Die wechselvolle Geschichte der Finckensteinallee 63 – Teil III
Bild: Waltraud Käß
von Waltraud Käß
Teil II der wechselvollen Geschichte der Finckensteinallee 63 endete mit dem Jahre 1945.
Am 8. Mai 1945 wurde mit der Kapitulation Hitlerdeutschlands der 2. Weltkrieg beendet. Schon mit dem Blick auf eine Zerschlagung der faschistischen Wehrmacht hatte sich Anfang des Jahres 1944 eine Europäische Beratende Kommission Gedanken gemacht, wie es danach mit dem Deutschen Reich weiter gehen solle.
In den so genannten Zonenprotokollen wurden Vorschläge zur Aufteilung des Deutschen Reiches in Besatzungszonen unterbreitet. Manifestiert wurden diese Vorschläge in den Beratungen der Konferenz von Jalta und letztlich im Potsdamer Abkommen festgeschrieben. So entstanden in Übereinstimmung der Siegermächte die sowjetische, die amerikanische, die britische und die französische Besatzungszone.
Berlin als ehemalige Reichshauptstadt hatte einen Sonderstatus. Sie lag inmitten der sowjetischen Besatzungszone. Zunächst unterlag Berlin nach Kriegsende für etwa zwei Monate der sowjetischen Verwaltung, die große Mühen aufwenden musste, um das Leben in der zerstörten Stadt wieder in Gang zu setzen.
Dann wurde die Stadt entsprechend der vier Besatzungszonen in vier Sektoren aufgeteilt, in denen der Oberbefehlshaber der jeweiligen Besatzungsmacht seinen Sitz hatte. Zum damaligen Zeitpunkt waren das Georgi Konstantinowitsch Shukow, Dwight D. Eisenhower, Bernard Montgomery und Jean de Lattre de Tassigny. Im Juli 1945 bezogen die alliierten Truppen ihre jeweilige Besatzungszone.
Damit endete auch der Aufenthalt der Roten Armee in der ehemaligen Hauptkadettenanstalt Lichterfelde. In einer feierlichen Zeremonie und im Beisein der Vertreter der vier Besatzungsmächte wurde das Gelände am 4. Juli 1945 den US- Streitkräften übergeben.
Mit dieser Übertragung wurde die weitere militärische Nutzung fortgeführt. Doch das Areal war nicht mehr sehr attraktiv. Nur wenige Gebäude konnten repariert werden, der große Teil lag in Schutt und Asche und wurde nach und nach gesprengt, so auch das prächtige Direktionsgebäude mit der Kirche an der Altdorfer Straße, wobei man unter den Trümmern die Kassette der Grundsteinlegung fand, die ich im letzten Beitrag schon erwähnte. Neue Gebäude wurden als Kasernen gebaut, die von den Amerikanern durchnummeriert wurden.
Die beiden Soldatenfiguren am Eingangstor betonierte man einfach ein, aber sie stehen noch immer. Als Ende der 1970-er Jahre auch die letzte verbliebene Kadettenunterkunft abgerissen werden sollte, konnte eine Bürgerinitiative dieses jedoch verhindern. Das Gebäude wurde saniert und steht seit 1986 unter Denkmalschutz.
Eine Besonderheit soll erwähnt werden. Nicht zerstört wurde während des Krieges der „Flensburger Löwe“. Diese Skulptur stand am Ende eines großen Areals der HKA. Der dänische Bildhauer Hermann Wilhelm Bissen hatte sie im Jahre 1862 als Denkmal für den Sieg der dänischen über die schleswig-holsteinischen Truppen im Jahre 1850 in der Schlacht bei Idstedt geschaffen.
Nach dem deutschen Sieg von 1864 über die Dänen und der Abtretung des Herzogtums Schleswig-Holstein an Preußen, wurde das Denkmal 1867 von Flensburg nach Berlin gebracht, wo es im April 1878 auf seinen Sockel in der HKA Lichterfelde gestellt wurde.
Man erzählt sich, dass die amerikanischen Soldaten dieses Denkmal abbauten und es in einer Nacht- und Nebel-Aktion, verpackt in Kisten und auf LKW`s der amerikanischen Streitkräfte, im Jahre 1945 durch die sowjetische Besatzungszone nach Kopenhagen brachten. Seit dem Jahre 2011 steht der „Flensburger oder auch Idstedter Löwe“ wieder an seinem alten Platz in Flensburg. Doch es gibt eine Zinkkopie von 1874 von diesem Löwen, die im Jahre 2005 restauriert wurde. Wer ihn bewundern möchte, findet dieses Standbild im Berliner Ortsteil Wannsee am Seeufer von Heckeshorn.
