Die weiße Frau im Berliner Stadtschloss

Eine Geisterpuppe

von Edelgard Richter

Nachdem die Bundesregierung und das Land Berlin den Wiederaufbau des von der DDR-Regierung 1950 gesprengten Berliner Stadtschlosses unter dem Namen Humboldt-Forum beschlossen hat, stellt sich die Frage, ob dann auch die weiße Frau wiederkommen wird. Hierbei handelt es sich um ein Gespenst, das erstmals 1628 im Berliner Schloss gesehen wurde; später noch einige Male in den Jahren 1840 und 1850.

Die weiße Frau wurde immer dann gesehen, wenn Todesfälle von Familienmitgliedern des Königshauses bevorstanden. Der Sage nach geht das Wandeln der weißen Frau auf Gräfin Kunigunde von Orlamünde geborene Landgräfin von Leuchtenberg zurück. Seinerzeit saß Albrecht von Hohenzollern auf der Cadolzburg; ein schöner und liebenswürdiger Mann, in den sie sich verliebt hatte und den sie heiraten wollte.

Doch Albrecht liebte sie nicht; die junge Witwe hatte keinen angenehmen Charakter. Dass sie zwei Kinder aus der Ehe mit ihrem verstorbenen Mann hatte, störte ihn jedoch nicht. Aber seine Eltern waren gegen eine Heirat mit der Gräfin.

So sagte Albrecht einmal zu ihr: „Vier Augen stehen im Wege . . .“ und meinte damit seine Eltern. Die Gräfin verstand aber darunter ihre Kinder. In einer stürmischen Winternacht brachte sie daher ihre Kinder um, indem sie eine goldene Nadel aus ihrem Haar zog und damit in die Schläfen der Kinder stach.
Nun büßt sie ihre Tat schon Jahrhunderte!

Das Berliner Schloss war die Hauptresidenz der Markgrafen und Kurfürsten von Brandenburg; später der Könige von Preußen bzw. der Kaiser des Deutschen Reiches. Zuerst stand dort nur eine Burg, an deren Stelle der Kurfürst Joachim II. durch die Baumeister Caspar Theiss und Kunz Bundschuh eine prachtvolle Renaissance-Residenz errichten ließ.

Über die Jahrhunderte waren zahlreiche Baumeister am Bau, der Erweiterung und der Ausgestaltung der Innenräume des Berliner Schlosses beteiligt: Im 16. Jahrhundert wurde durch den Hofbaumeister Rochus Graf zu Lynar der Westflügel und die Hofapotheke angebaut. Kurfürst Friedrich Wilhelm, der Große Kurfürst, ließ nach dem Dreißigjährigen Kriege das marode Schloss wieder herrichten.

Zur Königsresidenz ausgebaut wurde es unter Kurfürst Friedrich III., der sich 1701 zum König Friedrich I. von Preußen krönte. Andreas Schlüter baute es dann zu einem Barock-Schloss aus. Ihm folgte im Amt Eosander von Goethe, der einige Erweiterungsbauten vornahm.

Die Schlosskuppel wurde durch Friedrich August Stüler und Albrecht Dietrich Schadow nach einem Entwurf von Karl Friedrich Schinkel erbaut. Künstlerisch hervorragende Arbeiten an der Dekoration der Innenräume erfolgten durch Georg Wenzeslaus von Knobeldorff, Carl von Gontard, Carl Gotthard Langhans, Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff und Karl Friedrich Schinkel. Insgesamt hatte das Berliner Schloss 1.210 Räume.

Das von Eosander von Goethe erbaute und nach ihm benannte Portal ist eine vergrößerte Nachbildung des Triumphbogens des Septimus Severus in Rom, das 1964 in das Staatsratsgebäude der vergangenen Deutschen Demokratischen Republik eingefügt wurde und das man heute noch dort bewundern kann.

Bei dem schwersten Bombenangriff auf Berlin am 3. Februar 1945 brannte der Nordwestflügel des Schlosses aus. Die Außenmauern mit dem Zierschmuck, tragende Wände und einige der Haupttreppenhäuser blieben stehen.

