Wenn der Wind der Veränderung weht...
Bild: Hans-Jürgen Kolbe
von Hans-Jürgen Kolbe
„Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Mauern und die anderen Windmühlen“, sagt ein chinesisches Sprichwort. In Marzahn ist eher Letzteres der Fall. Die Windmühle wurde zwar nicht neu gebaut, sie entstand von 1993 bis 1994 auf einem in den Achtzigerjahren aufgeschütteten Hügel an der Landsberger Allee.
Seit Ende Januar diesen Jahres stand die Bockwindmühle jedoch still, nachdem der ehemalige Müller seinen Dienst quittieren musste.
Das Bezirksamt hat nunmehr die Betreiberschaft dem Agrarbörse Deutschland Ost e.V. übertragen. Der gemeinnützige Verein, der in unserem Bezirk auch den Tierhof und den Jugendclub „Treibhaus“ betreibt, konnte inzwischen einen Nachfolger finden.
Simon Rehle (33) ist der neue Müller in der Bockwindmühle. Er muss das Mühlenhandwerk aber erst noch lernen. Dafür bekommt er tatkräftige und kompetente Unterstützung durch Frederic Schüler, dem gelernten Müller von der historischen Windmühle Sanssouci. Und so wird Simon Rehle ein weiteres Mal umsatteln: zum Verfahrenstechnologen für Mühlen- und Getreidewirtschaft, Fachrichtung Müllerei, wie es heute heißt.
Müller ist einer der ältesten Handwerksberufe. 2018 erhielt das traditionelle Müllerhandwerk von der UNESCO den Titel „Immaterielles Kulturerbe der Menschheit”.
Der Potsdamer Müller Frederic Schüler ist auch Mitglied im Marzahner Mühlenverein und hat sich angeboten Simon Rehle ehrenamtlich einzuarbeiten. Gleich gegenüber des Schlosses steht die Holländerwindmühle, in der mit Windkraft auch heute noch Getreide gemahlen wird. Und so haben sie gemeinsam auch in Marzahn die Mühle wieder angeworfen.
Das Wandern ist des Müllers Lust…
Übrigens: Die Windkraft war und ist es auch, die gewissermaßen das Leben von Simon Rehle angetrieben hat. Das fing an mit einer Segelleidenschaft in seiner Jugend, die sein Stiefvater in ihm geweckt hat. So wehte es nahezu folgerichtig den jungen Mann von Augsburg an die Küste nach Kiel, wo er den Beruf als Bootsbauer erlernte. Dann wurde es noch stürmischer: Simon Rehle lernte Industriekletterer und es ging ab in die Windkraft. Er schwärmt noch heute von der Seilarbeit in hundert und mehr Metern Höhe.
Als Industriekletterer hat er Rotorblätter von Windkraftanlagen gewartet. Er hing dann oben im Seil um zu laminieren, spachteln, schleifen, lackieren. Und mit diesen Fertigkeiten im Gepäck trug ihn die Windkraft quasi um die halbe Welt: Neuseeland und die Malediven, Thailand und die Fidschi-Inseln, Irland und die USA waren die Stationen seiner langen Reise. Das Wandern ist eben des Müllers Lust…
Aber jetzt will Simon Rehle bodenständig werden. Jetzt muss und will er sich erst einmal mit der Mühle vertraut machen. Das steht jetzt als Wichtigstes auf seinem Dienstplan. Er habe viel Lektüre bekommen vom Müller der Potsdamer Mühle, Frederic Schüler, bekommen. Und es gibt viel zu lernen, wenn man eine Windmühle mit 20,5 Metern Flügeldurchmesser, 7 Tonnen Gewicht des Bockes und 37 Tonnen Gewicht des drehbaren Mühlenkastens und einem Mühlsteinpaar mit 1,4 Meter Durchmesser beherrschen will, um die Mühlenleistung von bis zu 1.000 Kilogramm Mehl pro Tag zu erreichen. „Also ein schöner Spielplatz für einen Handwerker“ stellt er mit einem Schmunzeln fest.
Standesamt mit Backofen?
Nun ist die Marzahner Mühle seit 1997 auch ein Ort für Hochzeiten. Jährlich schließen hier rund 40 Paare im kleinen Kreis den Bund für Leben. Außerdem kommen normalerweise viele Kita-Gruppen und Schulklassen zu Besuch, um sich das Handwerk zeigen zu lassen, Stichwort: „Vom Korn zum Brot“. Wie geht es da weiter? „Die Trauungen gibt es inzwischen wieder im kleinen Kreis.
Ich freue mich schon darauf, dabei zu sein. Bei allem anderen können wir momentan platztechnisch die Hygiene- und Abstandsbestimmungen nicht einhalten, was mir aber auch den Rücken freihält, um mich einzuarbeiten. Ich hoffe, dass wir mit den Besuchen von Kitas und Schulen nach den Sommerferien durchstarten können, auch zusammen mit dem Tierhof. Und vielleicht können wir im Herbst ein Erntedankfest feiern. Für die Kinder heißt es erst mal wahrscheinlich nur „Vom Getreide zum Mehl“ – ich muss mir den Ofen noch anschauen. Mit dem Brotbacken habe ich aber schon angefangen, als ich ein Jahr in Neuseeland gelebt habe“, so Simon Rehle.
Auf die Frage, wie lange er nun auf der Mahrzahner Mühe bleiben möchte, antwortete Simon Rehle: „Eigentlich bis zur Rente und wenn möglich noch etwas länger.“
Dazu wünsche ich dem neuen Müller von Marzahn. „Glück zu!“
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