Auf der Suche nach den Wurzeln … Das Bezirksmuseum Marzahn-Hellersdorf

Ansicht der Marzahner Mühle

von Waltraud Käß

Ein Museumsbesuch ist immer ein großes Erlebnis, taucht der Mensch doch ein in vergangene Zeiten, wird informiert, wie die Menschen vor ihm gelebt haben, woher sie gekommen sind… Diese Erlebnisreise können interessierte Besucher auch im Bezirksmuseum unternehmen, können die dortige Dauerausstellung besichtigen. Warnung: Man braucht viel Zeit, um alle Details der Geschichte des Angerdorfes Marzahn bzw. des Bezirks zu erfassen.

Als Ergebnis von mehreren Besuchen meinerseits sowohl im Haus 1 (ehemalige Dorfschule) als auch im Haus 2 entstand die nachstehende Geschichte „Auf der Suche nach den Wurzeln“.

Neugierig blätterte Dorothea die Seiten der Zeitung um. Ein bisschen Klatsch und Tratsch, das lockerte die aufregenden, politischen Nachrichten etwas auf. Doch wichtig waren ihr vor allem die Nachrichten aus dem Bezirk. Es erstaunte sie immer wieder, wie reichhaltig das gesellschaftliche und kulturelle Leben war. Und wie alt ihr Stadtbezirk doch schon war.

Die Gründerjahre des Bezirks hatten sie kaum tangiert. Sie wohnte erst seit wenigen Jahren hier. So wie sie kannten wohl nur wenige vor vierzig Jahren das kleine Dörfchen Marzahn mit Kleingärten und Rieselfeldern um sich herum. Die gab es schon vor ewigen Zeiten, und sie stanken im wahrsten Sinne des Wortes zum Himmel, wenn man auf der Landstraße Berlin entgegen fuhr.

Das Dorf gab es heute immer noch. Es lag eingebettet zwischen Hochhäusern und anderen Neubauten und der neue Bezirk trug seinen Namen. Seit einigen Jahren hatte er sich allerdings einen Doppelnamen zugelegt. Marzahn und Hellersdorf waren eine Bezirksehe eingegangen.

Die Nachricht von dem Museum im Dörfchen Alt-Marzahn weckte ihr Interesse und sie entschied sich für einen Besuch desselben. Sie stieg die Freitreppe des kleinen, weißen Gebäudes empor und fand sich als einzige Besucherin in den Ausstellungsräumen. „War das immer schon ein Museum?“ fragte sie die nette Dame an der Information. „Nein“, sagte diese. „Es ist die ehemalige Dorfschule.

Hier haben wir gegenwärtig eine Ausstellung über die Kirchengeschichte des Bezirks. Die Dauerausstellung finden sie wenige Meter weiter im Haus 2, da wo ehemals die Bibliothek beheimatet war.“ „Wie aufregend“, dachte Dorothea, als sie die Ausstellungsräume betrat, die Tafeln und Exponate sah und nun gespannt war, was sie da erfahren würde.

Stunden verbrachte sie vor den Tafeln, machte sich viele Notizen, denn sie wollte ihrer Freundin Eleonore alles haarklein überbringen. Aufgeregt erzählte sie Eleonore: „Stell Dir vor, ich war im Museum und jetzt weiß ich, wie alt Marzahn wirklich ist. Es hat schon über 700 Jahre auf dem Buckel. Du wirst es nicht glauben, Eleonore, aber Nonnen waren die ersten Besitzer des Landes.

Die haben vom Markgrafen drei Hufen Land bekommen. Weißt Du, was ein Hufen ist? Nein? Aber ich! Eine Hufe sind dreißig Morgen. Und weißt Du, warum das Dorf so heißt wie heute? Damals hieß das Dorf Murczane oder Morczane. Das bedeutet soviel wie Ansiedlung an einem Sumpf. Und das stimmt ja auch. Dieses Gebiet im Barnim soll nämlich vor Urzeiten von Buchenwäldern bedeckt und mit Feuchtgebieten durchsetzt gewesen sein.

Siehste, und deswegen die Rieselfelder. Da war es doch einfach, später die Berliner Abwässer in die Sümpfe zu leiten.“ „Was Du alles ausgegraben hast, Dorothea. Und wer hat dann das Dorf eingerichtet?“ fragte Eleonore ihre Freundin. „Na ja, da kam ein Lokator. Der war vom Landesherrn bestellt und wurde geschickt, um ein Dorf zu gründen.

Und so entstanden dann auch die anderen Dörfer rund um Marzahn. Und der Mittelpunkt des Dorfes war immer die Kirche, die Schule und der Krug, also die Gaststätte. Die gibt es heute noch im Dörfchen. Die Kirche steht auch noch, allerdings nicht mehr im Original. Und in der Schule wird jetzt Kirchengeschichte gezeigt.“

„Erzähl weiter. Du machst mich immer neugieriger“, sagte Eleonore zu ihrer Freundin. Die ließ sich nicht lange bitten. „Später gehörten große Teile von Marzahn der Familie von Lindenberg. Die waren verschuldet. Und einen Raubritter hatten sie sogar in der Familie. Also, und um ihre Schulden zu bezahlen, haben die Lindenbergs Marzahn verkauft. In der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts. Stell Dir vor: Verkaufen die einfach ein Dorf und noch dazu in zwei Hälften. Dann kam der große Krieg, der Dreißigjährige.

Weißt Du noch, wie lang er dauerte? Richtig, von 1618 bis 1648. Marzahn wurde fast vollständig zerstört. Ach, eine Kuriosität muss ich Dir noch erzählen. Die wollten einmal alle Sperlinge ausrotten. Das haben also nicht die Chinesen erfunden. Warte, da gab es so ein Edikt, ich habe es abgeschrieben: „Wir verordnen demnach hiermit allergnädigst und ernstlich, dass ein jeder Unterthan auf dem Lande die Ausrottung der Sperlinge und dergleichen schädlicher Vögel sich mit allem Fleiß angelegen seyn lassen/ und sechs Jahre nacheinander ein jeder Hufener oder Bauer jährlich 12, ein Cossäte und ein anderer Einwohner als Einlieger/Schäfer, Hirte/Müller 6 Sperlingsköpfe an ihre Obrigkeiten abzuliefern schuldig und gehalten seyn/oder an deren statt für jeden einen Dreyer zur Armen-Casse des Dorfes erlegen solle.

“Eleonore bog sich vor Lachen. „Na und wie ging es weiter?“ fragte sie. „Danach kamen die Franzosen. Französische Hugenotten ließ der König ins Brandenburgische einwandern.“ „Ach, das waren wohl die Erfinder der Bouletten?“ fragte Eleonore amüsiert. „Richtig“, sagte Dorothea, „und den Spargel haben sie gleich noch dazu gepflanzt.“ „Und dann?“ fragte Eleonore. „Und dann, und dann…- Du kannst einem aber auch Löcher in den Bauch fragen. Weißt Du was? Nächste Woche gehen wir gemeinsam ins Museum. Da kannst Du Dir alles selbst anschauen.“

Öffnungszeiten:
Täglich, außer Samstag, 11:00 – 17:00 Uhr
Adresse:
Alt-Marzahn 51, 12685 Berlin