt.“
Besonders in seinen Bann zieht das Tele-Cafè in der charakteristischen Kugel des über 360 Meter hohen Turms bis zur Antennenspitze, das sich einmal in der Stunde um sich selbst dreht. Heute heißt es Restaurant „Sphere“.
Wenn auch Soljanka auf der Speisekarte steht
Zur Jubiläumsbilanz gehört auch, dass seit der Eröffnung rund 60 Millionen Besucher dieses Wahrzeichen Berlins gezählt werden konnte. Derzeit kommen im Jahr etwa 1,6 Millionen Interessierte. Sie rauschen mit dem Aufzugführer in einem der beiden Fahrstühle in das in 207 Meter höher befindliche „Sphere“ nach oben. Restaurant-Leiterin Sybille Janke hat 1996 hier als Azubi angefangen. Sie sagt, damals habe man die Leerstellen nach dem Mauerfall noch erkannt. „Heute ist alles zugebaut. Aber viele wollen auch die Geschichte Berlins sehen.“
Technik ist auch hier unerlässlich. Wegen des begrenzten Platzes werde das Essen unten in einer Küche zubereitet und dann per Aufzug hoch gebracht. Öfter wird auch eine kulinarische Zeitreise angeboten, bei der beispielsweise die beliebte Soljanka nicht fehlen darf. Auch die Getränke müssen natürlich früh vor den Besuchern in die Höhe gebracht werden, sagt die 42jährige Restaurant-Chefin. Bedient wird an 40 festgeschraubten Tischen, während in der sich drehenden Kugel immer neue Aussichten vorbeiziehen. Die Berlinerin Janke weiß ihren „besonderen Arbeitsplatz“ zu schätzen. Abends sei sie hier die Letzte. „Da ist es dann ruhig, und ich gucke gern mal raus.“
Eine Etage tiefer im Panoramadeck gibt es die beste Aussicht auf die verschiedensten Blickpunkte der Stadt. Wie z. B. auf den nahen Alexanderplatz mit der Weltzeituhr mit einem Modell des Sonnensystems. Dieses Werk von Erich John, damals Dozent für Formgestaltung an der Kunsthochschule Weißensee, steht ebenfalls unter Denkmalschutz. Ein schwieriges Unterfangen sei es gewesen, Kugellager hätten aus dem Westen beschafft werden müssen, als Antrieb sei ein Trabant-Getriebe umgebaut worden – DDR-Erfindergeist pur.
Beim Fernsehturm ging es ebenfalls ums Material. Der Stahl sei aus Schweden eingekauft worden, auch Techniker aus dem Land seien nach Ost-Berlin gekommen, sagt Pressesprecher Dietmar Jeserich. Die Kugel habe an sowjetische Sputnik-Satelliten erinnern sollen. Deren Segmente seien per Kran hinaufgehievt worden.
Gründungsmitglied der weltweiten Vereinigung der größten Türme
Der Fernsehturm gehört heute der Deutschen Funkturm GmbH, einer Telekom-Tochter. Eine extra Gastronomiegesellschaft ist für die Besucher zuständig. Wie im „Berliner Kurier“ (29.9.19) nachzulesen, ist der Fernsehturm Gründungsmitglied der weltweiten Vereinigung der größten Türme, zu der 50 Bauwerke gehören. Vom ältesten, dem Pariser Eiffelturm aus dem Jahre 1889, bis zum Weltrekordhalter, dem 828 Meter-Hochhaus Burj Khalifa in Dubai.
„Bei uns arbeiten etwa 120 Leute“, sagt Dietmar Jeserich, Sprecher der Firma, die den öffentlichen Teil des Turms gepachtet hat. Dort arbeiten sie in den Garderoben, an den Kassen, im Souvenirladen, in den Aufzügen, in der Küche sowie Kellner im Restaurant. Dort passen 200 Gäste hinein, dazu 100 in der Aussichtsplattform. Zur Aussicht sagt Jeserich noch, dass sie sie die größte Rundfahrt der Stadt nennen.
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