Vom Kunstgewerbemuseum Berlin konnte nach Kriegsende noch der Flügel mit dem Weißen Saal als Magazin und Verwaltungssitz genutzt werden, in anderen Teilen der Halbruine waren Abteilungen des Landesdenkmalamtes und der vormals preußischen „Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten untergebracht.

In den Flügel am Schlossplatz mit dem Staatsratssaal war eine Baufirma eingezogen, die Sicherungs- und Bergungsarbeiten im Schloss ausführte. Im Weißen Saal fanden in den Jahren 1946 bis 1948 noch Ausstellungen statt. Nachdem Berlin ab Herbst 1948 nicht mehr gemeinsam verwaltet wurde, sondern in Ost- und West-Berlin zerfiel, untersagte der Ost-Berliner Magistrat weitere Sicherungsarbeiten und auch die Beheizung der genutzten Räumlichkeiten.

Im März 1949 wurde das Gebäude von der Bauaufsichtsbehörde Ost-Berlins gesperrt, obwohl es eine Sachverständigenkommission für nicht einsturzgefährdet erklärt hatte. Mit Gründung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) im Oktober 1949 übernahm das Ministerium für Aufbau die Rekonstruktion des Berliner Stadtzentrums, so dass auf einem Parteitag der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) im Juli 1950 der Abriss des Berliner Stadtschlosses bekannt gegeben und im Herbst 1950 vollendet wurde.

Für den nunmehr beschlossenen Neubau des Berliner Stadtschlosses soll eine Investitionssumme von insgesamt 590 Millionen Euro bereitgestellt werden. Indessen hat eine Bildhauer-Werkstatt in Berlin bereits vor einigen Jahren begonnen, Prototypen der Ornamente, Wappen, Konsolen und Figuren herzustellen, die für die drei barocken Fassaden bestimmt sind.

Bis der Schmuck endgültig fertig gestellt sein wird, werden viele Jahre vergehen, vielleicht sogar eine ganze Generation. Für die Fassadengestaltung fehlen dem Förderverein um Wilhelm von Boddien noch rund 60 Millionen Euro. Er hofft, diese Summe durch Spenden aus der Bevölkerung aufzubringen so, wie es bei der Frauenkirche in Dresden geschah.

Auch für die Herstellung der historischen Kuppel, der Innenportale und des Dach-Restaurants sind rund 29 Millionen privater Spenden erforderlich; allerdings ist inzwischen die Errichtung der Kuppel durch die Zusage der erforderlichen Mittel durch einen Mäzen gesichert. Von dem geplanten Dachrestaurant aus fällt der Blick dann auf den Lustgarten und den Boulevard Unter den Linden.

Inzwischen wurde festgelegt, dass die historischen Innenräume nicht wieder rekonstruiert werden sollen, allerdings ist eine spätere Wiederherstellung nicht ausgeschlossen. Dabei handelt es sich beispielsweise um den Rittersaal, den Elisabethsaal oder den Schweizersaal. Schließlich entsteht im Inneren ein völlig neues Gebäude für das Humboldt-Forum, das von den Staatlichen Museen zu Berlin, der Landesbibliothek Berlin und der Humboldt Universität nach Fertigstellung im Jahr 2019 genutzt werden soll.

Aus dem internationalen Architektur-Wettbewerb um die Errichtung des Berliner Schlosses ging Ende 2008 der italienische Professor Franco Stelle als Erster Preisträger hervor, dessen Entwurf nunmehr verwirklicht wird. Danach wird das neue Gebäude auf drei Seiten seine barocken Fassaden zurück bekommen.

Die an die Spree angrenzende Ostseite erhält eine völlig neue Fassade, das Belvedere, nach den Plänen von Franco Stella. Allerdings wird das Gebäude nicht mehr direkt bis an die Spree gebaut, so dass es möglich sein wird, am Ufer der Spree spazieren zu gehen.

Die Grundsteinlegung für den Neubau des Berliner Schlosses erfolgte am 12. Juni 2013 durch Bundespräsident Joachim Gauck in Anwesenheit von 700 Gästen, darunter 40 Botschafter aus verschiedenen Auslandsvertretungen. Vom Baufortschritt kann sich jeder von der sogenannten Humboldt-Box aus, die am Rand des Baufeldes in der Straße Unter den Linden steht, selbst ein Bild machen.