Wo Senioren eine Lobby haben… Die Seniorenvertretung Marzahn-Hellersdorf
Bild: Waltraud Käß
von Waltraud Käß
Alle haben eine Interessenvertretung. Arbeiter und Angestellte sind in Gewerkschaften organisiert, Beamte im Beamtenbund, Handwerker haben ihre Innungen, die Bauern sind im Bauernverband …Wer aber kümmert sich um die Millionen Rentnerinnen und Rentner, die Menschen, die aus dem aktiven Arbeitsleben in den Ruhestand treten? Die sich plötzlich in einer Welt wiederfinden, die sie bisher nur am Rande wahrgenommen haben. Bei dieser Menschengruppe verschieben oder verändern sich auf einmal die Interessenfelder.
Verkehrsanbindungen, Einkaufsmöglichkeiten und ihre fußläufige Erreichbarkeit, Barrierefreiheit an Gehwegen und Verkehrsmitteln, die Gesundheitsfürsorge, Pflegeeinrichtungen und soziale Hilfe im Alter, Möglichkeiten der Freizeitgestaltung und der körperlichen Betätigung rücken stärker in den Vordergrund. Das eigene Wohnumfeld, der Bezirk, nimmt der Mensch auf einmal anders wahr als bisher.
Denn nun ist er nicht mehr den ganzen Tag weg, sondern den ganzen Tag hier, und beschäftigt sich mehr mit den täglichen Dingen des Lebens. Also fängt man an, sich zu orientieren. Was ist wo? An wen kann ich mich wenden? Wer hilft mir in speziellen Fragen? Wie kann ich am Leben im Bezirk teilhaben bzw. wo kann ich mich einbringen?
Das Land Berlin hat dafür einen gesetzlichen Rahmen geschaffen. Das Berliner Seniorenmitwirkungsgesetz vom 22.Mai 2006, zuletzt geändert am 7. Juli 2016, hat im § 1 sein Ziel benannt: „…die aktive Beteiligung der Seniorinnen und Senioren am sozialen, kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Leben zu fördern, die Erfahrungen und Fähigkeiten zu nutzen, die Beziehungen zwischen den Generationen zu verbessern, die Solidargemeinschaft weiterzuentwickeln sowie den Prozess des Älterwerdens in Würde und ohne Diskriminierung unter aktiver Eigenbeteiligung der Berliner Seniorinnen und Senioren zu gewährleisten.“
Das sind anspruchsvolle Ziele, welche eine Fülle von Aufgabenfeldern beinhalten. Und so hat auch das Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf seine Planung für die ältere Generation bis 2020 fortgeschrieben. Als Mittler zwischen dem Amt, der Bezirksverordnetenversammlung und den Senioren des Bezirks arbeitet eine gewählte Seniorenvertretung. Sie ist von Parteien und Konfessionen unabhängig, und sie arbeitet ehrenamtlich. Für die Seniorenvertretung des Bezirks Marzahn-Hellersdorf haben sich 15 Frauen und Männer freiwillig zur Verfügung gestellt.
Warum das Bezirksamt in der „demographischen Entwicklung“ einen sozialen Schwerpunkt sieht, wird deutlich, wenn man sich die Bevölkerungsstruktur ansieht. Der neue Bezirk, der damals in den 80-er Jahre entstand, war zu einem großen Teil ein Bezirk mit jungen Ehepaaren und Kindern. Inzwischen ist aus dieser Eltern-Kind-Generation eine Urgroß- und Großeltern-Generation geworden. Das verdeutlichen folgende Zahlen:
Der Bezirk hat gegenwärtig ca. 262 000 Einwohner, diese Zahl wird sich bis zum Jahre 2030 auf etwa 280 000 erhöhen. Wie hoch der Altersdurchschnitt ist, kann man an der folgenden Aufstellung erkennen, die natürlich auch Veränderungen unterliegt:
Unter 18 Jahre liegt der Anteil der Einwohner bei 43 797.
Bei 55+ sind es schon 93 385 Einwohner.
Bei 65+ finden sich 49 661 Einwohner.
Bei 75+ sind es 22 790 Einwohner.
Wer im Bezirk, in den Einkaufszentren oder in den Ärztehäusern unterwegs ist, kann diese Entwicklung augenscheinlich an den Menschen erkennen, die ihm dabei begegnen.
Für die Seniorenvertretung ergeben sich daraus viele Arbeitsfelder. Hilfreich bei der Bewältigung der Aufgaben ist das „Netzwerk im Alter“, in dem viele Institutionen ressortübergreifend eingebunden sind. In der Bezirksverordnetenversammlung ist die Seniorenvertretung in vielen Ausschüssen vertreten. Das eigentlich Wichtige dabei ist das Rederecht, so dass alle notwendigen Anliegen der Senioren vorgetragen und damit vielleicht auch einer Lösung zugeführt werden können.