Nach 1958 entstanden in der nahe gelegenen Baseler Straße Wohnblocks für Unteroffiziere und ihre Familien und auf dem Gelände der Kaserne Wohnunterkünfte für Ledige. Ein Freizeitzentrum entstand für die amerikanischen Soldaten mit Kinosaal, Tanzsaal, mehreren Klubs, Bar, Bibliothek und anderen diversen Einrichtungen. Außerdem gab es Verkaufsstellen für Lebensmittel, Bekleidung und sonstigen Bedarf.
Eine kleine Kirche für alle Konfessionen wurde gebaut und 1952 eingeweiht, man sieht sie bereits links, wenn man den Eingangsbereich des Geländes betritt. Sie erhielt den Namen „Andrews Chapel“. Das gesamte Kasernengelände wurde unter dem Namen „Andrews Barracks“ geführt. Namensgeber war Frank Maxwell Andrews, Befehlshaber der US-Streitkräfte in Europa, der 1943 tödlich verunglückte. Das Gelände wurde mit einem Eisengitterzaun versehen, der noch heute steht.
Man hatte sich häuslich eingerichtet. Untergebracht waren u.a. bis 1964 die „Addition Battle Group“, danach die Nachrichtensoldaten der „Field Station Berlin“, die besonders in der Funkstation auf dem Teufelsberg eingesetzt waren. Diese Gebäude des „Horchpostens des Kalten Krieges“, mit ihren weißen Kuppeln weithin sichtbar, sind verlassen und harren noch heute einer zukünftigen Verwendung.
Neben der Militärpolizei und den Kontigenten für die Besetzung der alliierten Kontrollpunkte wie z.B. des Check Point Charlie, hatte auch die 298. US-Army-Band in Lichterfelde ihren Sitz, die bei vielen Veranstaltungen in der Stadt aufgespielt hat.
Die amerikanischen Soldaten lebten während ihrer jahrzehntelangen Anwesenheit in einem guten Kontakt zur Bevölkerung Westberlins. Dazu trugen auch deutsch-amerikanische Volksfeste und ein „Tag der Offenen Tür“ in Berlin-Lichterfelde bei. Die Garnison öffnete sich auch für die Traditionspflege der Kadetten, ein Kabinett wurde eigens dafür eingerichtet.
Die amerikanischen Soldaten scheinen gerne in Berlin-Lichterfelde gedient zu haben. Noch heute gibt es viele Besucherwünsche ehemaliger Soldaten und ihrer Familien, die auf nostalgischen Spuren wandeln wollen. Erzählt wurde allerdings auch, dass es Anfang der 1980-er Jahre zu Demos und Sitzstreiks vor den Andrews Barracks kam, als die US-Raketensysteme in der Bundesrepublik stationiert wurden.
Mit dem 3. Oktober 1990, als der Beitritt der DDR zur Bundesrepublik zu einem wiedervereinigten deutschen Staat führte, änderte sich die Lage der alliierten Streitkräfte. Im östlichen Teil Berlins und dem Gebiet der DDR räumten im Sommer 1994 die sowjetischen Truppen ihre Kasernen.
Am 12. Juli 1994 löste der damalige USA- Präsident Clinton in einer Zeremonie in den Mc Nair Barracks, die sich gleichfalls in Lichterfelde befanden, die Berlin-Brigade der amerikanischen Streitkräfte auf. Nicht verschwiegen werden soll, dass in den Einrichtungen der alliierten Streitkräfte viele deutsche Berliner Zivilbeschäftigte tätig waren.
Allein in den Andrews Barracks wurden 1994 noch ca. 1500 Zivilbeschäftigte gezählt. Mit dem Abzug der Streitkräfte ging also auch ein Arbeitgeber für die Westberliner Bevölkerung verloren. Allerdings wurden die frei gesetzten Arbeitskräfte in anderen Behörden aufgefangen.
Der letzte Soldat verließ am 30. September 1994 die Andrews Barracks. Damit war die fast ausschließliche militärische Nutzung des Geländes zwischen 1878 und 1994 zunächst beendet.
Einen Einblick in die Zeit der Besatzung zwischen 1945 und 1994 und viele sehenswerte Objekte bietet das Alliierten-Museum in Berlin-Zehlendorf, Clayallee 135. Mit der U 3 bis Bahnhof Oskar-Helene-Heim ist es gut zu erreichen. Es ist täglich von 10.00 – 18.00 Uhr bei freiem Eintritt geöffnet.
Wie würde man im weiteren Verlauf dieses riesige Gelände der ehemaligen HKA mit den darauf befindlichen Kasernen nutzen? Militärisch oder zivil? Das entschied sich noch im Jahre 1994.
Doch darüber lesen sie im Teil IV im März/April 2017.
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