Außerdem führt der Vorstand der BVV und die Seniorenvertretung einmal im Jahr eine Senioren-BVV durch, die sich ausschließlich mit den Themen des Alters und der gesetzten Schwerpunkte im Bezirk beschäftigt. Die diesjährige BVV fand bereits am 31. Mai statt. In der nächsten Ausgabe der „Spätlese“ werden Sie darüber einen Bericht finden.
Das alles kostet Zeit, die, ich betone es noch einmal, ehrenamtlich erbracht wird. Dass daraus schnell mal eine 30-Stunden-Woche wird, glaubt man der Vorsitzenden Frau Ritter gerne, zumal, wenn man in den Arbeitsplan der Seniorenvertretung schaut. Da fällt sofort der Kontakt zu den verschiedenen Verbänden, zu einigen Heimleitungen der 17 Pflegeheime, die es im Bezirk gibt, und zum Seniorenservicebüro des Bezirksamtes ins Auge.
Das ist der Ausgangspunkt dafür, dass Wünsche und Probleme der Senioren erkannt werden, dass Hilfe und Unterstützung organisiert werden kann, dass Anlaufstellen zur Problemlösung genannt werden können und schließlich, dass Handlungsbedarf den Amtsträgern signalisiert werden kann. Z.B. geht es bei neuen Bauvorhaben um seniorengerechten, bezahlbaren Wohnraum, um Barrierefreiheit auf Gehwegen, zu den Häusern und in den Wohnungen, so dass auch hier die Mitwirkung der Seniorenvertretung gefragt ist.
Oder die Seniorenvertretung hat z.B. dem Bezirksamt eine umfangreiche Impuls-Analyse zum Zustand von Gehwegen, Bürgersteigen, mangelhaften Baustellensicherungen, rücksichtslosem Parkverhalten und mangelhafter Beleuchtung übergeben, die insbesondere ältere und behinderte Menschen sehr ausbremst. Sie haben sich eingemischt, als es um den Erhalt der City-Toiletten in Berlin ging, sie haben die Geschäftsführung des Spree-Centers auf Gefahren durch die dortigen Pendeltüren aufmerksam gemacht und sie haben sich im Interesse der betroffenen Menschengruppe dagegen gewehrt, dass Mobilitätshilfsdienste im Bezirk geschlossen werden sollen.
Alle Problemfelder zu benennen, reicht hier nicht der Platz. Um die Qualität der Arbeit weiter zu erhöhen, werden Referenten zu relevanten Themen eingeladen. Ein Erfahrungsaustausch mit anderen Seniorenvertretungen ist angedacht, aber noch nicht konkretisiert. Das drängt sich auf, denn schließlich haben fast alle die gleichen Probleme.
Aber: Jeder Bürger kann sich auch über die Arbeit und die Angebote der Seniorenvertretung informieren. Die monatlichen Sitzungen sind öffentlich und finden in der Regel im Stadtteilzentrum Mosaik, Altlandsberger Platz, statt. Wer Fragen oder Probleme hat, kann sich mit einer Mail an die Adresse seniorenvertretung-mh@gmx.de wenden. Die Anliegen werden dann an die zuständigen Stellen weitergeleitet.
In der Sitzung des Vorstandes der Seniorenvertretung im April diesen Jahres informierte die Bezirksrätin Juliane Witt über die beiden Bauvorhaben im Gut Hellersdorf und im Gut Biesdorf, bei denen über 1000 Wohneinheiten entstehen. Dass die Seniorenvertretung ein Auge haben solle auf die Ansprüche der Senioren auf bedarfsgerechten Wohnraum, Infrastruktur usw., darum bat sie ausdrücklich.
Sie konnte der Seniorenvertretung zwar keine umfassende Lösung zum Problem der Mobilitätshilfsdienste anbieten, aber ein niedrigschwelliges Angebot, welches nicht die endgültige Lösung sein kann, soll zunächst etwas abmildernd wirken. Die Seniorenvertretung wird weiter am Thema dranbleiben.
Und sie informierte über die Europäische Datenschutzgrundverordnung, die im Jahre 2015 beschlossen wurde und nun im Mai 2018 in Kraft tritt. Mit ihr soll geregelt werden, dass noch sensibler mit persönlichen Daten umgegangen wird.
Insgesamt hat sich die Seniorenvertretung für die Wahlperiode umfangreiche und anspruchsvolle Ziele gesteckt. Für dieses persönliche Engagement kann man den Mitgliedern nur hohe gesellschaftliche Wertschätzung und erfolgreiche Problemlösungen wünschen.
Bei Frau Ritter bedanke ich mich für das Gespräch und die Möglichkeit der Einsichtnahme in aktuelle Arbeitsunterlagen.
SeniorenServiceBüro
Sozialkommission
- Tel.: (030) 90293 4371
- Fax: (030) 90293 4355
- E-Mail SeniorenServiceBuero@ba-mh.berlin.de
Sonder-Sozialkommission
Redaktion Spätlese
Leiter: N.N.